Klimakiller Erdöl & Erdgas: Die Welt zwischen Abschalten und massivem Ausbau

Hans-Josef Fell

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Der neue US-Präsident Joe Biden hat als erste Amtshandlung gleich am ersten Tag bemerkenswerte Schritte für den Klimaschutz eingeleitet. Er hat veranlasst, den Austritt der USA aus dem UN-Klimaschutzabkommen von Paris unter seinem Vorgänger Trump wieder rückgängig zu machen. Er verordnete ein 60-Tage-Moratorium für neue Gas- und Erdölbohrungen auf öffentlichem Grund, widerrief die Genehmigung für die umstrittene Erdölpipeline Keystone XL von Kanada in die USA und verordnete die Überprüfung zahlreicher Umweltabkommen an, die Ex-Präsident Trump abgeschwächt oder gar abgeschafft hatte.

Dabei hat Biden schon deutlich mehr Umwelt- und Gesundheitsaktivitäten auf den Weg gebracht, als in den meisten Medien zu lesen war. So will er aus Gesundheitsgründen die Luftverschmutzung reduzieren, was ja nur mit erneuerbaren Energien und E-Mobilität gelingen kann. Er will den Gebrauch von krankmachenden Chemikalien und Pestiziden verringern und will soziale Gerechtigkeit im Umweltschutz auf den Weg bringen, verbunden mit vielen neuen und gerecht bezahlten Jobs im Umweltsektor.

Damit setzt Joe Biden ein starkes Zeichen für die Ernsthaftigkeit seines versprochenen Einsatzes für den Klimaschutz, denn die vollständige Abkehr der Nutzung von Kohle und insbesondere auch von Erdöl und Erdgas ist dafür unerlässlich. Für Biden eine sehr schwierige politische Aufgabe, ist doch die Öl- und Gaswirtschaft eine der wohl mächtigsten Wirtschaftslobbys in den USA.

17 Staaten oder Regionen haben inzwischen beschlossen, den Verkauf von neuen Benzin- und Dieselautos in den kommenden Jahren zu verbieten. Kalifornien zum Beispiel fasste jüngst diesen Beschluss für 2035. Auch europäische Staaten wie Schweden (2035), Norwegen (2025), Schottland (2032), ganz Großbritannien (2035) oder Frankreich und Spanien (2040) gehören dazu. Die deutsche Regierung lehnt bisher ein Verbot des Neukaufs von fossil betriebenen Autos ab.

Auch bei der mächtigen und finanzstarken europäischen Investitionsbank EIB gibt es hoffnungsvolle Ankündigungen: „Gas ist vorbei“ lautet die Botschaft kürzlich von EIB Chef Hoyer, womit er betont, dass zum Ausstieg aus der Finanzierung von fossiler Energie auch Erdgas gehört.

Doch noch lange nicht alle haben verstanden, dass selbst das unzulängliche Klimaziel der EU-Kommission, das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050, auch den völligen Ausstieg aus den politischen Unterstützungen und Subventionen für fossile Geschäfte erfordert.

Höchst irritierend ist der Beschluss der niedersächsischen Regierung unter SPD-Ministerpräsident Weil, an die im Land tätigen Öl- und Gasunternehmen die sogenannte Förderabgabe in Höhe von 50 Millionen Euro zurückzuzahlen. Damit erhöht die Regierung in Niedersachsen sogar die Anreize für die Öl- und Gasindustrie, weitere klimaschädliche Geschäfte zu tätigen. Wie soll so jemals wirksamer Klimaschutz kommen? „SPD und CDU fallen vor der Förderindustrie auf die Knie und verramschen die Öl- und Gasvorkommen,“ so der Grüne Landtagsabgeordnete Stefan Wenzel.

Unglaublich dreist und höchst klimaschädlich ist die von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern unter Ministerpräsidentin Schwesig (SPD) vorangetriebene „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ die ganz offensichtlich ausschließlich nur dem Fertigbau der Erdgas-Pipeline Nordstream 2 dienen soll. Wie jetzt bekannt wurde, soll die Stiftung hauptsächlich von Gazprom finanziert und ferngesteuert werden.

DIW Energieexpertin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der EWG, Claudia Kemfert, kritisierte die Stiftung vehement. Die Pipeline sei politisch problematisch, energiewirtschaftlich unnötig, teuer und nicht vereinbar mit EU-Energie- und Klimazielen. Alle bisherigen „Brückentechnologien“ hätten sich als Brücken ins Nichts entpuppt. Kemfert schrieb auf Twitter: „Statt Fake-Umweltstiftungen zu gründen, die dem Klimaschutz schaden, sollte man in Mecklenburg-Vorpommern die bisherige Politik des konsequenten Ausbaus der erneuerbaren Energien fortsetzen“.

