Netzbooster und Innovationsausschreibung – neue Speicher für mehr Sicherheit im Netz?

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Wenn auch die Ursachen des aktuellen Einbruches der Netzfrequenz am 8. Januar 2021 nach wie vor nicht vollkommen geklärt sind, konnte ich im ersten Teil dieses Artikels einige hoffentlich interessante Details zu diesem Vorfall zusammenfassen. Dabei war es mir besonders wichtig, die Rolle von Großspeichersystemen bei solchen Ereignissen näher zu beleuchten, die im zunehmenden Maße im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens für Primärregelleistung für die Netzstabilität mit eingesetzt werden.

Es gibt derzeit viele verschiedene Geschäftsmodelle für große Speichersysteme. Es gibt aber nicht „das“ Geschäftsmodell, das geeignet wäre um solche immer noch vergleichsweise teuren Systeme alleine zu refinanzieren. So ist „Multi Use“ immer noch das Geheimrezept, um für solche Speicherprojekte eine möglichst gute Wirtschaftlichkeit zu prognostizieren und auch zu erreichen. Solche Auslegungen sind aber meist recht komplex und sehr stark vom individuellen Einsatzfall abhängig. Allerdings haben die meisten dieser Modelle eine Gemeinsamkeit: Die im letzten Artikel genauer erläuterte Primärregelleistung ist in den meisten Fällen eines der Standbeine der einschlägigen Wirtschaftlichkeitsmodelle.

Über solche Multi-Use-Strategien ist an anderer Stelle schon viel gesagt worden, sie sollen deshalb hier nicht primär Gegenstand der Betrachtungen sein.  

Hier soll es vielmehr darum gehen, inwieweit zwei derzeit ausschließlich in Deutschland vorgesehene neue Betriebsmodelle für Speicher, die Netzbooster und die Speicher in der Innovationsausschreibung ebenfalls zur Netzsicherheit beitragen könnten.

Netzbooster-Projekte in Deutschland

In Deutschland wurden in den letzten Jahren mehrere große Speicherprojekte, die sogenannten Netzbooster,  diskutiert. In diesen Großprojekten soll untersucht werden, inwieweit große Speicher an strategisch wichtigen Netzknotenpunkten die Notwendigkeit für den Netzausbau minimieren können. Gerade mit Blick auf den Netzfrequenzabfall am 8. Januar 2021 könnten solche Kapazitäten auch als Reserveleistung künftig immer wichtiger werden.

Netzbooster – Große Speicher an wichtigen Knotenpunkten verbessern Netzsicherheit

Quelle: Eigene Darstellung

 

Ende 2019 wurden die ersten zwei Netzbooster-Projekte im Netz-Entwicklungsplan der Bundesnetzagentur festgeschrieben und dürfen damit ausgeschrieben und auch gebaut werden. Die ersten beiden Projekte sollen eine Größenordnung von 100 und 250 Megawatt haben. An dieser Größenordnung ist erkennbar, dass im Vergleich zu den bisherigen in Deutschland realisierten Speicherprojekten damit zumindest technisch durchaus eine neue Größenordnung an Reserveleistung verfügbar wäre. Primär sind diese Speicher dafür gedacht, durch einen zeitlichen Ausgleich die Übertragungskapazität von Leitungen zu erhöhen, die Betriebsmittelsicherheit zu verbessern und sogenannte Redispatchmaßnahmen (Eingriffe in die Kraftwerkssteuerung bei Überlastung von Leitungswegen) zu minimieren. Wie jeder Speicher können sie aber zumindest technisch bei Frequenzschwankungen im Netz auch einen gewissen Leistungsausgleich bewirken.

Natürlich wäre ein unterstützender Effekt nur dann gegeben, wenn sich diese Speicher zumindest einen Teil Ihrer Zeit auch in dem für Primärregelleistung relevanten SOC-Bereich von grob 50 Prozent bewegen würden. Das ist wichtig, damit sie in Problemfällen auch in beide Richtungen, positiv wie negativ, reagieren können.  Die optimale Einsatzstrategie der Netzbooster wird zwar erst in Zukunft festgelegt werden, aber es ist zu erwarten, dass zumindest ein Teil der Leistung durchaus für solche aktive Eingriffsmaßnahmen im Netz genutzt werden könnte.

Der Realisierungshorizont dieser Projekte war zwar schon beginnend ab dem Jahr 2022 geplant. Da es derzeit aber noch keine Ausschreibungen gibt, dürften diese Projekte aber wohl noch länger auf sich warten lassen. Erst nach einer repräsentativen Betriebsphase der ersten Prototypprojekte kann wohl entschieden werden, inwieweit das Konzept in Zukunft in die Breite gehen könnte und inwieweit tatsächlich der Ausbau von Trassen dank solcher Speicher tatsächlich auf ein notwendiges Minimum begrenzt werden kann.  Sollte hier die allgemeine Tendenz tatsächlich hin zu mehr Speicherprojekten  anstelle von Netzausbau gehen, würden diese Kapazitäten sicher auch bei solchen Problemen wie am 8. Januar zu einer verbesserten Systemsicherheit führen.

