Die Corona-Pandemie hat im vergangenen Jahr den Strommarkt kräftig durcheinandergewirbelt. Zwar hat die Bundesregierung mittlerweile das Ende der Kohleverstromung bis spätestens 2038 in Gesetzesform gegossen, doch der Markt selber könnte diese Entwicklung noch beschleunigen. So sank im vergangenen Jahr die Stromnachfrage, gleichzeitig speisten die erneuerbaren Energien mehr Strom ins Netz und die weiter fallenden Gaspreise läuteten schließlich das Ende der Kohle ein. Erstmals produzierten die Kohlekraftwerke weniger Strom als die Windparks, so Agora Energiewende in seinem Jahresrückblick, der am Dienstag offiziell veröffentlicht wurde.
Die positive Seite am Corona-Jahr 2020 war demnach, dass die Treibhausgasemissionen erheblich zurückgingen. Sie lagen 42,3 Prozent unter dem Niveau des Referenzjahres 1990. Damit erreichte Deutschland offiziell sein Klimaschutzziel für 2020. Vor der Corona-Pandemie schien die Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent nicht mehr erreichbar. Doch die durch die Rezession bedingten Rückgänge bei Energieverbrauch, Industrieproduktion und Verkehr, relativ hohe CO2-Preise in Kombination mit niedrigen Gaspreisen, sowie ein milder Winter mit geringem Heizenergieverbrauch wendeten schließlich noch das Blatt. Nach den Abschätzungen von Agora Energiewende reduzierten sich die Emissionen um mehr als 80 Millionen auf rund 722 Millionen Tonnen CO2. Zwei Drittel der Minderung schreibt der Berliner Think-Tank den Effekten der Corona-Pandemie zu. Also bei einer normalen Weiterentwicklung wären die CO2-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 nur um 37,8 Prozent gesunken.
Im Strommarkt sei der Anteil von Gas-, Kohle- und Kernkraftwerken im vergangenen Jahr um sechs Prozent zurückgegangen. Sie lieferten nur noch 50 Prozent des deutschen Stroms. Die Erneuerbaren-Anlagen liefen dagegen auf Hochtouren und erreichten nach Agora Energiewende-Angaben einen Anteil von 45 Prozent am Erzeugungsmix. Rechnet man den Exportüberschuss heraus, sind es 46,2 Prozent – 3,8 Prozentpunkte mehr als 2019. Ohne die Effekte der Corona-Pandemie, die unter anderem die Stromnachfrage um 3,6 Prozent sinken ließ, hätte der Anteil der Erneuerbaren bei 44,6 Prozent gelegen, so Agora Energiewende weiter.
Das Plus bei den Erneuerbaren ginge zu zwei Dritteln auf das Konto der Windkraft. Die günstigen Wetterbedingungen ließen die Produktion der Windparks an Land und vor allem auf See deutlich höher ausfallen. Ein Drittel kann sich die Photovoltaik auf die Fahnen schreiben. Ein gutes Solarjahr und ein Zubau von mehr als vier Gigawatt an Photovoltaik-Anlagen führten dazu, dass mit 51 Terawattstunden erstmals mehr Solarstrom produziert wurde, als die Steinkohlekraftwerke produzierten. Sie kamen 2020 auf 42,5 Terawattstunden.
„Echte Klimaschutzeffekte hat es 2020 nur im Stromsektor gegeben, denn hier geht die CO2-Minderung auf den Ersatz von Kohle durch Gas und erneuerbare Energien zurück“, sagte. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, rückblickend. Sobald die Wirtschaft wieder anziehe, würden in den Bereichen Verkehr und Industrie wieder mehr Treibhausgase ausgestoßen. „Und auch in der Energiewirtschaft könnte der Stromverbrauch 2021 stärker steigen als der Zuwachs an erneuerbaren Energien. Für 2021 rechnen wir daher in Summe mit mehr Emissionen“, so Graichen weiter. Er forderte daher ein schnelles klimapolitisches Gegensteuern.
