Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine Vielzahl von Änderungen am Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) beschlossen. So hat die schwarz-rote Koalition mit der Novellierung unter anderem eine Definition für Energiespeicher vorgenommen. Damit will sie künftig verhindern, dass sowohl auf den eingespeicherten Strom als auch auf den Letztverbrauch des gespeicherten Stroms Netzentgelte, Abgaben und Umlagen erhoben werden. Der EU-Binnenmarkt-Richtlinie zufolge ist eine solche Doppelbelastung nicht zulässig.
Der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisiert allerdings, dass der EnWG-Entwurf die Speicher-Definition aus der Binnenmarkt-Richtlinie nicht wörtlich, sondern deutlich verändert umsetze. In der jetzt formulierten Definition besteht aus Sicht des Verbandes weiterhin die Gefahr einer Doppelbelastung. „Deshalb sollten die Definitionen der Begriffe Energiespeicherung und Energiespeicheranlage aus der Binnenmarktrichtlinie übernommen und das EnWG diesbezüglich erweitert werden“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Mit der Novelle will die Bundesregierung auch mehr Transparenz in die Stromkennzeichnung bringen. Das soll den Markt transparenter machen – Kunden sollen besser nachvollziehen können, aus welchen Quellen ihr Versorger den Strom einkauft. „Herkömmliches Fleisch darf auch nicht als Bio-Fleisch gekennzeichnet werden. Auch beim Strom muss künftig draufstehen, was drin ist. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung jetzt aktiv wird, kommentiert Ralf Schmidt-Pleschka, Koordinator Klima- und Energiepolitik von Lichtblick. Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel lobt, dass mit Entwurf von Union und SPD wird besser ersichtlich werde, ob Strom aus Kohle, Atom oder erneuerbaren Quellen stammt.
Zudem hat das Bundeskabinett die rechtlichen Bedingungen für zeitvariable, börsenpreisabhängige Stromtarife verbessert. „Dynamische Stromtarife werden mit steigender E-Mobilität eine wachsende Bedeutung erhalten“, meint Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). So könne es für Verbraucher zum Beispiel günstiger sein, das Elektroauto nachts zu laden statt kurz nach Feierabend.
Keine Querfinanzierung von Wasserstoffnetzen
Besondere Brisanz hat im Zuge der EnWG-Novellierung die Regulierung der Wasserstoffnetze. Die neuen Regelungen sollen den Rahmen für den Aufbau einer nationalen Wasserstoffnetzinfrastruktur setzen. So sieht der verabschiedete Gesetzesentwurf vor, für eine Übergangsphase Gas- und Wasserstoffnetze getrennt zu regulieren, statt letztere in den etablierten Regulierungsrahmen für das Gasnetz zu integrieren.
Der BDEW und der Stadtwerkeverband VKU halten dies für einen Fehler. Eine solche zweigleisige Regulierung verhindert eine aufeinander abgestimmte Entwicklung von Gas- und Wasserstoffinfrastrukturen und setzt keinen verlässlichen Rahmen für Investoren und Marktteilnehmer, heißt es beim BDEW. Dem VKU zufolge sei es mit wenig regulatorischen Aufwand möglich, die bestehende und gut eingespielte Regulierung der Erdgasnetze auch auf Wasserstoffnetze zu übertragen. „Eine Erweiterung des Gasbegriffs, der auch Wasserstoff und Biogas abdecken würde, hätte dazu gereicht“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Dieser Ansatz sei im Übrigen auch der richtige, um die Transformation der Gasnetze und die Dekarbonisierung der Gasversorgung insgesamt voranzubringen. „Er hätte zudem für langfristige Planungssicherheit auch bei den Gasnetzbetreibern gesorgt“, sagt Liebing.
