Das Thema scheint dringend. Den Veranstaltern der Intersolar Europe Konferenz war es ein eigenes Vortragspanel wert. Die Agrar-Pioniere suchen dringend Partner aus der Photovoltaik-Branche. Die Stadt der Zukunft produziert die benötigte Nahrung selbst oder zumindest in der Region. Gleichzeitig wird sie immer größer. 2017 wohnten 3,9 Milliarden Menschen beziehungsweise 54 Prozent der Bevölkerung in Städten, 2050 dürften es 6,5 Milliarden beziehungsweise 66 Prozent sein, prognostiziert Sophie Mok, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Aber 80 Prozent der für Landwirtschaft geeigneten Fläche auf der Erde wird bereits genutzt – oft weit vom Bedarf entfernt. „Gemüse legt im Durchschnitt 2400 Kilometer vom Bauernhof zum Verbraucher zurück“, sagt Mok.
Das soll sich ändern. Die Lösung heißt „closed farming“, Landwirtschaft in geschlossenen Räumen, am besten in mehreren Lagen übereinander, daher der Begriff „vertical farming.“ Die Umwelt profitiert. Bis zu 95 Prozent weniger Wasser, ein Drittel weniger verdorbene oder ungenutzte Lebensmittel auf im Müll, weniger Transport, weniger Dünger bei deutlich mehr Erntezyklen. Dafür neue, riesige Fabrikhallen zu errichten, ist laut Mok überflüssig: „Wir können bestehende Infrastruktur nutzen, wie in London stillgelegte U-Bahntunnel, durch autonomes Fahren werden Parkhäuser frei, durch Homeoffice Büroflächen.“
Christine Zimmermann-Lössel, Vorsitzende der Association for Vertical Farming (AVF), nennt einen weiteren Vorteil. Die Pflanzen wachsen unter künstlichem Licht. Durch die Wahl der richtigen Wellenlängen zur richtigen Zeit verändert der Mensch die Stoffwechselprozesse in der Pflanze und kann sie so beispielsweise nahrhafter machen. Mehr blaues Licht oder eine Verschiebung ins Rote, alles ist möglich. Mehr Karotin, mehr Vitamin A? Kein Problem bei der richtigen Beleuchtung.
Der Nachteil: Kunstlicht benötigt Strom. Damit die Technologie Erfolg hat, sollte der emissionsfrei sein. Photovoltaik-Anlagen wären ein möglicher Lieferant, beispielsweise auf den Hallendächern. Der AVF würde gerne bei seinem sogenannten Foodlab am Stadtrand von München Module installieren, um zu testen, wie die Kombination sinnvoll gestaltet wird. Dort baut der Verband auf zwölf Quadratmeter und in sechs Lagen Pflanzen an.
Die Versorgung ist ein kritischer Punkt, denn während alle anderen Faktoren weit unter dem Bedarf der konventionellen Landwirtschaft liegen, wird es hier aufwändig. Rund 0,3 Kilowattstunden benötigt der traditionelle Landwirt für ein Kilogramm Nahrungsmittel vom Feld oder aus dem Garten. „Beim Vertical Farming sind es im Durchschnitt 10,43 Kilowattstunden“, erklärt Zimmermann-Lössel. (Jochen Bettzieche)
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Mir erscheint es widersinnig, wenn man Sonnenlicht erst in Strom, dann wieder in Licht und schließlich in Pflanzenmasse umwandeln will. Da wäre es doch sinnvoller, die Pflanzen gleich dem direkten Sonnenlicht auszusetzen, und sei es in Gewächshäusern, wenn man die Abhängigkeit von Gemüseimporten aus Italien und Spanien verringern will. Gewächshausfläche ist immer noch billiger als PV-Module, die wegen Wirkungsgradverlusten auch noch mehr Fläche benötigen. So etwas geht nur, so lange man billigen Atomstrom hat.
