Masken-Skandal in der Union! Aber wie hält es Laschet mit den Ermittlungen gegen andere Abgeordnete?

Hans-Josef Fell

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Der neue Unions-Parteivorsitzende Armin Laschet hat in der Affäre um mögliche Vorteilsnahme der beiden Abgeordneten Georg Nüsslein (CSU) und Nikolaus Löbel (CDU) in ihren Maskengeschäften scharf reagiert. Er fordert die sofortige Niederlegung des Bundestagsmandates der beiden Parlamentarier. Löbel hat dies inzwischen akzeptiert und ist zurückgetreten.

Ja natürlich, es ist gar keine Frage, unabhängig davon, ob ein Richter später die Schuld der beiden Abgeordneten formal feststellt oder auch nicht: Wer als Mitglied des Bundestages oder der Bundesregierung Provisionen von persönlichen Geschäften annimmt, die gerade im Zentrum des politischen Geschehens sind und sie somit zum eigenen Vorteil nutzt, hat jede Glaubwürdigkeit als integrer Politiker verspielt und sollte unverzüglich seine Ämter niederlegen.

Und natürlich darf aus diesen Verfehlungen einzelner Abgeordneter auch kein Generalverdacht auf alle Abgeordneten und Politiker insgesamt aufkommen, auch nicht gegen die Union, frei nach dem Motto, „die sind ja alle gleich“. Ich kenne genug integre Abgeordnete auch aus den Reihen der Union.

Dennoch kommen viele Fragen auf, die jetzt eine nähere Beleuchtung erfordern und die die Fragwürdigkeit in der Union und anderer Parteien historisch wie auch aktuell aufwerfen. Insbesondere in den Politikfeldern Klimaschutz und seinem Kern der erneuerbaren Energien gibt es seit Jahrzehnten Merkwürdigkeiten, die zumindest die Frage aufwerfen, ob der seit Jahrzehnten verhinderte Klimaschutz nicht auch etwas mit Vorteilnahme oder Korruption von politischen Entscheidungsträger zu tun hat.

Immerhin ist die Nähe von Armin Laschet zu RWE und anderen Konzernen aus der fossilen und atomaren Energiewirtschaft allseits bekannt. Er steht ja auch im Zentrum eines Netzwerks zur Verhinderung der Energiewende in Deutschland.

Vielleicht ahnt Armin Laschet, dass mit den Affären um Vorteilsnahme bei Maskenverkäufen von Unionsabgeordneten genau die Spitze eines Eisbergs sichtbar wird, der tief unten geschäftliche und andere Verbindungen zu den großen Konzernen aus den Bereichen Energie, Chemie, Automobil, Pharma, Landwirtschaft aufdecken könnte. Konzerne also, die den Klimaschutz seit Jahrzehnten verhindern und vielleicht sucht er genau deshalb die Flucht nach vorne, als Saubermann – aber eben nur im Bereich der Maskengeschäfte.

Mich beunruhigt in diesem Zusammenhang, dass Armin Laschet eben nicht auch den sofortigen Rücktritt der Abgeordneten Axel Fischer und Karin Strenz (beide CDU) fordert. Dabei gibt es mit Fischer und Strenz zwei Parlamentarier, bei denen die Staatsanwaltschaft auch wegen des Verdachts der Vorteilsnahme ermittelt, wie bei Nüsslein und Löbel. Allerdings geht es hier nicht um Maskengeschäfte.

Sie stehen vielmehr im Verdacht, Geld vom diktatorischen Regime in Aserbaidschan angenommen zu haben. Aserbaidschan ist eines der korruptesten Regime der Welt, dessen Reichtum auf der Klimazerstörung durch Erdöl und Erdgas beruht. Auch gegen den ehemaligen Staatssekretär und Abgeordneten Eduard Lintner (CSU) ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Vorteilsnahme aus Aserbaidschan.

Aserbaidschans Regime hat immer um politische Unterstützung für seinen Erdöl- und Erdgasexport in die EU und nach Deutschland gesucht. Möglicherweise wurden dafür auch Politiker geschmiert oder beeinflusst. Zumindest scheint sich der Einsatz des korrupten Regimes in Aserbaidschan gelohnt zu haben.

Seit Januar 2021 sind die neuen Pipelines TANAP (in Betrieb seit 2018) und TAP in der Lage 10 Milliarden Kubikmeter höchst klimaschädliches Erdgas aus Aserbaidschan in die EU zu liefern. Alleine die TAP-Pipeline im Südkaukasus hat 4 Milliarden Euro gekostet und wurde von der Europäischen Investitionsbank mitfinanziert. Zudem liefert Aserbaidschan bereits über 3 Prozent des deutschen Erdölbedarfs (Stand 2018) und hat immer Interesse verlauten lassen, dies auszuweiten.

Ich kenne Axel Fischer und Georg Nüsslein sehr gut, wir waren viel in gemeinsamen Bundestags-Ausschüssen. Sie argumentierten beide immer knallhart pro Atom und pro fossile Energien, aber auch klar gegen erneuerbare Energien. So hatte sich Nüsslein, in dessen Wahlkreis das Atomkraftwerk Gundremmingen steht, federführend für die CSU für die Laufzeitverlängerung von Atomkraft eingesetzt. Es ist nicht bekannt, ob er damals schon persönliche Vorteile für seinen Einsatz für die Atomkraft hatte.

