Die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Technischen Universität Berlin analysiert fünf Szenarien, nach denen der gesamte Energiebedarf im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor in Deutschland wie in Europa vollständig aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Im Kern widmen sich die Forscher der Frage, wie viel Netzausbau bei unterschiedlichen Graden an Dezentralität bei den Erzeugungsanlagen nötig ist.
Dazu nehmen die Wissenschaftler zwei Szenarien genauer unter die Lupe: eines, bei dem bei dem es keine Netzengpässe gibt und bei dem die Kosten der Netzinfrastruktur bei der Planung vernachlässigt werden – und eines, bei dem die Kosten bei der Planung berücksichtigt werden und eine integrierte Netzausbau-, Erzeugungs- und Speicherkapazitätsplanung erfolgt. Die Modellrechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Berücksichtigung von Netzinfrastrukturausbaukosten zu einem erheblichen Rückgang des Netzausbaubedarfs führt. Denn unter dieser Bedingung erfolgt ein stärkerer Photovoltaik-Zubau, während der Zubau von Offshore-Windenergie-Anlagen stark zurück geht.
Konkret werden in diesem Fall unter anderem 300 Gigawatt Photovoltaik benötigt, um die Nachfrage zu decken. Dazu kommen 218 Gigawatt Onshore-Windenergie sowie 83 Gigawatt Elektrolyseure und 27 Gigawatt Batteriespeicher. Der Effekt der Berücksichtigung von Netzausbaukosten ist umso stärker, je geringer die Nachfrage ist.
DIW-Forschungsdirektor Christian von Hirschhausen moniert, dass die Netzinfrastrukturkosten bei der Szenarienplanung der Bundesnetzagentur nicht hinreichend berücksichtigt würden. „So lässt Deutschland ein nicht unerhebliches Potenzial zur Reduktion der Systemkosten unerschlossen“, erklärt er.
Die Studie zeigt zudem die hohe Bedeutung von Energieeinsparungen. Wenn es gelingt, den Elektrizitätsbedarf bei 100 Prozent Erneuerbaren von 1200 Terawattstunden auf etwa die Hälfte zu senken, könnten erhebliche Investitionen in Erzeugungs- und Speichertechnologien eingespart werden. Unter anderem werden deutlich weniger Photovoltaik-Anlagen, Wasserstoff-Turbinen und Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff benötigt. Auf Investitionen in Windenergie auf See und in das Stromnetz könnte gar weitgehend verzichtet werden. „Unsere Untersuchung bestätigt: ‚Renewable Sufficiency first‘ ist das richtige Rezept für eine kosteneffiziente und ressourcenschonende Energiewende“, unterstreicht Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt des DIW.
Die Studie wurde in Kooperation mit der Stiftung 100 Prozent Erneuerbar durchgeführt und vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie dem Bündnis Bürgerenergie begleitet.
„Für den BUND bestätigt sich einmal mehr: Der vorgesehene Netzausbau ist vollkommen überdimensioniert und tut der Energiewende nicht gut“, sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND. „Wir fordern Bundesregierung und die Bundesnetzagentur auf, die Netzausbauplanung gründlich zu überarbeiten und dabei die Erkenntnisse dieser Studie zu befolgen: Die Kosten für den Ausbau, Betrieb und die Weiterleitung des Stroms müssen bei der Szenarienentwicklung für das beste Stromnetz berücksichtigt werden. Dann werden wir zu Lösungen kommen, die mit deutlich weniger Ausbau des Stromnetzes auskommen.“
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Selbst der in der Studie angesetzte Energiebedarf von 1200 Terrawattstunden wird sich als zu niedrig erweisen, wenn man andere Studien betrachtet, die sich mit der Umstellung der Großindustrie auf grünen Wasserstoff beschäftigen. Der Gedanke, den Gesamtbedarf auf 600 Terrawattstunden zu reduzieren, was nur minimal über dem heutigen Stromverbrauch läge, ist in meinen Augen vollkommen naiv.
Das verwundert aber nicht weiter, wenn der Leser erfährt, dass unter anderem der BUND dahinter steckt, der schon bei der Onshore- Windenergie vornehmlich als Bremser aufgetreten ist.
Allein durch den Ausbau der Elektromobilität und die Umstellung der Gebäudebeheizungen auf Strom wird sich der Verbrauch deutlich erhöhen.
