Die EU-Kommission will festschreiben, dass die CO2-Emissionen in Europa bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken müssen. Bislang lag das Ziel bei 40 Prozent. Bis 2050 soll die EU klimaneutral sein. Was bedeutet dies für den Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland? Das hat das Fraunhofer ISE jetzt in einer Kurzstudie untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2030 jährlich 10,5 bis 14,8 Gigawatt Photovoltaik-Leistung neu installiert werden müssen. Bei der Windenergie an Land sind 7,4 bis 8,4 Gigawatt pro Jahr notwendig, offshore sind es 1,4 bis 1,7 Gigawatt.
Mit dieser Kurzstudie liefert das Fraunhofer ISE Futter für die Verhandlungen zwischen Union und SPD über die Ausbaupfade der Erneuerbaren. Dieses Thema hatten die Koalitionspartner bei den Beratungen über die EEG-Novelle ausgeklammert – konkrete Zahlen wollen sie im ersten Quartal 2021 vorlegen. Bislang war vorgesehen, die Photovoltaik um knapp fünf Gigawatt pro Jahr und die Windenergie an Land um knapp zwei Gigawatt auszubauen.
Die Fraunhofer-Forscher haben für diese Analyse ihre im Frühjahr 2020 vorgelegte Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ aktualisiert. Den mit dem Energiesystemmodell REMod durchgeführten Berechnungen lagen die zum Zeitpunkt der Erstellung anvisierten Ziele der Bundesregierung zugrunde – also eine Reduktion der deutschen CO2-Emissionen um 55 Prozent im Jahr 2030 und 95 Prozent im Jahr 2050 gegenüber 1990. Im Lichte der erhöhten EU-Ziele haben die Wissenschaftler nun neu gerechnet, mit einer Emissionsminderung in Deutschland um 65 Prozent und einer vollständigen Klimaneutralität des Energiesystems im Jahr 2050.
Strombedarf steigt stark
Der neuen Kurzstudie zufolge wird der Stromverbrauch mit den neuen EU-Zielen deutlich steigen. Damit sind auch mehr Photovoltaik-Anlagen und Windräder nötig. So müssen batterieelektrische Fahrzeuge im Personenverkehr 2030 einen Anteil von 30 bis 35 Prozent haben, um das 65-Prozent-Ziel erreichen zu können. Das bedeutet, dass jährlich etwa 1,8 Millionen Elektroautos neu zugelassen werden müssen. In einem 2050 klimaneutralen Energiesystem werden neben dem PKW-Verkehr auch im Lastgüterverkehr nahezu keine konventionellen Verbrennungsmotoren mehr betrieben. Im Gebäudesektor gilt es, Wärmepumpen, eingesetzt in Haushalten oder in Fernwärmenetzen, zur Schlüsseltechnologie zu machen. So muss 2030 jedes fünfte Gebäude mit einer Wärmepumpe beheizt werden.
Zudem werden mit den erhöhten Zielen auch deutlich mehr klimaneutrale synthetische Energieträger nötig. Die Autoren gehen davon aus, dass die Infrastruktur für einen umfangreichen Import erst in späteren Jahren verfügbar sein wird. Daher müsse mehr im Inland erzeugt werden – sie gehen von 100 Terawattstunden aus.
Insgesamt rechnen die Fraunhofer-Forscher damit, dass der Strombedarf mit der Erhöhung des Klimaziels 2030 hierzulande bei 700 bis 780 Terawattstunden liegen wird. Das Bundeswirtschaftsministerium hat bislang nur mit 580 Terawattstunden kalkuliert. Bis 2050 werde der Bedarf den Wissenschaftlern zufolge auf 1250 bis 1570 Terawattstunden steigen.