Die zunehmende Verstädterung der Weltbevölkerung ist ja auch kein Naturgesetz, sondern die Folge unzureichender Strukturpolitik. Wenn die Abnahme der Lebensqualität durch Abwanderung von wichtigen Dienstleistern in den ländlichen Regionen gestoppt wird, lässt sich die Verstädterung auch umkehren. Die „große“ Politik lässt sich allerdings zu sehr vom großen Geld lenken, und das wird nur in den großen Ballungsräumen gemacht. Entsprechend läuft der Hase. Aber wie gesagt: Ein Naturgesetz ist das nicht. Nur die Feststellung eines Mangels an konzeptionellem Denken in der Politik.
Zuerst stimme ich JCW vollkommen zu.
Weitere Punkte:
Der Vitaminverlust durch Züchtung für maximalen Ertrag in den letzten 60 Jahren ist gigantisch, zeigt ein Dokumentarfilm. Die Folgen sind geschwächte Immunsysteme, Volkskrankheiten, Allergieen uvm.
Das mag vielleicht etwas komisch klingen: aber wissen wir wirklich, dass wir Menschen langfristig ohne negative Folgen Gemüse essen können, das kein Sonnenlicht und nur Kunstlicht abbekommt?
Kennen wir wirklich alles was von der Sonne auf die Erde geschickt wird?
Wir sollten uns so ernähren wie die Superreichen Milliardäre: mit Nahrungsmitteln aus Demeter bzw. Bio-Landwirtschaft. Und Permakulturen. Denn das ist wahre Intensive Landwirtschaft mit maximalem Ertrag ohne den Boden zu schädigen. An Arbeitskräften mangelt es ja nicht (siehe Arbeitslosenstatistik).
ich stimme JCW und Jannik vollkommen zu und möchte noch erwähnen, dass wir eigentlich keine not an nahrungsmittel hätten, wenn wir unsere flächen sinnvoll einsetzen würden.
– verschwendung / wegwerfen von lebensmitteln
– umstellung auf weniger fleisch und mehr vegetarisch
– ende von „bio“-sprit, der in wahrheit alles ausser bio ist durch extremlandwirtschaft mit pestiziden, monokulturen und vor allem die verlagerung von anbauflächen nach z.b. brasilien.
seltsam mutet auch die hexenjagd auf palmöl in lebensmittel an. dieses ist eigentlich ernährungstechnisch sehr gut und auch im flächenverbrauch weit besser als z.b. raps… konkuriert aber mit unserer höchst unökologischen alteingessenen milchwirtschaft…
Ich stimme JCW, Jannik und andiY und halte es im Prinzip für ausgemachten Dummfug, Sonnenlicht in Strom umzuwandeln, um Sonnenlicht zu imitieren, damit Pflanzen Photosynthese betreiben. Das PV-Magazine selber hat am 3. August die besserer Alternative erwähnt. „Agro-Photovoltaik mal anders“ ( https://www.pv-magazine.de/2021/08/03/agro-photovoltaik-mal-anders/ ). Wenn man die Photosynthese – also die Pflanzen – bei der Produktion von Nährstoffen wegläßt, dann sieht die Sache mit der Effizienz nämlich ganz anders aus. Dann kann man im Prinzip mit einem Zehntel des Flächenbedarfs und einem Hundertstel des Wasseraufwandes rechnen. Im Notfall – Nahrungsmittelkrisen wegen der Unwägbarkeiten des Wetters – dürfte das der intelligentere Weg sein.
Im Artikel steht mal eine Einschätzung für das mehr an Strom das benötigt wird, die Kommentare soweit bestätigen meine eigenen Befürchtungen wobei die Erzeugung via fossiler Energie ja wohl das größere Problem werden könnte falls das nicht so einfach zu verhindern ist wo die günstig vorhanden.
Ich kenne auch Argumente für vertical farming wie verlässlichere Erträge und das dann auch bei z.b. in der Medizin benötigten Pflanzen. Den Bilderbuchapfel brauch ich eigentlich nicht wirklich geschweige wenn teurer, er fängt den Blick tatsächlich zugegeben.
