Nur grüner Wasserstoff kann zum Klimaschutz beitragen

Hans-Josef Fell

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Wasserstoff wird immer wieder als Lösung für klimaneutrale Energiegewinnung angebracht. Für den Klimaschutz ist das äußerst gefährlich, denn nur grüner Wasserstoff – produziert aus 100 Prozent erneuerbaren Energien – ist wirklich klimafreundlich. Eine unzureichende Differenzierung zwischen den Wasserstofftypen hat fatale Folgen. In einer neusten Studie belegen Wissenschaftler der Universität Standford in Kalifornien, dass blauer Wasserstoff (produziert aus Erdgas in Verbindung mit der Verpressung des entstandenen CO2 durch Carbon-Capture-and-Storage, CCS) sogar eine deutlich schlechtere Klimabilanz hat als die direkte Verbrennung von Erdöl und Erdgas – hauptsächlich verursacht durch erhebliche Methangasemissionen in der Produktion. Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung trägt dieser Erkenntnis nicht Rechnung, sondern fördert weiterhin neben der für die grüne Wasserstoffproduktion vorgesehenen Elektrolyse auch die Herstellung von blauem und türkisem Wasserstoff als sogenannte Brückentechnologie. Dahinter stecken – wie so oft – Lobbyinteressen: sowohl Erdgaswirtschaft als auch Automobilkonzernen sehen in blauem Wasserstoff eine Möglichkeit, ihr klimaschädliches Geschäft aufrecht zu erhalten. Das aber trägt massiv zur Aufheizung der Erde bei.

Der Hessische Landtag hat mich kürzlich um eine Stellungnahme zum Wasserstoffzukunftsgesetz der Fraktion der Freien Demokraten gebeten. Lesen Sie im Folgenden meine gesamte Stellungnahme:

Stellungnahme zum Hessischen Wasserstoffzukunftsgesetz der Fraktion der Freien Demokraten
Im Ausschuss im Hessischen Landtags

Vorbemerkungen und Einordnung des Gesetzentwurfes in die Notwendigkeit der Energietransformation zu 100% Erneuerbaren Energien

Grüner Wasserstoff spielt in einem zukünftigen Energiesystem eine wesentliche Rolle als Speichertechnologie. Daher ist es zu begrüßen, dass auch auf Länderebene Gesetze zum Ausbau der grünen Wasserstofftechnologie entwickelt und beschlossen werden. Die Rolle von grünem Wasserstoff in Deutschland hat die Energy Watch Group (EWG) mit der jüngsten Studie “100% Erneuerbare Energien für Deutschland bis 2030” aufgezeigt. Unter der Annahme, dass weder der internationale Stromverbund genutzt, noch Demand-Side-Management betrieben wird, ergibt diese Analyse einen jährlichen Bedarf an grünem Wasserstoff von 226 Terawattstunden bis 2030 für das Gesamtenergiesystem inklusive einer vollständigen Elektrifizierung des Verkehrs. Grüner Wasserstoff muss vor allem die Sektorenkopplung bedienen. Der EWG-Studie zufolge wird die Elektrizität für ein kommendes Energiesystem zu circa 90 Prozent den Gesamtenergiebedarf decken.

Aus Klimaschutzgründen muss die Elektrizität bis 2030 ausschließlich aus Ökostrom (Sonne, Wind, nachhaltig angebaute Bioenergien, Wasserkraft und Geothermie) gewonnen werden. Da die Welttemperatur nach jüngsten Forschungen wesentlich schneller ansteigt als vor Jahren noch vorhergesagt, zeigt sich heute ein klares, wissenschaftliches Bild, wonach ein Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius schon etwa um 2030 erreicht sein wird. Die EWG zeigt klar auf, dass Klimaneutralität bis 2050 zu spät kommt und stattdessen in einen Pfad zu 3 Grad Celsius Temperaturerhöhung weist – mit dem Effekt der Auslöschung der menschlichen Zivilisation wie wir sie heute kennen.