Nüsslein war zuletzt in der Unionsfraktion auch für Klimapolitik zuständig und hat sich vehement für Verschlechterungen im EEG eingesetzt, insbesondere für die Umstellung auf Ausschreibungen, die ja den Einbruch der Erneuerbaren bewirkten und den bürgerlichen Ausbau der erneuerbaren Energien zugunsten der Konzerne weitgehend behinderten. Es wäre bedeutsam zu erfahren, ob er und andere Abgeordnete aus Union, FDP oder SPD nicht auch Vorteile für ihre Politik zum Zurückdrängen des Ausbaus der erneuerbaren Energien angenommen haben. Doch dazu bräuchte es mehr Transparenz über die Geschäfte von Abgeordneten und Minister, was die Union seit Jahrzehnten weitgehend verweigert.

Die Ungleichbehandlung bei den Abgeordneten Nüsslein und Löbel gegenüber Fischer und Strenz ist zumindest auffallend. Gilt für Laschet vielleicht sogar der Grundsatz, dass der Einsatz für Atomenergie, Kohle, Erdöl und Erdgas so korrekt sei, dass man die mögliche Vorteilsnahme von Axel Fischer anders behandeln müsse, als die für den Einsatz bei Maskengeschäften?

Auch im Falle von Philipp Amthor, dem Lobbygeschäfte in der Verquickung mit seinem Mandat vorgeworfen wurden, die er sogar zugab, gab es keine Rücktrittsforderung von Parteichef Laschet oder seiner Vorgängerin. Im Gegenteil, gerade wurde Amthor zum Spitzenkandidaten der CDU für die Bundestagswahl in Mecklenburg- Vorpommern gewählt.

Und da sind auch Ungereimtheiten bei Minister Jens Spahn selbst: Da berichtet Eva Ellermann auf Tageschau.de: „Gesundheitsminister Jens Spahn isst mit Wahlkampfspendern zu Abend – die bleiben mit jeweils 9999 Euro genau einen Euro unter der meldepflichtigen Spendensumme. Dann geht ein Riesen-Auftrag für den Transport von Masken ohne Ausschreibung an ein Logistik-Unternehmen in Spahns Wahlkreis – es herrscht: Stille.“

Eine Reaktion ähnlich wie bei Nüsslein oder Löbel von CDU-Chef Laschet gibt es bei Minister Spahn auch nicht. Es stellt sich hier schon die Frage, warum die CDU-Spitze in den Affären Nüsslein und Löbel völlig anders agiert als in den Affären Fischer, Strenz, Amthor und anderen. Sollen hier nur zwei „Bauernopfer“ geschaffen werden, um so den Anschein zu erwecken, die CDU-Führung würde gegen Vorteilsnahme rigoros handeln?

Doch offensichtlich will die CDU nicht ihre seit Jahrzehnten aufgebaute Machtposition gefährden. Immerhin hat sie jahrzehntelang von den höchsten Parteispenden profitiert, die insbesondere aus den Wirtschaftskreisen gespendet wurden, die massiv zur Schädigung des Weltklimas beigetragen haben.

Vielleicht bringt ein Blick in die Geschichte der CDU etwas Licht ins Dunkel: In der CDU-Parteispendenaffäre, hatte Ex-Kanzler Helmuth Kohl bis ins Grab geschwiegen, wer denn seine Millionenspender waren. Wolfgang Schäuble, damals engster Vertrauter von Kohl, trat als Parteivorsitzender der CDU und als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zurück, sein Bundestagsmandat behielt er bis heute.

Aber zur Aufklärung konnte oder wollte er nicht beitragen. Bezeichnend ist, dass Wolfgang Schäuble heute Bundestagspräsident ist und damit die Oberaufsicht über die Rechtmäßigkeit von Parteispenden hat. Ausgerechnet er, der den größten und zudem bis heute ungeklärten Parteispendenskandal in der Bundesrepublik Deutschland mit zu verantworten hatte.

Jedenfalls hat die CDU eine lange Geschichte von Spendenaffären und Vorteilsnahmen vom Flickskandal bis zu den verheimlichten Spendern unter Helmuth Kohl und schwarzen Koffern von Wolfgang Schäuble.

Bis heute gibt es innerhalb der CDU und CSU, Behinderungen gegen mehr Transparenz zur Verhinderung von Vorteilsnahme oder gar Korruption von politischen Mandatsträgern, wie T-Online noch im letzten Jahr gut zusammenfasste.

Es wäre ein Segen für die Demokratie, wenn es endlich umfassende Transparenz über die Einkünfte von Abgeordneten und Minister gäbe und nicht nur stoßweise, wie es aktuell bei Nüsslein und Löbel ans Tageslicht gelangte, aber bei Fischer, Strenz, Amthor und anderen weiterhin keine Rolle spielt.

Würde es eine solche umfassende Transparenz für Politiker geben, dann würde es vielleicht auch klar, warum es seit Jahrzehnten keinen wirksamen Klimaschutz gibt und der Atomausstieg Deutschlands von Union und FDP erstmal mit Laufzeitverlängerung aufgehalten wurde. Und umgekehrt: Es spricht vieles dafür, dass es mit umfassender Transparenz der Geschäfte von politischen Entscheidungsträgern endlich eine echte Chance auf wirksamen Klimaschutz und eine insgesamt stärker am Gemeinwohl orientierte Politik geben könnte.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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