Die Anschaffung eines einzigen Elektroautos kann den Stromverbrauch eines Privathaushaltes verdoppeln, denn der Verbrauch der meisten heute handelsüblichen E- Autos liegt mit rund 20 kWh / 100km und mehr, jenseits von Gut und Böse. Der Zug, effiziente sparsame Fahrzeuge auf den Markt zu bringen ist längst abgefahren, denn weder die deutsche Regierung noch die EU ist bisher auf den Gedanken gekommen, den Automobilherstellern Grenzen zu setzen.
Thomas aus Marl sagt:
Die Anschaffung eines einzigen Elektroautos kann den Stromverbrauch eines Privathaushaltes verdoppeln,
@ Thomas aus Marl.
Nicht bei uns. Unser Strombezug hat sich durch unser E-Auto kaum erhöht, weil wir nur laden wenn die Sonne auf unsere PV Anlage scheint. Selbst im Dezember und Januar haben wir Tage gehabt, wo man den Tank zu mindestens nachfüllen konnte.
Ich sehe immer öfter Carports, wo Solarpanele drauf liegen. Das haben die bei der Studie sicher auch berücksichtigt.
Ich kann zwar ebenfalls nicht nachvollziehen, wie man ernsthaft mal eben die Hälfte des prognostizierten Strombedarfs als realistisches Szenario ansetzen will.
Aber die Elektromobilität wird sicher nicht der Treiber sein. Eine komplette Umstellung des Pkw-Fuhrparks auf elektrisch würde nach realistischer Schätzung den heutigen Strombedarf um 25% erhöhen – sehr überschaubar also wenn man bedenkt dass wir Jahrzehnte von 100% elektrisch IM BESTAND entfernt sind.
Was Ihre Bewertung von 20 kWh/100km als „jenseits von gut und böse“ betrifft: Das entspricht dem nutzbaren Energiegehalt von 2l Diesel. Dazu müsste man man noch den erheblichen Aufwand der Förderung, Verarbeitung und Transport rechnen.
Zudem entspricht der Wert auch nicht der Praxis. Wenn Sie auf spritmonitor mal nach allen Elektroautos filtern erhalten Sie einen Durchschnittsverbrauch von 16,4 kWh/ 100km.
Während die eine Aussagen von Lobbyisten und deren bezahlten Studien kommt, kommt die andere Studie von „neutralen, objektiven und sachlich-fachlichen Experten“, und natürlich auch von Wissenschaftlern, die Fachbücher schreiben, mit Titeln wie: „Das fossile Imperium schlägt zurück!“
Ein dramatischer Kriegsroman, die Schlacht ums goldene EE-Vlies und um einen auskömmlichen Posten für die Königstochter Claudi-Medea.
So geht halt Wissenschaft!
Von der Realität halten Sie allerdings mal wieder nix. Von Leuten die E- Autos fahren, und ihre eigene Tankstelle auf dem Dach haben. An deren „Dezentralität“ ändert auch das fossile Imperium nichts.
@Thomas:
Zum Verbrauch von Elektroautos: Die deutsche Autoindustrie produziert heute keine bezahlbaren schnellen Elektroautos.
Ein MEB basierendes Elektroauto des VW Konzernswie der ID.3 sind bei 160km/h abgeregelt hat also eine gerigere Höchstgeschwindigkeit als der Basisbenziner des VW UP! . Wir haben in den letzten Jahrzehnten die Verkehrstoten in der EU auch zu Lasten des Verbrauchs gesenkt. Heute könnte man ein Auto mit der Qualität und Größe eines VW Golf ein und wesentlich geringerem Verbrauch bauen, dies ist aber aus Gründen der Fahrsicherheit nicht möglich. Denn Seitenschutz, bessere Knautschzonen, ABS und weitere Sicherheitstechnik erhöhen das Gewicht deutlich. Ausserdem heute hat ein UP! schon den Randstand eines Golf 1 und wiegt mehr als dieser. Da kostengünstige Elektroautos der Zukunft günstige und schwere LFP statt nickelbasierte Lionenakkus erhalten erhöht auch dieses wieder den Verbrauch. Der Akkupack eines zukünftigen VW Kleinwagens ist deshalb genau so groß wie in heutigen ID.3 und ID.4 .
Skodafahrer schreibt:
Zum Verbrauch von Elektroautos: Die deutsche Autoindustrie produziert heute keine bezahlbaren schnellen Elektroautos.
@ Skodafahrer
Vor allem produziert die deutsche Autoindustrie keine sparsamen Elektroautos. Ich habe einen Corsa e probegefahren, der laut BC einen Verbrauch von 19,8 kWh auf 100 km hatte. Und das, obwohl es eine ziemlich abgespeckte Version war, mit Kurbeln für die hinteren Fenster, ohne Rückfahrkamera, ohne jeglichen Schnickschnack.
