pv magazine: Sie haben ihren Investitionsleitfaden für gewerbliche Photovoltaik-Projekte nach vier Jahren erneuert. Hat sich in der Zwischenzeit soviel geändert?
Kai Daniels: Eigentlich könnte man bei der Schnelllebigkeit des Photovoltaik-Marktes ja fast jährlich Updates veröffentlichen, nun aber nach vier Jahres ist es wirklich an der Zeit eine gänzlich überarbeitete Version zu veröffentlichen. Es hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Nicht nur dem grundsätzlich stark gestiegenen Interesse an Photovoltaik in all seinen Facetten wollen wir Rechnung tragen, sondern auch den etliche Entwicklungen, was die Technologie, die Rahmenbedingungen als auch das tatsächliche „Doing“ im gewerblichen Bereich angeht. Wir sammeln laufend neue Erfahrungswerte und best practice Beispiele, sowohl was die Bewertung, die Prozesse und die Transaktion an sich angeht, aber eben auch, worauf es ankommt, um die Photovoltaik-Anlage langfristig wirtschaftlich zu betreiben und soweit möglich zu optimieren. Wir merken in unserem Alltag, dass das Thema Direktinvestition in gewerbliche Photovoltaik für manche, insbesondere potenzielle private Investoren, immer noch abschreckend wirkt. Neben all den tatsächlichen Details eben auch die empfundene Komplexität der Materie, insbesondere hinsichtlich der Unwägbarkeiten des Betriebes und der Anforderungen an den Betreiber. Dies hält manchen Investor von einem solchen Engagement ab, der bei transparenter Information und Kenntnis der Möglichkeiten sich hier engagieren würde. Und genau hierfür haben wir unseren altbekannten Leitfaden nicht nur überarbeitet, sondern inhaltlich viel stärker ausdetailliert und neue Themen aufgenommen.
Lohnt es sich auch für Privatinvestoren in gewerbliche Anlagen zu investieren?
Unbedingt! Bisher ist es jedoch außerhalb der Erneuerbaren Energien-Enthusiasten-Szene wie ein kleines Geheimnis oder primär als Steueroptimierungsmodell behandelt worden. Und genau aus solch einer Ecke wollen wir das Photovoltaik-Direktinvestment herausholen und für breitere Schichten sicht- und greifbar machen. Viele denken bei Betreibern von gewerblichen Photovoltaik-Anlagen vielleicht nur an Energieversorger, -Genossenschaften oder große Konzerne. In Wahrheit gibt es viele unternehmerische Formen und vor allem zunehmend mehr Privatinvestoren, die hier eine attraktive und zugleich nachhaltige Anlage bewusst wählen. Dank vieler spezialisierter Dienstleister und der zunehmenden Digitalisierung können sich jetzt auch Privatpersonen in diesem Segment engagieren, ohne alles selbst können oder machen zu müssen. Eine Mindest-Kapitalisierung ist bei den Preisklassen von gewerblichen Anlagen natürlich notwendig, aber zum einen ist ein hoher Fremdkapitalfinanzierungsanteil mittlerweile gang und gebe, und wir reden hier bei kleineren Anlagen, beispielsweise auf gewerblichen Dachflächen, über vergleichbare Beträge, als wenn man sich aktuell im Immobilienmarkt engagieren würde.
Finden sich in ihrem Leitfaden auch Renditeberechnungen und können Sie uns schon mal verraten, welche Renditen sich erzielen lassen?
Den Leitfaden haben wir so praxisnah und umsetzungsorientiert wie möglich angelegt. Neben den wesentlichen Rahmenbedingungen, Prozessen und Anforderungen haben wir insbesondere unser Augenmerk darauf gerichtet, wie man ein solches Direktinvestment wirtschaftlich bewertet und welche Einflussfaktoren wesentlich für die Rendite sind. Die Artikel hierzu sind bewusst so geschrieben, dass zwar etwas Sachkenntnis in Investitionsbewertung schon sehr hilfreich ist, aber man muss kein Finanzfachmann sein, um dies zu verstehen. Da eben nicht alle Direktinvestitionen in gewerbliche Photovoltaikanlagen einem festgeschriebenen Standard folgen, ist leider keine detaillierte Vorlage zum „Kopieren und Ausfüllen“ enthalten. Erfahrungsgemäß ist die rein rechnerische Methodik nicht die Hauptherausforderung, sondern eben zu erkennen, welcher Stellhebel welche Auswirkungen auf die eigene Rendite hat. Daher geben wir bei wesentlichen Faktoren aktuelle Vergleichswerte an, an denen sich interessierte Leser orientieren können. An der generellen Attraktivität von Direktinvestitionen in gewerbliche Photovoltaik-Anlagen besteht kein Zweifel, auch wenn die individuelle Ausgangslage oft einen Unterschied bei der zu erzielenden Rendite machen kann, beispielsweise welchen Finanzierungszinssatz man hat. Als Richtwert für eine Eigenkapitalrendite liegen wir nach unserer Erfahrung in Deutschland bei laufenden Anlagen im mittleren einstelligen Bereich. Das klingt vielleicht im ersten Moment nicht viel, vergleicht man dies mit anderen Investitionsmöglichkeiten mit ähnlichem Risikoprofil, ist diese Investitionsform dann doch attraktiv.
