McKinsey Energiewendeindex: Nach Pandemie stehen Klimaziele auf Kippe

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Viele der Indikatoren, die auf die Einhaltung der Klimaziele deuten, sehen in Deutschland Stand September 2021 ermutigend aus. Jedoch sind die positiven Entwicklungen auch maßgeblich auf die Verlangsamung der Industrie im Zuge der Corona-Pandemie zurückzuführen. Das geht aus dem Energiewendeindex, einer Bewertung des Energiewendefortschritts durch das Beratungsunternehmen McKinsey hervor. Außer dem Update des Index stellten die Analysten auch noch eine Karte zum Wasserstoffverbrauch in Deutschland vor.

Anhand von 15 Indikatoren bewerten die Analysten, wie es um die Energiewende steht. Immer zehn der Indikatoren lassen in der Momentaufnahme auf eine realistische Zielerreichung hoffen. Dazu gehören der Anteil an erneuerbaren Energieträgern an Bruttostromverbrauch. 2020 lag der bei 43 Prozent und somit innerhalb des Bereichs, der für die Klimaziele notwendig ist. Auch die Gesamtenergiekosten der Haushalte lagen letztes Jahr bei 9,8 Prozent und somit im zufriedenstellenden Bereich. Neben diesen beiden Indikatoren werden im Energiewendeindex auch die verfügbare Kapazität für Stromimporte aus Nachbarländern, sowie die geringe Anzahl an Stromausfällen in Deutschland als robuste Indikatoren für das Gelingen der Energiewende aufgezählt.

Allerdings deuten die Autoren des Index auch darauf hin, dass die verbleibenden sechs der zehn Indikatoren, bei denen die nackten Zahlen einen positiven Eindruck erwecken, auf der Kippe zu einer Verschlechterung stehen. „Alles in allem haben die Corona-Effekte keine nachhaltige Trendwende eingeleitet, im Gegenteil“, sagt McKinsey Senior Partner Thomas Vahlenkamp. „Vieles deutet darauf hin, dass die für die Energiewende positiven Rekordergebnisse aus dem Jahr 2020 mit der Wiederbelebung der Wirtschaft nach dem Ende der Schutzmaßnahmen wieder passé sein werden.“

So sank der CO2-Ausstoß im letzten Jahr um 70 Millionen Tonnen, deutlich mehr als die 20 Millionen Tonnen, die in den letzten Jahren im Schnitt pro Jahr eingespart wurden. Die neuen Klimaschutzgesetze schreiben eine Reduktion von 65 Prozent bis 2030 vor. Dafür wäre McKinsey zu Folge jährliche Einsparungen in Höhe von 30 Millionen Tonnen nötig.

Ernüchterung gibt es auch bei Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch. Dieser stieg zwar von 17 Prozent in 2019 auf 20 Prozent im letzten Jahr an, wodurch dieses Ziel übererfüllt wurde, jedoch sei der geringere Verbrauch aufgrund der runtergefahrenen Wirtschaft dafür verantwortlich. Besonders deutlich wird dies bei dem Anteil von Erneuerbaren am Energiebedarf für Wärme und Kälte. Dieser stieg lediglich um 0,2 Prozent im letzten Jahr. Bleibt es bei diesem Ausbautempo, würde Deutschland massiv hinter die selbst gesteckten Ziele zurückfallen, schreiben die Autoren des Index.

5 der 15 Indikatoren, die durch McKinsey erhoben werden, deuten darauf hin, dass eine Einhaltung der Ziele in diesen Bereichen unrealistisch erscheint. Trotz deutlicher Verbesserung zum Vorjahr verharrt die Sektorenkopplung im Bereich Verkehr in dem Bereich, wo die Einhaltung der Klimaziele aus unrealistisch eingeschätzt wird. Im vergangenen Jahr wurde über eine halbe Million Elektroautos verkauft, was die Zielerreichung von 28 Prozent auf 46 Prozent steigen ließ. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor lag 2020 bei lediglich 7,3 Prozent und die Anzahl der Elektroautos müsse schleunigst verdoppelt werden, um auf einen Kurs zu kommen der den Klimazielen entspricht.

Auch bei den Stromkosten besteht noch Verbesserungsbedarf. Die Stromkosten für die Haushalte liegen 48 Prozent über dem europäischen Niveau. Zwar ist das eine Verbesserung gegenüber der 53 Prozent, die im Vorjahr ermittelt wurden, doch diese sei nur darauf zurückzuführen, dass die Stromkosten im Rest von Europe gestiegen sind, und gehe nicht zurück, dass sie hierzulande die Kosten gesunken wären. Das Ziel ist es, dass die Stromkosten nur noch 25 Prozent über dem europäischen Mittel liegen. Das liegt mitunter auch an den hohen Kosten für Netzeingriffe. Die Zielsetzung sei es wohl, die Marke von durchschnittlich 1,00 Euro pro Megawattstunde für Netzeingriffe aufzuwenden. Im vergangenen Jahr belief sich dieser Wert allerdings auf 7,60 Euro pro Megawattstunde.

Mit Wasserstoff würden sich die Klimaziele noch eher erreichen lassen, so die Autoren. Durch Produktion, aber auch durch den Import von grünem Wasserstoff würde der Anteil an erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch steigen. Außerdem könne durch die Weiternutzung des Gasnetzes das Stromnetz, bei dem der Ausbau auch massiv hinterherhinkt, entlastet werden. In dieser Ausgabe des Energiewendeindex stellt McKinsey eine Karte vor, anhand der die geografische Verteilung des Wasserstoffbedarfs zu erkennen ist. Dafür haben die Analysten die Nachfrage in drei verschiedenen Szenarien mit Geodaten verknüpft.

Daraus erschließen sich fünf Gebiete rund um Ballungsgebiete und Industriestandorte, bei denen der Bedarf an Wasserstoff recht groß ausfallen dürften. Die größte Region wird den Annahmen der Autoren zufolge das Rhein-Ruhr-Gebiet sein. Hier würde besonders die Stahl- und Ammoniakproduktion zur Nachfrage beitragen. Im Rhein-Main-Neckar Gebiet lässt die Nachfrage der chemischen Industrie in Ludwigshafen und dem Flughafen Frankfurt am Main die Nachfrage steigen. In der Gesamtbetrachtung fällt auf, dass den Modellierungen der Analysten nach 80 Prozent des Wasserstoffbedarfs auf die fünf Gebiete entfällt.

Die Karte zeigt die Gebiete mit dem größten erwarteten Wasserstoffbedarf in Deutschland auf.

Grafik: McKinsey & Company

 

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