Day-Ahead-Börsenstrompreis steigt auf mehr als 44 Cent pro Kilowattstunde

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Noch haben die Übertragungsnetzbetreiber den Marktwert Solar für September nicht veröffentlicht. Doch nach dem Allzeit-Hoch von 7,681 Cent pro Kilowattstunde im August ist auch im September mit mindestens ähnlichen Werten zu rechnen. Hintergrund sind die volatilen und phasenweise unglaublich hohen Preise, die an der Strombörse gezahlt werden. So lag der Day-Ahead-Preis am Donnerstag (7. Oktober) um 19 Uhr bei 44 Cent pro Kilowattstunde. Raimund Kamm, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) Bayern, berichtet, dass auch in den vergangenen Tagen trotz guten Winds stundenweise Preise um die 20 Cent pro Kilowattstunde aufgerufen worden. Für ihn steht fest, dies ist die Folge der fehlenden Photovoltaik- und Windkraftanlagen in Deutschland, die zu zögerlich ausgebaut werden.

In den ersten sechs Oktobertagen hätten Photovoltaik und Windkraft zusammen mit 3,5 Milliarden Kilowattstunden Strom gut das Eineinhalbfache an Strom wie die Braun- und Steinkohle mit 2,2 Milliarden Kilowattstunden geliefert. „Dennoch lag der Strompreis an der Börse im Schnitt über 10 Cent pro Kilowattstunde und in der Spitze bei über 20 Cent pro Kilowattstunde“, erklärt Kamm.

Ø Großhandels-

strompreise

 

2019

1. Hbj.

2020

1. Hbj.

2021

Juni

21

Juli

21

Aug

21

Sep

21

Okt

21

Nov

21

ct/kWh3,7a2,3a5,5a7,2b8,0b8,2b12,7b15,3c

Quelle BNetzA  a https://www.smard.de/home   Quelle Energy Charts Day ahead Auktion volumengewichtet  c bis 7.10.

Die Hauptursache des Anstiegs seien jedoch die rasant gestiegenen Erdgaskosten. Dies sieht auch Bruno Burger, Leiter der Energy-Charts am Fraunhofer ISE, so. Zu Monatsbeginn lagen die Gaspreise bei 43,65 Euro pro Megawattstunde, während im vergangenen Jahr der Gaspreis bei 7 Euro pro Megawattstunde lag. Daher sei im dritten Quartal auch ein erneuter „Fuel Switch“ zu verzeichnen gewesen – dieses Mal von Erdgas zurück zur Steinkohle. Die Steinkohlekraftwerke produzierten im dritten Quartal deutlich mehr Strom und die Braunkohle war der größte Erzeuger in dem Monat. Dabei sind auch die Preise für CO2-Zertifikate im September auf durchschnittlich 60 Euro pro Tonne weiter gestiegen. Die große Differenz zu den hohen Börsenstrompreisen macht den Betrieb der Braunkohlekraftwerke dennoch rentabel, wie der Freiburger Forscher erklärt. Für die CO2-Bilanz im Stromsektor ist dies natürlich alles andere als positiv.

Auch Bruno Burger beobachtet die Entwicklung der Day-Ahead-Preise ganz genau. So sei es im September regelmäßig der Fall gewesen, dass die Börsenstrompreise morgens sehr hoch gewesen sein. Über Mittag gingen sie dann eher zurück, doch wenn die Photovoltaik-Anlagen nicht mehr liefern, geht er abends wieder nach oben und in der Nacht dann wieder nach unten. Dieser Trend scheint sich nun auch im Oktober fortzusetzen. Angesichts des Merit-Order-Effekts werden die Börsenstrompreise durch das letzte Kraftwerk bestimmt, das erforderlich ist, um die Stromnachfrage zu decken. Ist dies ein Gaskraftwerk, dann wird es teuer.

Bereits im September zeigte sich eine hohe Volatilität bei den Strompreise, die sich im Oktober wohl noch verstärkt.

Grafik: Energy Charts/Fraunhofer ISE

Nach Ansicht von Raimund Kamm könnte sich die Lage an den Strombörsen noch verschärfen. So verlieren zum Jahresende die drei der sechs verbliebenen Atomkraftwerke ihre Betriebsgenehmigung. Weitere 4,1 Gigawatt an Kapazitäten verschwinden damit aus dem Markt und Kamm geht davon aus, dass die AKWs bereits in den Monaten davor weniger Strom produzieren werden. Bis Ende 2022 ist dann der komplette Atomausstieg vorgesehen und die restlichen drei AKW mit ihren etwa 4,1 Gigawatt gehen dann ebenfalls vom Netz.

