Der Bundestag befasst sich am heutigen Donnerstag mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes. Für den frühen Abend sind die zweite und dritte Lesung geplant und im Anschluss eine namentliche Abstimmung. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU, CSU und SPD beschlossen wird. Ebenso die Vielzahl der Beschlüsse, auf die sich die Fraktionspolitiker von Union und SPD zu Wochenbeginn verständigt hatten. Damit wird es zu einer Anhebung der Ausschreibungsvolumen für Photovoltaik von 1,9 auf 6 Gigawatt im kommenden Jahr kommen. Auch die weitgehende Befreiung von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage dürfte damit in trockenen Tüchern sein.
Die Reaktionen der Verbände zielen jedoch weniger auf die beschlossenen Maßnahmen, sondern viel eher auf das, was fehlt: Eine Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus, der durch ambitionierte Zubauziele für Photovoltaik und Windkraft festgeschrieben wird. „Dringend notwendige Beschlüsse für eine starke Beschleunigung des Solartechnik- und Speicher-Ausbaus wurden ebenso vertagt wie die Schaffung fairer Marktbedingungen für diese unverzichtbaren Energiewende-Technologien, zum Beispiel mittels der Beseitigung von Förderdeckeln und einer angemessenen CO2-Bepreisung fossiler Energieträger“, kommentiert der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar). Die gleichzeitig beschlossenen ambitionierten Klimaziele, etwa die Klimaneutralität bereits 2045 zu erreichen, blieben ohne eine Nachschärfung der Instrumente „weitgehend wirkungslos“.
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. „Mit dem heute vom Bundestag beschlossenen Energie- und Klimapaket wird leider nur das Nötigste geregelt, bei weitem aber nicht das Notwendige“, sagte bne-Geschäftsführer Robert Busch. Neben einer Anhebung der Ausbaupfade kritisiert er, dass auch die Digitalisierung der Energiewende weiterhin „im überkomplexen Meteringbereich“ feststecke.
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert die rasche Anhebung der Zubauziele für die Erneuerbaren. „Die Ausbaupfade im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) müssen angehoben werden. Bis 2030 müssen schätzungsweise 100 Gigawatt Windenergie an Land (2020: 54 Gigawatt), mindestens 150 Gigawatt Photovoltaik (2020: 53 Gigawatt) und 11 Gigawatt für Biomasse installiert sein“, heißt es dort. Die neue Bundesregierung dürfe keine Zeit verlieren, die richtigen Weichen zu stellen.
Beim BSW-Solar vermutet wahltaktische Gründe, warum die Ausbaupfade nicht mit dem heutigen Gesetzespaket beschlossen wurden und sieht diese auch noch nicht in trockenen Tüchern. Schließlich hatte die Bundesregierung mit Beschluss der EEG-Novelle 2021 im vergangenen Dezember in einem Entschließungsantrag zugesagt, die Ausbauziele noch im ersten Quartal 2021 anzupassen. Nun ist dies auf die neue Legislaturperiode verschoben worden. Die Bundestagswahlen stehen Ende September an. „Nach dem jüngsten Wortbruch ist auch dieser Scheck leider weitgehend ungedeckt, allein schon, da dazwischen eine Bundestagswahl liegt“, erklärte daher auch Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. Der Verband fordert eine installierte Photovoltaik-Leistung von mindestens 200 Gigawatt bis 2030, auch um eine Stromlücke infolge des Atomausstiegs und der Abschaltung der ersten Kohlekraftwerke zu vermeiden.
Aus Sicht der Photovoltaik-Branche geht durch den Aufschub wertvolle Zeit verloren. Die Beschleunigung des Photovoltaik-Ausbaus sei längst überfällig. Allerdings drohe nun das Gegenteil: Die erfreuliche Marktdynamik bei Photovoltaik-Dachanlagen könnte infolge der zu scharfen Degressionsregeln bei der Solarförderung in den kommenden Monaten ausgebremst werden. „Aus wahltaktischen Gründen wird hier die Bekämpfung des Klimawandels verzögert. Das kommt uns teuer zu stehen und vergrößert die Energielücke, die nun mittels klimaschädlicher Energieimporte geschlossen werden muss“, so Körnig. Ein nachvollziehbarer Grund für die neuerliche Verschiebung einer dringend notwendigen kraftvollen Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus in die kommende Legislaturperiode läge nicht vor. Auch gelte die beschlossene Erhöhung der Ausschreibungsvolumen nur für das kommende Jahr, eine langfristige Ausweitung sei aber geboten.