Dazu gehört nach Ansicht von Agora Energiewende auch ein stärkerer Ausbau von Photovoltaik und Windkraft. „Der Zuwachs bei den erneuerbaren Energien mit nur 12 Terawattstunden liegt aufgrund der Krise bei der Windkraft deutlich unter dem Schnitt der letzten Jahre. Das reicht bei weitem nicht aus, damit Deutschland seine Klimaziele für 2030 erreicht“, sagt Graichen. „Hierzu muss der Ausbau bei der Windkraft verdreifacht und beim Solarstrom verdoppelt werden. Das entspricht den Installationsgeschwindigkeiten, wie wir sie vor einigen Jahren bereits hatten.“
Doch zurück zum Anfang vom Ende der Kohleverstromung: Der Einbruch bei den konventionellen Kraftwerken geht zum Großteil zu Lasten der Kohleverstromung, die aufgrund der Kosten für CO2-Zertifikate, einer geringeren Stromnachfrage, gesunkenen Stromexporten sowie Kostenvorteilen von Gaskraftwerken an vielen Stunden des Jahres nicht mehr konkurrenzfähig war. So die Einschätzung von Agora Energiewende. Die Braunkohlekraftwerke lieferten 22,3 Terawattstunden weniger Strom – ein Minus von 19,6 Prozent gegenüber 2019. Bei den Steinkohlekraftwerken waren es sogar 26,1 Prozent weniger, was 15 Terawattstunden entspricht. Seit 2015 habe sich die Kohleverstromung in Deutschland damit mehr als halbiert. Im gleichen Zeitraum sei die Erzeugung der Windparks um zwei Drittel gestiegen.
Die Abschaltung des AKW Philippsburg 2 führte im vergangenen Jahr zudem dazu, dass auch die Kernenergie 10,8 Terawattstunden oder 14,4 Prozent weniger als noch 2019 beitrug. Lediglich die konventionellen Gaskraftwerke produzierten geringfügig mehr Strom, da sie sowohl von günstigen Erdgaspreisen als auch von ihrem verglichen mit Kohlekraftwerken geringerem CO2-Ausstoß profitierten. Der Grenzübergangspreis habe mit 10 Euro je Megawattstunde für einige Monate auf einem Niveau gelegen wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Auch die Importpreise für Steinkohle seien im Jahresmittel 20 Prozent günstiger gewesen als 2019. Erdöl wurde Agora Energiewende zeitweise zu negativen Preisen abgegeben. Infolgedessen brachen die Preise für Benzin und Diesel ebenfalls ein. Relativ stabil blieben die Preise für CO2-Emissionszertifikate: Sie lagen im Jahresmittel bei etwa 24 Euro, verteuerten sich zum Jahresende jedoch auf mehr als 30 Euro.
Als Folge aus gesunkenen Brennstoffkosten, der gesunkenen Stromnachfrage und leicht größerem Angebot an Strom aus erneuerbaren Energien seien die Großhandelspreise an den Strombörsen gefallen. Nach der Jahresauswertung von Agora Energiewende lagen sie im Mittel bei 3,05 Cent pro Kilowattstunde. Während der Corona-Lockdowns im Frühjahr sanken im April bis auf 1,71 Cent im Monatsmittel. Die geringeren Großhandelspreise in Kombination mit dem gesunkenen Handelsvolumen von Strom summieren sich auf mehr als vier Milliarden Euro. Die Stromkunden konnten hiervon nicht profitieren, weil Stromvertriebe sich typischerweise langfristig mit Energie eindecken, wie es von dem Berliner Think-Thank weiter heißt. Allerdings sei es möglich, dass sich wettbewerbsorientierte Stromvertriebe 2020 die günstigen Großhandelspreise am Terminmarkt für günstige Angebote im Jahr 2021 gesichert hätten, weshalb sich unter Umständen ein Wechsel des Stromanbieters lohnen könnte.