Bewertung des Gesetzentwurfes der FDP

Im Gesetzentwurf der FDP stehen unterstützende politische Maßnahmen und Förderprogramme für den Ausbau der Wasserstofftechnologie. Vielen dieser Vorschläge sollte die hessische Landespolitik folgen. Allerdings gibt es ein Kernproblem im FDP Gesetzentwurf: es wird allgemein von Wasserstoff gesprochen und nicht spezifiziert, aus welchen Quellen der Wasserstoff kommen soll. Bei Wasserstoff selbst handelt es sich um keine Energiequelle, sondern ausschließlich um ein Speichermedium, welches in vielen Anwendungen genutzt werden kann. In der Strom- und Wärmeproduktion mit Brennstoffzellen, im Verkehr mit Brennstoffzellen, in der Industrie für industrielle Anwendungen wie beispielsweise Stahlerzeugung.

Damit aber die Wasserstoffanwendung tatsächlich dem Klimaschutz dient, ist es erforderlich, dass die Wasserstoffherstellung bereits ohne jegliche Emissionen – insbesondere ohne Treibhausgasemissionen – stattfindet. Andernfalls kann eine Wasserstoffwirtschaft nicht zum Klimaschutz und der Reduzierung anderer Umweltbelastungen beitragen. Wie jüngste Studienergebnisse der Universität Stanford, Kalifornien, belegen, ist selbst der sogenannte blaue Wasserstoff – hergestellt aus Erdgas in Verbindung mit Carbon-Capture-and-Storage (CCS) – keineswegs eine klimafreundliche Alternative, sondern sogar deutlich klimaschädlicher als die unmittelbare Verbrennung von Kohle und Erdgas. Daher muss Wasserstoff ausschließlich aus erneuerbaren Energien hergestellt werden (Grüner Wasserstoff). Dies gelingt insbesondere durch Elektrolyse mithilfe von Ökostrom, aber auch Wasserstoff aus Algen oder anderen biologischen Quellen gehört dazu.

Wasserstoff aus Erdgas, wie es vielfach in der Wirtschaft propagiert wird, ist dagegen kein Beitrag zum Klimaschutz. Da die Herausforderung des Klimawandels bereits Null Emissionen bis 2030 erfordern, kann es keine Übergangstechnologie mehr geben. Wasserstoff aus Erdgas produziert hohe Methanemissionen, da die Erdgasgewinnung in den Erdgasfeldern durch Leckagen in den Bohrlöchern sowie beim Transport durch Leckagen in den Pipelines hohe und in den letzten Jahren massiv zunehmende Emissionen verursacht (Quelle: “Erdgas leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz”, Studie der EWG, 2019).

Da Methan bis zu 80-fach klimaintensiver ist als CO2, und bei der Wasserstoffherstellung in der Erdgasvorkette die Methanemissionen nicht verhindert werden können, ist jede Wasserstoffgewinnung aus Erdgas automatisch klimaschädlich. Auch die Option, das CO2 bei der Elektrolyse abzuscheiden und zu deponieren, hilft dem Klimaschutz nicht, da auch hier die Methanemissionen in der Vorkette nicht verhindert werden können und es zudem technologisch nicht möglich ist, das CO2 vollständig abzuscheiden und zu deponieren. Wasserstoff aus Atomenergie zu gewinnen, wie es beispielsweise in Russland verfolgt wird, um diesen Wasserstoff dann nach Europa zu transportieren, kann ebenfalls keine Option sein, da die Probleme der Atomenergie bis heute weltweit nicht gelöst sind (Umweltverseuchungen in dem Gebiet des Uranbergbaus, Gesundheitsschäden durch Radioaktivität, ungelöste Endlagerfrage, Proliferation, Gefahren eines Supergaus).

Meine Empfehlung für das Land Hessen ist, eine Wasserstofftechnologie ausschließlich für grünen Wasserstoff aufzubauen und politisch zu unterstützen. Jede Unterstützung für Wasserstoff aus fossilen Quellen wie Erdgas oder Atomstrom sind zu vermeiden.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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