Am gleichen Tag bin ich auch noch einen Hyundai Ioniq gefahren. Der Verbrauch lag bei 14,5 kWh, also um 26,7 Prozent niedriger. Mittlerweile besitzen wir dieses Fahrzeug und liegen im Verbrauch bei 12,2 kWh / 100km.
Der ADAC gibt übrigens für Corsa-e und IONIQ die gleiche Praxis-Reichweite an, obwohl die Batterie des Corsa 11kWh mehr fasst. Selbst ein eUP verbraucht laut ADAC mehr.
Fazit:
Anscheinend haben deutsche Hersteller weiterhin kein wirkliches Interesse daran, sparsame Autos zu bauen.
p.s.
Schnell ist relativ. Mir reichen die 165 km/h unseres IONIQ. Auch andere Hersteller, wie etwa Volvo begrenzen mittlerweile die Höchstgeschwindigkeit (180 km/h), selbst bei ihren Benzinern. Der Sicherheit ist es auf jeden Fall zuträglich – und das ohne weitere Verbrauchserhöhung.
Hans Diehl schreibt:
Unser Strombezug hat sich durch unser E-Auto kaum erhöht, weil wir nur laden wenn die Sonne auf unsere PV Anlage scheint.
@ Hans Diehl
Prima, dass Ihr E-Auto vorzugsweise mit Solarstrom geladen wird. Genau so machen wir es bei unserem E-Auto auch.
Das ist ja auch unser Ziel, möglichst mit regenerativ erzeugtem Strom zu fahren. Wenn der dann noch aus der eigenen PV- Anlage stammt, umso besser, denn der ist heutzutage günstiger als der aus dem Netz.
Das tut aber der Tatsache, das wir beide anscheinend an vollkommen unterschiedliche Dinge gedacht haben, keinen Abbruch.
Während Sie von Ihrem Strombezug sprechen, der kaum angestiegen ist, weil Sie bei Sonnenschein laden, habe ich in meiner Kritik an dieser Studie hier vom Strom-VERBRAUCH gesprochen.
Denn der Stromverbrauch erhöht sich mit jedem neuen E-Auto, egal woher der Strom auch stammt.
Deshalb habe ich hier auch meine Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass es keine strikten Verbrauchsobergrenzen für Elektroautos gibt, denn der Solarstrom der in unser beider Fall für das eigene E-Auto genutzt wird, wird nicht mehr ins Stromnetz eingespeist.
Der Solarstromanteil im Netz wird also geringer. Da zählt jede Kilowattstunde, die nicht für das eigene E-Auto verbraucht wird und stattdessen ins Netz gehen kann, denn sonst wird Strom durch fossile Kraftwerke erzeugt, sollte der Ausbau der Erneuerbaren nicht mit dem kommenden Anstieg des Stromverbrauchs mithalten…
Ich habe zudem starke Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Bedarfszahlen in der hier zitierten Studie vom DIW und der TU Berlin.
In deren Szenarien wird für die gesamte Industrie unseres Landes eine Stromnachfrage von 456 TWh zugrunde gelegt, beziehungsweise rund 200 TWh im Szenario „Energieeinsparung und Effizienz“.
Allein die Chemieindustrie benötigt laut der Roadmap des VCI (Verband der chemischen Industrie e.V.) beim Umstieg auf eine treibhausgasneutrale Chemie im Jahr 2050 für sich 628 TWh. Wohlgemerkt NUR für die chemische Industrie, also ohne Stahlwerke usw. …
[https://links.rosin-buedenbender.com/Webinar-20210217.pdf]
Schon das ist mehr als der hier in der Studie angenommene Gesamtbedarf Deutschlands bei dem erwähnten Energiespar und Effizienz- Szenario!
Dort kann ich für diesen Fall in der Grafik einen Bedarf von knapp 200 TWh ablesen – wieder für die gesamte Industrie!
224 TWh gibt der Verband der Chemischen Industrie für eine CO2- Reduktion von nur 61% als jährlichen Bedarf an.
Die angenommenen Werte sind also bei weitem nicht ambitioniert genug, um das Klimaziel 2050 zu erreichen.
Und wenn man dann auf dieser Grundlage den notwendigen Netzausbau klein rechnet, schafft man sich durch die zu geringen Kapazitäten einen weiteren Hemmschuh für die Energiewende.