Unterscheiden sich die Rendite nach den Projektarten, da gibt es ja durchaus verschiedene Möglichkeiten für Investitionen?
Richtig, mittlerweile kann in jeder Phase des Entwicklungszyklus eines Photovoltaik-Projektes investiert werden. Die klassischen Investitionsmöglichkeiten umfassen zur Verfügung stehende Flächen, also entweder eine Freifläche oder auf einem Dach, handelbare Projektrechte, schlüsselfertig gebaute Turnkey-Anlagen bis hin zu laufenden Anlagen – bei letzterem sogar inklusive dem immer öfter auftretendem Spezialfall, bei denen die Module an einem Standort ab- und an einem anderen wieder aufgebaut werden, sogenannte Abbauanlagen. Grundsätzlich sollten bei diesen verschiedenen Projektarten die Rendite-Annahmen auf das eingesetzte Eigenkapital nicht stark differieren, da es ja lediglich darum geht die zukünftigen Zahlungsströme mit den Kapitalkosten abzuzinsen: Renditeentscheidend sind einzupreisende Chancen und Risiken. Davon abgesehen sehen wir natürlich, dass die Möglichkeit von Investoren, die individuelle Rendite „hochzuschrauben“ bei den Projektarten am höchsten ist, wo der Investor auch einen größeren operativen Anteil beziehungsweise Teilhabe an der Wertschöpfung hat. Beispiele hier wären die Entwicklung von Projektrechten oder eben auch Fokussierung auf Abbauanlagen, was eine höhere Rendite als üblich bringen kann.
Geben Sie Tipps, was Investoren steuerlich beachten müssen oder auch Hinweise auf andere mögliche Fallstricke?
Auch wenn wir im Rahmen unserer Vermittlung und Transaktionsbegleitung keine steuerliche Beratung erbringen dürfen und diese immer sehr individuell auf die persönliche Situation des Investors abgestimmt sein muss, haben wir selbstverständlich einen Fokus auf die üblichen Anforderungen, was den rechtlichen und regulatorischen Rahmen einer Investition oder dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage angeht. Das hat zumeist etwas mit konkreten Anforderungen und dem Prozedere zu tun. Daneben haben viele Interessierte durchaus Steuerersparnis beziehungsweise Abzugsbeträge und deren Auswirkungen bei einer Investitionsentscheidung im Hinterkopf – das ist dann zumeist vor dem Hintergrund der individuellen Situation zu bewerten. Im Leitfaden gehen wir in einzelnen Artikeln auf die rechtlichen und steuerlichen Aspekte ein, die hierfür gemeinsam mit ausgewiesenen Steuer- und Rechtsexperten aus unserem Partnernetzwerk erstellt wurden.
Gehen Sie in ihrem Leitfaden auch auf Themen wie Kaufvertrag und Due Diligence ein?
Das sind sogar wesentliche Bestandteile des Leitfadens, da es sich hier um ein paar wesentliche Fix-Elemente im Laufe einer Direktinvestition handelt, deren Wichtigkeit nicht genug unterstrichen werden kann. Gerade Neu-Investoren ohne oder mit nur geringer Erfahrung profitieren hier zumeist von professioneller Unterstützung, auch wenn diese nicht kostenlos ist. Eine gründliche Prüfung, auch unter Einbeziehen von spezialisierten Dienstleistern, kann sich signifikant auf das Tempo bei der Umsetzung, den Risikogehalt der Transaktion als auch auf spätere Entwicklungen auf die Gesamtrendite auswirken. Auch wenn wir keine Blaupause oder allgemein gültige Musterverträge anbieten können, so gehen wir gesondert auf die Besonderheiten dieser äußerst wichtigen Themen ein.
