Amtsschimmel können nicht nur wiehern, sondern auch lahmen: Im Juli 2020 hatte sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Interview mit dem „Münchner Merkur“ für eine Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten im Freistaat ausgesprochen. Im Oktober forderten Solar- und Umweltverbände Söder in einem offenen Brief auf, diese angekündigte Photovoltaik-Pflicht rasch umzusetzen – denn eigentlich sollte sie bereits ab 2021 für gewerbliche Bauten und ab 2022 für private Neubauten gelten. Und auch die Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag hatte im Oktober nachgehakt, wie es um die medial angekündigte Solarpflicht steht. Die Staatsministerien für Wohnen, Bau und Verkehr (StMB) sowie für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) hatten damals auf die Notwendigkeit umfassender Prüfungen hingewiesen – von umfangreichen kompetenzrechtlichen Fragestellungen über die Problematik steigender Baukosten bis zu verfassungsrechtlichen Aspekten der Eigentumsfreiheit und des Klimaschutzes.
Ende Februar fragte der energiepolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Martin Stümpfig, die Staatsregierung erneut, wann die Photovoltaik-Pflicht für Neubauten in Bayern umgesetzt wird beziehungsweise in Kraft tritt. Der Antwort zufolge arbeiten StMB und StMWi jetzt gemeinsam mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz an einem Konzept, ob und unter welchen Bedingungen diese Photovoltaik-Pflicht umgesetzt werden kann. „Die Prüfungen dauern an, insbesondere, weil es inhaltlich notwendig war, auf die Verabschiedung der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch den Deutschen Bundestag am 17. Dezember 2020 zu warten“, heißt es in der Antwort. Weiterhin ist demnach eine „Vielzahl von Fragen“ zu klären – Zubaupotenziale, bereits erzielte Zubauerfolge, Umfang, Ausnahmen, Verhältnis zu Förderprogrammen. Maßnahmen sollen demnach ergriffen werden, „sobald eine Meinungsbildung der Staatsregierung zu diesen Fragen erfolgt ist.“
Als „lächerlich und gleichzeitig typisch“ bezeichnet Stümpfig dieses Vorgehen: „Erst eine schnelle und laute Söder-Schlagzeile, dann verschwindet das Ganze in der Ministerialbürokratie unter dem Mantel einer Potenzialanalyse und letzten Endes stirbt eine gute Sache, die uns im Klimaschutz vorangebracht hätte, einen leisen Tod.“ Es könne doch nicht sein, dass jetzt erst noch ein Meinungsbild eingeholt werden muss. Stümpfig fordert, die Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten in Bayern endlich umzusetzen. Zudem müsse die Staatsregierung ihrer eigenen Vorbildrolle gerecht werden und auf allen geeigneten staatlichen Dächern eine Solaranlage errichten.
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Gut dass die Grünen hier am Ball bleiben und den öffentlichen Druck hochhalten.
Ich würde Söder zugutehalten, dass er die Initiative ernst meint. Dass weite Teile der CSU und damit der seit Jahrzehnten CSU-besetzten Ministerien noch einer komplett anderen Mentalität verhaftet sind und dementsprechend Sand im Getriebe sind, sollte niemand überraschen. Zum Glück hat Söder mehr als einmal bewiesen, dass er sich davon nicht aufhalten lässt, schon gar nicht wenn er dann letztlich für seine Versprechen unter Druck kommt. Deshalb ist dieser Druck nun zwingend notwendig.
Ich habe im Sept. 2020 auf mein Haus eine Solaranlage gebaut, auch ganz ohne Pflicht. Sie hätte bei mir auch nicht gegriffen, da BJ 67. Aus meiner Sicht muss da viel mehr passieren als nur eine Pflicht für Neubauten und größere Sanierungen. Vorher müssen erst einmal die Regelungen zur Einspeisevergütung gründlich überarbeitet werden. Mit meiner Solaranlage bin ich heute ein Gewerbebetrieb. Mein Eigenverbrauch an Strom erforderte anfangs eine monatliche Umsatzsteuererklärung wegen 20, manchmal auf 50€ entgangener Mehrwertsteuer, die ich jetzt noch alle 3 Monate machen muss. Dabei habe ich es noch vergleichsweise einfach, weil meine Anlage unter 10kWp liegt. Ich möchte gar nicht daran denken, wie kompliziert das erst wird, sollte ich mein Haus mal vermieten wollen oder müssen. Dann werde ich sogar zu einem Energieversorgungsunternehmen für meinen Mieter und EEG-Umlagepflichtig für den selbst erzeugten und vom Mieter verbrauchten Solarstrom. Oder doch nicht? Ich blicke da nicht durch. An Herrn Söder und die Politik habe ich einen dringende Wunsch: Bitte räumt das gründlich auf, bevor Ihr über eine Solarpflicht nachdenkt. Ich bin sehr für Umweltschutz, aber man muss erst mal sehen, wo die wahren Hemmnisse für mehr Solarenergienutzung sind. Eine Förderung nach dem Prinzip linke Tasche/rechte Tasche finde ich auch nicht gut. In diesem Sinne habe ich durchaus Verständnis dafür, dass das nicht so schnell geht mit der Pflicht, wünsche mir aber mehr Tempo beim Abbau der Bürokratie