Erneuerbare plus Speicher – Die Innovationsausschreibung

Das zweite hier betrachtete Instrument, soll die Innovationsausschreibung sein. Sie wurde mehrere Jahre lang diskutiert und letztendlich 2020 auch eingeführt, um erneuerbare Energieerzeugungsanlagen zunehmend netzdienlich zu machen. In Form eines Ausschreibungsmodelles werden Anlagen mit einer sogenannten fixen Marktprämie gefördert, die am Netzanschlusspunkt zusätzlich zur Erzeugung ein Speichersystem einer vorgeschriebenen Dimensionierung errichten und betreiben.

Im September 2020 erfolgte zum ersten Mal eine Ausschreibungsrunde für solche Anlagenkombinationen. Die allermeisten der 28 bezuschlagten Gebote enthalten Speichersysteme in unterschiedlichen Dimensionierungen und es ist auch zu erwarten, dass diese Projekte in den nächsten zwei Jahren errichtet werden. Weitere Projekte werden in den nächsten Runden folgen. Da alle Batteriesysteme ja auch den Einsatz von Rohstoffen und knappen Ressourcen bedeuten, liegt die Idee nahe, ob man diese Speicherprojekte nicht auch parallel im Sinne der Systemsicherheit mit einsetzen könnte.

Dieses interessante Gedankenspiel soll hier in seinen verschiedenen Aspekten bewertet und kommentiert werden:

  1. Derzeit gibt es noch gar keine exakten Vorgaben für den Betrieb der Speicher in der Innovationsausschreibung. Es bleibt abzuwarten, inwieweit hier bis zum Bau dieser Speicher noch eine Präzisierung erfolgt.
  2. Es ist allerdings festgelegt, dass Speicher in dieser „Marktrolle“ nur mit erneuerbaren Energien im Rahmen der Anlagenkombinationen geladen werden dürfen. Dies widerspricht derzeit einem Einsatz als Primärregelleistungsspeicher, insbesondere auch weil der Betrieb ja immer in beiden Richtungen erfolgen müsste. Was also technisch durchaus möglich wäre, ist derzeit regulatorisch definitiv untersagt.
  3. Wenn man davon ausgeht, dass kritische Netzsituationen in Zukunft vermehrt im Winter auftreten würden (in der sogenannten kalten Dunkelflaute), wäre eine Nutzung dieser Speicher als Reserve zumindest technisch insbesondere bei den Photovoltaik-Speichern denkbar. Zumindest in Deutschland ist die Erzeugung der Photovoltaik-Anlagen im Winter vergleichsweise gering, die Speicher könnten also durchaus „vorübergehend“ andere Aufgaben wie die Netzstützung erfüllen, wenn die Regulierung dies zulassen würde. Die Ressourcen dieser Speicher würden damit doppelt genutzt. Gerade weil es sich bei dieser Innovationsausschreibung ja nicht um einen wirtschaftlichen Business Case, sondern um ein Fördermodell handelt, wäre eine doppelte Nutzung dieser Speichersysteme volkswirtschaftlich sehr sinnvoll.

Die Größenordnung dieser Speicher kann anhand der Auswertung der in der ersten Ausschreibungsrunde (September 2020) erfolgreichen Projekte abgeschätzt werden:

Auswertung der Speicherprojekte in der Gebotsrunde 2020

Quelle: bne - Bundesverband Neue Energie

 

Anhand der veröffentlichten Ausschreibungsergebnisse wurden die Summe von Kapazität und Leistung der in der Ausschreibung gebotenen Speicher ermittelt. Neben den 27 Photovoltaik-Projekten wurde in der Ausschreibung auch ein Windprojekt bezuschlagt, dies wurde bei der Summenermittlung nicht berücksichtigt.

Die Auswertung ergibt eine Summe von fast exakt 100 Megawatt an Speicherleistung bei etwa 62 Megawattstunden Energieinhalt.     

Aus dieser Auswertung ist also erkennbar: Die demnächst zu realisierenden Speicher in diesen Ausschreibungen könnten ebenfalls eine relevante Rolle in der Unterstützung der Netzsicherheit spielen, wenn ein entsprechendes spezielles Ausschreibungsdesign – zumindest für die Verwendung in den kritischeren Wintermonaten – gefunden werden könnte. Dies wäre insbesondere deshalb zu begrüßen, da sich dieses Volumen ja von Jahr zu Jahr und von Ausschreibung zu Ausschreibung kumulieren und weiterentwickeln wird. Im Sinne eines möglichst sinnvollen Einsatzes von Ressourcen wäre eine solche Doppelverwendung von Batteriesystemen sicher sehr sinnvoll.

Jedes Speichersystem an einem Photovoltaik-Standort könnte aus technischer Sicht gerade im Winter problemlos zur Systemstabilität beitragen.

Der Autor Hans Urban hat den Solarbereich bei Schletter aufgebaut. Seit seinem Ausscheiden aus der dortigen Geschäftsleitung ist er als Berater tätig, unter anderem für Schletter, Smart Power und Maxsolar. Zudem hält er deutschlandweit Vorträge zu Themen rund um erneuerbare Energien.

 

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