Für 2021 erwartet Agora Energiewende weiter steigende CO2-Preise, vor allem vor dem Hintergrund der verschärften EU-Klimaziele für 2030. Die höheren CO2-Preise werden sowohl Stein- als auch Braunkohlekraftwerke weiter unter Druck setzen. Dazu komme, dass vor dem Hintergrund der neuen EU-Ziele auch der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft in Deutschland gesteigert werden müsse. Zudem gilt in Deutschland seit Januar 2021 ein CO2-Preis für Brenn- und Heizstoffe von 25 Euro pro Tonne, der den Trend in Richtung Gebäudesanierung, erneuerbare Wärmeproduktion und Elektromobilität verstärken dürfte. Für das Erreichen der Klimaziele sei der CO2-Preis allerdings noch nicht auf dem erforderlichen Niveau.
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Zitat aus dem Artikel.
Die geringeren Großhandelspreise in Kombination mit dem gesunkenen Handelsvolumen von Strom summieren sich auf mehr als vier Milliarden Euro. Die Stromkunden konnten hiervon nicht profitieren, weil Stromvertriebe sich typischerweise langfristig mit Energie eindecken, wie es von dem Berliner Think-Thank weiter heißt…. Zitat Ende.
Nur weil Stromvertriebe sich typischerweise langfristig mit Energie eindecken, werden den Verbrauchern vier Milliarden vorenthalten. Diese lapidare Erkenntnis ist mir für eine viel zitierte Energiewende Denkfabrik, wie man Agora bezeichnet zu wenig, um nicht zu sagen, warum auch immer , nicht zu Ende gedacht. Die vier Milliarden sind ja noch nicht alles. Wegen der sinkenden Großhandelspreise steigt ja für die Verbraucher auch noch zusätzlich die EEG Umlage um Milliarden..
Da ist der der Ex Chef vom Fraunhofer Institut im folgenden Video schon schonungsloser an die Sache ran gegangen..
https://www.youtube.com/watch?v=VjN_J3QA3RI
So ab Minute 3 sagt er, das stecken die Leute in die Taschen, die den Strom bereitstellen.
Ich frage mich immer öfter, ob das paradoxe System bei der Agora noch nicht angekommen ist, weil sie um dieses Thema immer einen großen Bogen machen.
Da hat der Herr Diehl wieder einmal „Recht“!
Für über 50% der Erzeugung stecken sich die EE-Stromerzeuger garantierte zweistellige Preise ein!
Und Andere bekommen für die andere Hälfte der Erzeugung noch weniger Geld!
Und es ist paradox, dass sich heute noch jemand an Verträge hält, die er vor Jahresfrist abgeschlossen hat!
Peter Rentfort. sagt:
Da hat der Herr Diehl wieder einmal „Recht“!
@ Peter Rentfort.
Na endlich kapiert.
Und Jetzt?
Gibt es mittlerweile Verlautbarungen aus den Wirtschaftsministerium, wie denn mit der Energiewende, speziell mit der weiteren Gestaltung des EEGs umgegangen werden soll?
Mit dem Wegbrechen von erheblichen Kraftwerkskapazitäten sollten sich in den nächsten Jahren die Preise am Spotmarkt doch auch mal wieder nach vorne bewegen?
Finanzierung des EEGs in 2021/22 durch den Bundeshaushalt anstatt durch die vereinbarte Formel der willkürlichen Festsetzung aus 2010 ist leider auch so ein willkürlicher Akt und erinnert schmerzlich an allgemeines Organisationsversagen der verantworlich Beteiligten.
Offensichtlich soll das schmerzhafte Thema Finanzierung der Energiewende während der kommenden Wahlperiode vollkommen ausgeklammert und erst in 2023 mal wieder auf den letzten Drücker angegangen werden!