Nicht zum ersten mal wird mit kürzeren Transportwegen argumentiert statt der Wüste etwas zurückzugewinnen wo sonst zu viel Sonne, konkrete Projekte wo nicht im Konflikt mit bestehendem dürften die meiste Akzeptanz ernten und falls dann insbesondere technologisch noch einiges reifer werden kann wie von Photovoltaik und Speichertechnologie ja zu erwarten tatsächlich.
Vertical farming ist irgendwie eine Weiterentwicklung der Gewächshäuser. Und diese produzieren schon seit Jahren frisches Basilikum zu Jeder Jahreszeit … dank Kunstlicht – inzwischen meist LED. Um den Irrwitz aufzugreifen, sollten wir uns vergewissern, dass diverse Industrienationen seit Jahren Sonnenlicht zu Biomasse, 200.000.000 Jahre warten, Erdöl fördern, zu Benzin verarbeiten … naja, schenken wir uns den Rest. Beim Energiebedarf von 0,3 kWh zu 10,43 kWh … aufpassen … sind da Transportwege inbegriffen? Wohl Nein … und die, 0,3 kWh beziehen sich wohl auf Frischgewicht … also auf 96% Wasser mit etwas Fasern oder so. Ansonsten müssten bei uns bei 1.000 kWh pro Quadratmeter und Jahr 3.000 kg an Biomasse pro Quadratmeter und Jahr wachsen … wenn die Angaben aus hochqualifizierten Gremien stammen … dann unterliegen wir wohl mal wieder diversen Rechenfehlern wie seinerzeit beim Biodiesel … die gesamte Anbaufläche Deutschlands hätte gerade einmal den Bedarf der LKW Flotte bedient. Produktion des Rapsöles natürlich ohne Energieaufwand…
Danke für den Beitrag, der zumindest ein paar Dinge anzweifelt und in Frage stellt. Vertical farming wird z.b. in Tokio und Singapur seit mehr als 10 Jahren erfolgreich betrieben. Dieses geschieht mitten in der Stadt mittels Gewächshäusern welche auf Flachdächer gebaut worden sind. Dabei wird pro Quadratmeter Fläche das Zehnfache an Pflanzen produziert. Die Pflanzen haben jedes Lichtspektrum was sie für ein optimales Wachstum brauchen. Dabei werden Lichtwellenlängen je nach Bedarf und auch UV-Lampen eingesetzt, um Schadpilze zu vermeiden. Es werden keinerlei Kunstdünger und Pestizide eingesetzt.. Das 30 fache an Strombedarf bezieht sich wohl auf alte Leuchtstoffröhren und Halogenlampen. Was ist dagegen zu sagen, wenn dieses Lebensmittel am nächsten Tag nach der Ernte zum Verkauf in unmittelbarer Nähe angeboten wird. So werden nachweislich höherwertigere , vitaminhaltigere und gesündere Lebensmittel produziert, ohne Boden und Gewässer zu verseuchen. Jedes Kilogramm Gemüse wird durchschnittlich 2500km durch die Gegend gekarrt und da ist das Gemüse, welches in Deutschland produziert wird angerechnet. In Berlin arbeitet bereits eine Firma mit einem Gewächshaus auf dem Dach wo vertikal farming mit Fischzucht verbunden ist. Die Fische werden mit pflanzlichem Futter versorgt und die Ausscheidungen werden mit Biofiltern von Ammoniak zu verträglichem Dünger umgearbeitet. Mit diesem Dünger werden Tomaten versorgt, welche in diesem nährstoffreichen Wasser wachsen. Dadurch werden nur 2,5% des gesamten Kreislaufes als Abwasser entsorgt. Dies nennt man Aquatronic und es könnte vielleicht einen Teil der umweltschädlichen Fischzucht ersetzen. Wenn wir endlich in der Lage sind in Deutschland grünen Strom im Überfluss für Deutschland zu produzieren, dann sollten solche Anlagen in Zukunft nicht mehr in Zweifel gezogen werden.
Aquaponic – falls es jemand googeln will
Danke JCW. Mein Schreibprogramm hat das übersehen und ich bei der Durchsicht auch.