Dringenden Handlungsbedarf sieht man auch beim BDEW. „Die Politik muss die bestehenden Fesseln lösen – dazu gehört die Reduzierung der EEG-Umlage auf Null, um grünen Strom auch in der Mobilität und im Wärmemarkt wettbewerbsfähig zu machen. Zentral ist auch die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren“, sagte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Zudem müsse die Netzinfrastruktur rasch auf das veränderte Energiesystem angepasst werden und dafür brauche es einen „investitionsfreundlichen Regulierungsrahmen“. Überdies moniert der BDEW, dass die Lasten beim Klimaschutz zwischen den Sektoren zu einseitig gelöst seien – zum Nachteil der Energiewirtschaft. „Ohne zusätzliche CO2-Einsparungen auch in den Sektoren Verkehr und Gebäude wie auch Landwirtschaft bleibt der Weg Richtung Klimaneutralität versperrt“, sagte Andreae.
Allerdings gibt es auch einige Lichtblicke bei den heutigen Entscheidungen des Bundestags. So sei die Regierung in einigen wichtigen Detailfragen den Empfehlungen der Solarbranche gefolgt, wie es vom BSW-Solar weiter hieß. Vereinzelt würden Marktbarrieren für Prosumer und größere Solarparks abgebaut. Auch die Doppelbelastung der Batteriespeicher mit Abgaben und Umlagen soll mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) fallen. Dies betonte auch der bne, der mit den neuen Regelungen die Chance sieht, dass Speicher künftig dem Ziel näher kommen, ihr volles Potenzial im Energiesystem einsetzen zu können. Ebenfalls „ein Gewinn für die Energiewende“ sei der Beschluss zur kommunalen Beteiligung von Standortkommunen am Betrieb von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Da dies für EEG- und PPA-Anlagen gelte sei damit die nötige Rechtssicherheit geschaffen und die Akzeptanz für solche Projekte gesteigert worden.
Zu den zehn wichtigsten Änderungen des Gesetzespaket bezüglich Photovoltaik und Speicher hat der BSW-Solar ein Merkblatt erstellt. Dies kann über die Geschäftsstelle bezogen werden.
EU-Parlament verabschiedet verschärftes Klimagesetz
Nicht nur in Berlin, auch in Brüssel stand Klimaschutz ganz weit oben auf der Agenda. Am Donnerstag stimmte das EU-Parlament für das neue EU-Klimagesetz. Es sei mit den Stimmen von 442 Abgeordneten angenommen worden, bei 203 Gegenstimmen und 51 Enthaltungen, wie der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold berichtet. Die Grünen stimmten gegen das neue Gesetz. „Was ein toller Tag für den Klimaschutz hätte werden können, ist leider eine große Enttäuschung. Nach langen Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und dem Rat der Mitgliedsländer ist ein erschreckend schwacher Kompromiss entstanden, der uns nicht annähernd auf den 1,5 Grad-Pfad des Pariser Klimaabkommens bringt“, begründet Giegold dies. So sei ein Reduktionsziel von 52,8 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 beschlossen worden, was durch einen Rechentrick auf 55 Prozent schöngerechnet werde, indem CO2-Senken erstmals mit einfließen. Die nationalen Regierungen hätten die EU-Klimapolitik massiv ausgebremst. „Deutschland fiel dabei eine tragende Rolle zu, da es in einer entscheidenden Phase die Ratspräsidentschaft übernahm. Die Große Koalition hatte während ihrer Ratspräsidentschaft die klimapolitisch unambitionierte Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten ausgehandelt“, so Giegold weiter. Allerdings haben die Grünen noch Hoffnung, dass Brüssel im Kampf gegen den Klimawandel gegensteuert. „Mitte Juli wird das größte Klimagesetzespaket vorgestellt, das es je in der EU gab. Dann werden die Klimaregeln für Autos, Energieeffizienz von Gebäuden und der entscheidende CO2-Preis festgelegt. Dieses Paket muss Europa auf den 1,5 Grad-Pfad bringen“, so der Grünen-Abgeordnete.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel ist nach Erscheinen noch mit weiteren Statements und Rückmeldungen ergänzt worden.
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