Die Investition und der Bau einer Photovoltaik-Anlage ist das eine, aber sie muss auch 20 Jahre und mehr gut laufen. Was findet sich dazu in ihrem Leitfaden?
In der Tat reden wir über ein produktives Asset, dass seine Rendite über einen langen, planbaren Zeithorizont erwirtschaftet. In der Darstellung von Investitionsentscheidung und -prozess heben wir insbesondere die Wichtigkeit und Auswirkung der entsprechenden Annahmen und Voraussetzungen zum langfristigen Betrieb bei der Bewertung der Investitionsmöglichkeit hervor. Etliche Weichen für den weiteren Betrieb werden direkt während der Transaktionsphase gestellt und wesentliche Erfolgsfaktoren identifiziert. Wichtig: wie so oft ist jede kalkulatorische Bewertung nur so gut wie ihre spätere Ausführung. Dem erfolgreichen und nachhaltigen Betrieb einer gewerblichen Photovoltaik-Anlage haben wir einen eigenen Leitfaden gewidmet, der letztes Jahr erschienene „Betreiberleitfaden“, im dem in ebenso praxisorientierter und detaillierter Weise auf alle wesentlichen Themen eingegangen wird. Dieser Leitfaden ist die perfekte Ergänzung zu unserem Investitionsleitfaden und für alle gedacht, die nach einer Investitionsentscheidung alles über den Betrieb wissen wollen.
In so vielen Betriebsjahren kann es auch vorkommen, dass die Anlage verkauft wird oder werden muss. Wie lässt sich ein passender Käufer finden?
Auch wenn wir bei der Direktinvestition in Photovoltaik im Regelfall von einem langfristigen Engagement zum vollen Ausschöpfen des produktiven Potenzials über den gesamten Lebenszyklus ausgehen, so ist ein Verkauf immer eine wirtschaftliche Option, die auch in jeder Phase umsetzbar ist. Abgesehen von den üblichen Fällen, in dem der Weiterverkauf von Projektarten vor Inbetriebnahme zum Geschäftsmodell von Entwicklern und Projektierern zählt, gibt es auch für den Verkauf einer Anlage im Betrieb durch einen Betreiber vielfältige Gründe. Neben rein rationalen Renditeoptimierungen, beispielsweise weil die Abschreibungen voll „eingelöst“ wurden oder weil die Mittel für Investitionen in profitablere Projekte innerhalb des eigenen Portfolios freigesetzt werden sollen, gibt es natürlich auch Gründe, in denen ein Betreiber unfreiwillig/ungeplant verkaufen muss. Als Beispiele gelten technische Defekte oder Performanceschwierigkeiten hinsichtlich eines profitablen Betriebs oder finanzielle Schwierigkeiten respektive auch Streitigkeiten unter Inhabern beziehungsweise im Rahmen von Besitz- oder Nachfolgeregelungen.
Funktioniert der Zweitmarkt für Photovoltaik-Anlagen denn?
Gerade im Laufe der letzten Jahre hat sich ein florierender Zweitmarkt herausgebildet, der durch den laufenden Zubau, welcher aber noch immer nicht die aktuelle Nachfrage befriedigt, stetig wächst. In der Vergangenheit liefen solche Verkäufe primär über regional tätige halb-professionelle Vermittler oder Finanzberater, was es nicht einfach machte einen passenden Käufer zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Preis zu finden. Die dadurch entstehenden Ineffizienzen zu lösen war auch einer der ursprünglichen Motivationen zur Gründung von Milk the Sun. Als führender offener Online-Marktplatz haben wir über die Jahre viel Erfahrung in der Transaktionsoptimierung gesammelt und sind stolz darauf, dies unseren Nutzern in dieser Detailtiefe zur Verfügung stellen zu können. Der Verkauf ist kostenlos und für die meisten Fälle gibt es passende Investoren, welche das Projekt übernehmen und nachhaltig und gewinnbringend nutzen können. Einen Kurzabriss, wie man hier verkaufsseitig vorgeht, haben wir ebenfalls im Leitfaden abgebildet – und nachdem wir auf unserem Blog die verkaufsseitigen Aspekte regelmäßig und detailliert thematisieren, kommt vielleicht bald der rein hierauf orientierte „Verkaufsleitfaden“ raus.
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