Aus Sicht des Klimaschutzes aber richtig schlecht kann einem werden, wenn man die massiven Neuinvestitionen von Gazprom zur Erhöhung der Erdgaslieferungen innerhalb Russlands, nach China und nach Europa betrachtet. So hat sich kürzlich einer der wegen Öl- und Gasgeschäften reichsten Männer der Welt, Russlands Präsident Putin, von Gazprom-Chef Miller über die aktuellen Ausbauaktivitäten informieren lassen.

Im Fünfjahresplan bis 2025 will Gazprom alleine die inner-russischen Investitionen in neue Gaspipelines mit rund 5,8 Milliarden Euro verdreifachen, 24.000 Kilometer neue Pipelines verlegen und so 3632 neue Ortschaften an das Gasnetz anschließen.

Alexeji Miller betonte im Gespräch mit Putin, dass der Absatz von Erdgas nach China dynamisch wächst. Die Nachfrage aus China übertreffe sogar die vereinbarten Lieferverpflichtungen. Im Oktober 2020 wurde eine Allzeitrekordmenge von 17 Milliarden Kubikmetern Erdgas nach Europa exportiert und der europäische Erdgasmarkt wächst laut Miller weiter stabil.

Dabei gilt es nicht zu vergessen: Erdgas ist bis zu 40 Prozent treibhausgasintensiver als das schon höchst klimaintensive Verbrennen von Erdöl oder Kohle – und ist damit kein Beitrag zum Klimaschutz, sondern höchst klimaschädlich.

Auch in der Kohlestrategie Russlands bis 2035 setzt Putin weiter mit hohen Subventionen und Investitionen auf eine Steigerung der Kohlenutzung, insbesondere auch für den Export. Das ist erstaunlich, da immer mehr Länder der Erde auf Kohleausstieg und Klimaneutralität bis 2050 setzen.

Die russische Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und auch ernsthafte Klimaschutzabsichten in weiten Teilen der Welt scheinen Putin offensichtlich überhaupt nicht zu interessieren. Er setzt weiter massiv auf Kohle, Erdöl, Erdgas und Atomkraft. Offensichtlich will er seinen Reichtum weiter steigern. Ein riesiges Schloss, welches der Kreml Kritiker Nawalny erst kürzlich der Öffentlichkeit präsentierte und wohl Präsident Putin gehört, obwohl er es abstreitet, ist nur ein weiteres sichtbares Zeichen dafür.

Doch Putins klimazerstörende Agenda für Kohle, Erdöl und Erdgas würde ins Leere laufen, wenn die Energiekunden Russlands mit 100 Prozent erneuerbare Energien seinem fossilen und atomaren Wirtschaftsimperium endlich aktiv den Rücken kehren würden und eben kein Erdöl, Erdgas und Kohle mehr aus Russland kaufen. Aber davon ist angesichts der unterstützenden Erdgaspolitik von Ministerpräsidentin Schwesig (SPD) in Mecklenburg Vorpommern, der Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel (CDU) bis hin zur EU-Kommissionpräsidentin von der Leyen (CDU) nichts zu sehen.

Die maßlose Erdgasunterstützung gerade aus der EU und Deutschland ist ein immenser Schaden für den Klimaschutz. Die heute mit dem täuschenden Argument einer Brückentechnologie begründeten Investitionen in die Erdgasinfrastruktur werden noch Jahrzehnte massive Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre entsenden und so das Abkommen von Paris untergraben, auch wenn neben vielen anderen Verantwortlichen politisch Verantwortliche wie Weil, Schwesig, Putin, Merkel und von der Leyen das Pariser Abkommen offiziell unterstützen.

Es ist nur schwer zu ertragen, dass demokratisch gewählte Politiker in Deutschland und der EU die antidemokratische russische klimaschädliche Energiepolitik mit weiterer Unterstützung als Energiekunden von Kohle, Erdöl, Erdgas und Atomkraftanlagen unterstützen. Sie schaden so nicht nur dem Klima, sondern stützen auch das Unrechtsregime im Kreml, welches gerade wieder mit dem Niederschlagen der Proteste zur Freilassung von Nawalny sein wahres Gesicht zeigte.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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