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) begrüßt dagegen, dass Union und SPD mit der Novelle der Finanzierung des Wasserstoffnetzausbaus aus einem Topf mit den Gasnetzentgelten eine Absage erteilt haben. „Doch der heute vom Kabinett der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf enthält Lockerungen und Lücken, durch diese werden Quersubvention riskiert und die Investitionssicherheit untergraben“, warnt bne-Geschäftsführer Robert Busch. Heikle Punkte sind hier der Netzzugang sowie die Trennung zwischen dem Netzbetrieb auf der einen und der Erzeugung beziehungsweise Speicherung von Wasserstoff auf der anderen Seite. „Der Wasserstoffnetzbetrieb ist von den marktlichen Aktivitäten vollständig zu entflechten, zwischen Wasserstoff- und Gasnetzen ist klar zu trennen und der regulierte Netzzugang einzuführen“, fordert Busch. Nur so könne sich ein funktionierender Wasserstoffmarkt entwickeln. „Der jetzt im Entwurf vorgesehene verhandelte Netzzugang führt dagegen wieder in eine Sackgasse.“
Ähnlich sieht das der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). „Es muss sichergestellt werden, dass Netzbetreiber die klare Trennung zwischen Netz und Erzeugung/Speicherung in keinem Fall aufbrechen und selber Power-to-Gas-Anlagen wie beispielsweise Elektrolyseure betreiben können“, kommentiert BEE-Präsidentin Simone Peter. Nur so könne ein erfolgreicher Markthochlauf der deutschen Wasserstoffwirtschaft mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher Marktteilnehmer realisiert werden. „Akteursvielfalt hat die Energiewende bisher geprägt, das soll auch bei den Sektorkopplungs-Technologien so aufgesetzt werden“, so Peter.
Grüne monieren mangelhafte Bedingungen für den Erneuerbaren-Ausbau
Darüber hinaus moniert der BEE, dass der EnWG-Entwurf keine Anreize zur Gründung von Bürgerenergiegesellschaften vorsieht – obwohl die Erneuerbare Energien-Richtlinie der EU (RED II) dies vorsieht. „Die Bundesregierung muss an dieser Stelle dringend nachbessern und eine neue Form der Stromvermarktung schaffen, die getrennt von der klassischen Versorger-Endkunden-Stromlieferung zu verstehen ist“, fordert Peter. Das EEG müsse hier sinnvoll mit dem EnWG zusammenwirken, um einen angemessenen Rahmen für das Energy Sharing und damit mehr Bürgerengagement zu schaffen.
Die energiewirtschaftliche Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion Ingrid Nestle beklagt, dass der große Wurf bei der Novellierung des Strommarktes ausgeblieben sei. „Das nun geplante Kleinklein an Maßnahmen schafft weder den nötigen Zubau bei den Erneuerbaren noch faire Marktbedingungen für die Verwendung von erneuerbarem Strom zum Klimaschutz in Mobilität, Wärme und Industrie“, erklärt Nestle. Eine grundlegende Reform der Abgaben, Entgelte und Umlagen sei hier längst überfällig.
Zudem kritisiert sie, dass die Bundesregierung keine klaren Regeln für die Zertifizierung von grünem Wasserstoff vorgelegt habe. Auch bleibe offen, woher der erneuerbare Strom für die Wasserstoffproduktion kommen soll. „So besteht die Gefahr, dass grauer Wasserstoff im Prozess einfach einen grünen Stempel aufgesetzt bekommt“, sagt die Grünen-Politikerin. Die regulatorische Trennung von Gas- und Wasserstoffnetz sieht sie hingegen positiv. „Wir begrüßen den Vorschlag, dass auch das zukünftige Wasserstoffnetz ab 2022 in einem nationalen Entwicklungsplan erstellt werden soll“, erklärt Nestle. Es sei wichtig, hier nicht die Fehler der Gasplanung zu wiederholen, sondern einen demokratischen und transparenten Prozess orientiert an den Parischer Klimazielen zu finden.
Anmerkung der Redaktion: Wir ergänzen diesen Text laufend um weitere Statements.
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