Das Absurdistan der Kernfusionsforschung verschlingt weitere Milliarden

Hans-Josef Fell

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Die EU-Staaten haben weitere 5,6 Milliarden für das Kernforschungs-Experiment ITER im französischen Cadarache beschlossen. Damit sind nur 15 Jahre nach der 2006 gefallenen Entscheidung für ITER die ursprünglich geplanten Kosten um das Dreifache auf inzwischen 20 Milliarden Euro angestiegen. Selbst die immer sehr optimistischen Kernfusionsforscher rechnen nun frühestens 2060 mit einem ersten einsatzbereiten Kernfusionsreaktor. Dabei ist ITER schon wieder 5 Jahre im Verzug der geplanten Baufortschritte. Damit setzt sich der größte Forschungsflop, den die Weltgemeinschaft je gesehen hat, unbeirrt weiter fort, trotz aller Rückschläge und nutzlosen riesigen Milliarden-Ausgaben.

In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts versprachen die Kernfusionsforscher einen Reaktor in 30 Jahren bauen zu können, also 1980 war die Perspektive der Realisierung. Dazu ist leider kein zeitgenössischer Internetlink verfügbar, denn damals gab es ja noch gar kein Internet. Technikrevolutionen (Internet, Mobilfunk, Solar, E-Autos usw.) gab es also wie man sieht in der Zwischenzeit zuhauf, nur die Kernfusion hat nicht geliefert. 40 Jahre später versprechen die Forscher weiter, dass sie nun in weiteren 40 Jahren vielleicht einen Reaktor bauen können – und erhalten alleine für das Versprechen weitere Milliarden für ihren vollkommenen Unrealismus.

Selbst für das vollkommen unzulängliche Klimaneutralitätsziel der EU bis 2050 käme die Kernfusion viel zu spät.

Wenn es aber von den weltweit führenden Forscher im Bereich der Erneuerbaren Energien eine gemeinsame Erklärung gibt, dass 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 möglich sei, dann wird das von den EU-Staaten auf Regierungsebene nicht einmal zur Kenntnis genommen, geschweige denn eine milliardenschwere Realisierungsstrategie dazu entworfen.

Bei Erneuerbaren wird dann lieber die gesamte Fake-Diskussion eröffnet, dass der Ausbau der Erneuerbaren ja gar nicht schnell genug gehen könnte, weil sie wegen den Schwankungen von Sonne und Wind keine verlässliche Energie liefern könnten, die Speicher angeblich noch nicht zur Verfügung stünden und ein Ausbau zu 100 Prozent noch nach 2050 nicht vollendet werden könnte.

Was für eine absurde politische und mediale Diskussion. Einen Kernfusionsreaktor wird es niemals vor 2060 geben. Windräder, Solaranlagen und Speicher stehen heute millionenfach auf allen bewohnten Kontinenten der Erde und ihr Ausbau steigt weiterhin exponentiell.

Doch die EU-Staaten werfen weiter Milliardenbeträge für den größten Forschungsflop, den die Weltgemeinschaft je gesehen hat, raus und behindern auch mit diesen fehlallokierten Milliarden für die Kernfusion den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Dabei sollten die EU den Fusionsforscher mal ernsthaft auf den Zahn fühlen und die alles entscheidende Frage stellen, ob sie denn heute nach 70 Jahren Forschung endlich eine Perspektive für das alles entscheidende und ungelöste Problem eines Kernfusionsreaktor haben: Ein Material, welches den hohen Belastungen als Ummantelung des Fusionsplasmas standhalten kann.

Diese erste Wand muss ein Plasma dauerhaft und sicher einschließen, welches eine Temperatur von 150 Millionen Grad und einen sehr hohen Druck während der Kernfusion erzeugt. Alleine ein solches Material ist nur sehr schwer auf der Welt zu finden. Doch dann muss dieses Material auch noch einem extrem hohen Neutronenbeschuss standhalten, der unweigerlich bei der Kernfusion entsteht. Neutronen lassen sich nicht durch Magnetfelder auf gekrümmte Bahnen zwingen und treffen daher immer auf die erste Wand. Jeder Neutronenbeschuss in dieser Größenordnung verändert schnell das Material, zerstört völlig die notwendigen Materialeigenschaft und macht es in kurzer Zeit hochgradig radioaktiv. Nun glauben die Forscher, einen Reaktor entwickeln zu können, dessen Herzstück – die erste Wand zum Plasmaeinschluss – im Rhythmus von wenigen Monaten wegen völliger Verstrahlung und Materialverschleiß ausgewechselt werden muss. Große Atommüllberge entstehen, aber vor allem ist ein kontinuierlicher Reaktorbetrieb so gut wie ausgeschlossen.

Diese Fragen hatte ich schon vor 20 Jahren im Bundestag den Kernfusionsforscher gestellt und keine befriedigende Antwort bekommen. Heute stellt offensichtlich niemand mehr aus den Regierungsfraktionen diese Fragen und viele rennen blindgläubig den Versprechungen der Atomforscher hinterher, beschließen etwa alle 5 Jahre neue Milliarden-Förderungen für die Kernfusionsforschung und akzeptieren, dass schon wieder weitere 5 Jahre an Bauverzögerungen eingetreten sind. So geht das nun schon seit 70 Jahren.

Aber nochmal 70 Jahre wird das so nicht weitergehen können, denn lange vorher wird die Kernfusion auf der Sonne die Erde in die unbeherrschbare Heißzeit aufgeheizt haben, da die Menschen weiter Treibhausgase emittieren. In dieser Heißzeit werden große Teile der menschlichen Zivilisation vor dem Untergang stehen und neue Beschlüsse und Milliarden für die Kernfusionsfoschung wird es nicht mehr geben, da die Menschheit ganz andere Sorgen um Trinkwasser, Nahrungsversorgung, Meeresspiegelanstieg, Hitzeperioden und Stürme haben wird.

Es sei denn, die Menschheit hat es doch bis 2030 geschafft, eine Energieversorgung auf Basis 100 Prozent erneuerbarer Energien zu verwirklichen. Doch dann wird niemand mehr danach streben, einen Kernfusionsreaktor vielleicht bis 2060 zu verwirklichen.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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