Angesichts der aktuellen Entwicklung verwundert es nicht, dass Rufe von Kernkraftbefürwortern lauter werden, die AKW doch länger laufen zu lassen. So forderte die Kernenergieforscherin Veronika Wendland in einem Interview mit dem „Focus“ die neue Regierung auf: „Stoppt den Atomausstieg. Und mottet stattdessen die größten Kohle-Dreckschleudern ein.“ Das Pikante, Wendland ist eine ehemalige Gegnerin der Atomkraft. Sie will daher nicht nur den Weiterbetrieb der AKW, fordert zugleich auch, beim Ausbau der Erneuerbaren und Speicher nicht nachzulassen. Neben Wendland forderte zuletzt auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten über 2022 hinaus.

Kamm und Burger würden dies nicht befürworten und weisen auf den viel zu geringen Ausbau von Photovoltaik und Windkraft in den zurückliegenden Jahren hin. Die Ökostromlücke wachse immer weiter. „Hierdurch wird unverantwortlich viel CO2 erzeugt und steigen die Preise an der Strombörse“, sagt Kamm. „Hätten wir in den vergangenen zehn Jahren konsequent Solar und Windkraft ausgebaut, wäre heute der Strompreis auch bei Einberechnung von Systemkosten für Speicher günstiger.“ Auch für Bruno Burger stellt sich die Frage, ob die derzeitige Situation nicht dazu führen, dass sich Speicher bereits günstig betreiben ließen.

Letztendlich einig sind sich beide, dass sofort einen wesentlich höheren Ausbau von Photovoltaik und Windkraft braucht. Kamm empfiehlt 15 Gigawatt neu installierte Photovoltaik und 10 Gigawatt an Windparks pro Jahr. Um dies zu schaffen, braucht es aber auch konstante und verlässliche Rahmenbedingungen, wie Bruno Burger sagt. Auch er ist überzeugt: „Wenn wir die erneuerbaren Energien konsequent ausgebaut hätten, wären wir jetzt schon deutlich weiter mit der Energiewende und hätten keine so hohen Strompreise aufgrund der hohen Preise von Gas, Öl und Steinkohle.“

BEE warnt vor voreiligen Schlüssen

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht vielfältige Gründe für die aktuelle Entwicklung. Neben dem massiven Anstieg des Gaspreises seien auch die CO2-Preise sowie die Stromnachfrage durch das Anziehen der Wirtschaft gestiegen. Hinzu komme eine eher schwache Einspeisung aus Windenergie. Die hohn Börsenstrompreise werden demnach auch zu einer sinkenden EEG-Umlage führen. Agora Energiewende erwartet, dass sie auf etwa 3 bis 4 Cent pro Kilowattstunde im nächsten Jahr fallen könne – nachdem sie im vergangenen Jahr nur wegen der zugesicherten Milliarden-Zuschüsse aus dem Bundeshauhalt bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden konnte. 2020 waren die Börsenstrompreise infolge des ersten Lockdowns und der eingebrochenen Industrienachfrage drastisch gesunken, ehe sie sich ab dem Sommer wieder erholten.

Der BEE sieht aktuell keinen Anlass, aufgrund der temporären Effekte voreilige Schlüsse zu ziehen und warnt vor politischen Schnellschüssen. „Die meisten Sondereffekte dieses Jahres werden sich in den nächsten Monaten wieder verändern. Statt voreiliger Entscheidungen braucht es jetzt einen Gesamtblick auf den Strommarkt und eine Neuordnung des Marktrahmens“, erklärte BEE-Präsidentin Simone Peter. „Zwar ermöglichen die aktuellen Effekte potentiell eine starke Reduzierung der in der EEG-Umlage sichtbar werdenden Differenzkosten der erneuerbaren Energien, allerdings werden diese Effekte nicht lange anhalten. Wir erwarten, dass die Differenzkosten zunächst weiter steigen und nicht allein aus CO2-Einnahmen aus dem Wärme- und Verkehrssektor gedeckt werden können, wenn diese gleichzeitig für den sozialen Ausgleich genutzt werden sollen.“

Daneben sieht der BEE sichere Finanzierungen als wichtigen Treiber für den weiteren Zubau von Erneubaren-Anlagen. „Solange es keinen neuen Marktrahmen gibt, der diese Finanzierung von Investitionen ermöglicht, ist der Mechanismus des EEG weiter erforderlich“, so Peter weiter. In diesem Sinne bedürfe die Debatte zur EEG-Umlage eine ganzheitliche Einordnung. „Ein neues Marktdesign und eine Überarbeitung der Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiebereich werden den dringend benötigten Flexibilitätsbedarf sowie die Umsetzung der Sektorenkopplung für eine erfolgreiche Energiewende realisieren.“

Anmerkung der Redaktion: Das Statement des BEE ist nachträglich im Artikel ergänzt worden. Ebenfalls nachträglich korrigiert wurde die Zahl der AKW, die Ende 2021 vom Netz gehen.

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