Es war eines der ersten Events, was in diesem Jahr als „physische“ Veranstaltung stattfand und vielleicht eine passende Einstimmung und kleiner Vorgeschmack auf die Intersolar Europe Anfang Oktober in München. Knapp 400 Teilnehmer kamen am Mittwoch und Donnerstag zum Forum „Neue Energiewelt“ nach Berlin – um über den Photovoltaik, Erneuerbare und wichtige Themen der Energiewende zu diskutieren. Alles stand dabei unter dem ambitionierten Motto: „1000 Gigawatt Zubau erneuerbarer Energien – Wie kann das gehen?“ Ausgerufen hatte es der „Erfinder“ des Forums, Karl-Heinz Remmers, in der Eröffnungssession. Dabei geht es ihm nicht darum, diese Zahl genau zu erreichen, sondern vielmehr darum, die Branche zu motivieren, groß zu denken.
Auf dem Forum „Neue Energiewelt“ stand dabei vor allem die Photovoltaik im Blickpunkt – sie ist mittlerweile günstig und im Vergleich zur Windkraft beliebt in der Bevölkerung. Am Mittwoch präsentierte der PV Think Tank nochmals seine Ideen für einen jährlichen Zubau von 10 Gigawatt und mehr in Deutschland. Dabei werden die verschiedenen Segmente gesondert in den Blick genommen und auf der Veranstaltung ging es auch darum, Handlungsempfehlungen an die Politik zu formulieren – speziell was in ein Programm in die ersten 100 Tage nach der Wahl gehört.
Dabei kam immer wieder die Überregulierung in den verschiedenen Bereichen zur Sprache, etwa bei der Anmeldung von Dachanlagen oder Konzepten der Vor-Ort-Versorgung, aber auch beim Ausschreibungsdesign. Besonders dringlich wird von den Beteiligten die Rücknahme der Regelung für große Photovoltaik-Dachanlagen zwischen 300 und 750 Kilowatt gesehen. „Die Neuregelung führt dazu, dass derzeit nur noch 299-Kilowatt-Dachanlagen gebaut werden und zwölf Monate später dann die nächste 299 Kilowatt-Anlage“, erklärte Rechtsanwalt Florian Valentin, Rechtsanwalt der Kanzlei von Bredow, Valentin, Herz. Webb schon Ausschreibungen in diesem Segment gewollt seien, dann müssten sie vereinfacht und digitalisiert werden. Zudem sollte der Gesetzgeber über parallele Ausschreibungen für Dachanlagen mit und ohne Eigenverbrauch nachdenken.
Bei den kleineren Dachanlagen betonte Markus Meyer von Enpal, dass die Einspeisevergütung auf mittelfristige Sicht weiter gebraucht werden. Dennoch sei auch eine Anpassung des atmenden Deckels notwendig, um diesen Markt nicht abzuwürgen. Perspektivisch sollte über neue Finanzierungsmodelle für solche Anlagen nachgedacht und in diesem Zuge die Direktvermarktung kleinerer Anlagen erfolgen sowie mehr Freiheit für Behind-the-Meter-Konzepte gewährt werden.
Bei den großen Solarparks steht dagegen eher eine bundeseinheitliche Leitlinie für „gute Planung“ im Fokus. Solche Photovoltaik-Kraftwerke werden derzeit entweder über Zuschläge aus den Ausschreibungen realisiert oder auch am Strommarkt über PPAs refinanziert. Ein Wunsch aus der Branche an die Politik ist dabei eine Überarbeitung der Flächenkategorien, die manche Formen der Doppelnutzung wie etwa bei Agri-Photovoltaik derzeit noch erschwere.
Großes Potenzial sieht der PV Think Tank aus bei den „besonderen Anlagen“. So plädiert er für ein 1-Million-Fassadenanlagen-Programm im 100-Tage-Programm der nächsten Bundesregierung. Das Potenzial wäre da. Nach Aussage von Holger Krawinkel von MVV gibt es in Deutschland etwa 21 Millionen Gebäude, davon rund 18 Millionen Wohngebäude.
Die Wünsche der Branche nahm ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums entgegen. Was nach der Wahl passiert, kann natürlich niemand vor der Wahl sagen. Doch auch der SPD-Abgeordnete Klaus Mindrup ließ sich das als Out- und Indoor konzipierte Event nicht nehmen, um mit Blick auf den Sonntag nochmal die Werbetrommel zu rühren. Er sprach sich explizit für einen schnelleren Zubau der Erneuerbaren aus. Dann sei es auch möglich, Deutschland bis 2035 klimaneutral zu machen – nicht erst 2045 wie es das aktuelle Klimaschutzgesetz vorsieht.
Branche und Politik sind das eine, um den Photovoltaik-Zubau wieder nach vorn zu bringen und 1000 Gigawatt Erneuerbare zu erreichen, die andere Seite sind auch die benötigten Installationskapazitäten und die Akzeptanz für die Projekte in der Gesellschaft sowie Komponenten, die idealerweise noch in Europa gefertigt werden sollten. Auch dies waren Themen, die neben der Technik und Qualität viel Raum auf der zweitägigen Konferenz einnahmen. Wer die Chance in diesem Jahr verpasst hat, sollte sich den 14./15. September 2022 vormerken. Dann gibt es das nächste Forum – erneut mit viel frischer Luft, guter Laune und spannenden Themen.
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