„Klimaziele sind technisch und systemisch machbar“
„Das Update unserer Energiewendestudie zeigt, dass das Erreichen der Klimaschutzziele, auch mit einer stärkeren Reduzierung der Treibhausgasemissionen als bisher angenommen, aus technischer und systemischer Sicht machbar ist, wenn auch mit größeren Anstrengungen“, resümiert Christoph Kost, Leiter der Gruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft des Fraunhofer ISE und Autor der Kurzstudie. Eine Zielverschärfung der energiebedingten CO2-Emissionen führe zu einer höheren direkten oder indirekten Nutzung von erneuerbar erzeugtem Strom in den Verbrauchssektoren. „Dies wiederum erfordert einen deutlich stärkeren Ausbau von Anlagen zur Stromerzeugung aus Wind und Sonne.“
Zudem zeigt die Kurzstudie, dass der Ausbau fluktuierender erneuerbarer Energien deutlich mehr Systemflexibilität verlangt. So beziffern die Forscher den Bedarf an Kurzzeit-Speichern, vor allem stationären Batterien, bei einem Reduktionsziel von 55 Prozent auf 84 Gigawattstunden in 2030.
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Prinzipiell gut, dass man den Verantwortlichen seitens der Wisenschaft mal wieder den Spiegel vorhält. Ob man sich seitens der Politik nun auch mal daran orientiert, oder es einfach ignoriert -was bislag gängige Praxis zu sein scheint-, werden wir dann sehen.
Was ich aber im Artikel für falsch halte, ist folgende Aussage:
Zitat:
.“..um das 65-Prozent-Ziel erreichen zu können. Das bedeutet, dass jährlich etwa 1,8 Millionen Elektroautos neu zugelassen werden müssen. “
Nein!
Das bedeutet nur, dass eine entsprechende Anzahl von fossil betriebenen Kraftfahrzeugen stillgelegt werden muss, damit eine entsprechende Menge an CO2 Emissionen gemindert wird.
Man kann ja gerne die wegfallenden fossilen Fahrzeuge durch CO2 freie, oder zumindest deutlich CO2 ärmere Alternativen ersetzen, wo es nötig ist. Aber auch ein e-KFZ ist letztlich nur eine Alternative, die auch nicht gänzlich CO2 frei ist. Ein besser ausgebauter ÖPNV wäre z.B. auch ein erstrebenswerte, deutlich CO2 emissionsärme Alternative. Warum muss es immer und Überall der 1:1 Ersatz des Autos sein?
Energie- und Verkehrs-/Mobilitätswende bitte gemeinsam denken…
Schöne neue Photovoltaik-Welt. Leider wird derzeit übersehen, dass zwar die Modul und Batterie-Preise sinken, die Dienstleistungen zur Montage und Inbetriebnahme auf einem Dach eines Wohnhauses allerdings drastisch angezogen haben. Es gibt schlicht derzeit viel zu wenige Solateure, die durch eine gegebene Konkurrenz auch bezahlbar sind. Und daran wird sich sobald auch nichts ändern.
Beispiel. Ich habe meine Anlage Mitte 2018 8.2 KWp plus 6 KWh Batterie, also quasi am Tiefpunkt der Solarnachfrage, für komplett knapp 20.000 EURO erhalten. Auf meine Empfehlung hin haben sich Freunde in diesem Jahr Kostenvoranschläge eingeholt. Wenn sie denn überhaupt welche bekommen, so sieht diese z.B. so aus: 5 KWp plus 1 KWh Batterie für 18.000 EURO. Kein Witz. Man kann verstehen, dass sie maßlos enttäuscht sind, hören sie doch, die EEG-Vergütung sinkt, weil die Anschaffungskosten sinken würden. Leider mitnichten – das ist – so will es mir dünken – ein echter Flaschenhals für die Energiewende und weniger das EEG. Es fehlt schlicht und ergreifend das Personal, was man mal nicht eben so rekrutieren kann. Gruß Hoppe
@Frank Hoppe: Dachanlagen sind nicht das Segment, das die Energiewende bezahlbar machen soll. Das dient dem Eigenbedarf und rechnet sich gegen den Bezugstarif von Haushaltsstrom sehr auskömmlich, ohne einen Cent EEG-Förderung. Die Solateure wissen genau, wo die Schmerzgrenze ist und sind ja nicht dumm!! 🙂
Ich plädiere für 100 Gigawatt-Freiflächenanlagen pro Jahr. Das kann man automatisieren und schon sinken die Baukosten weiter. Anstatt mehr als 10 Millionen fahrbare Blechbüchsen (Autos) pro Jahr zu bauen, könnte mehr Hirnschmalz in eine sinnvolle Automatisierung der Errichtung von Solarparks und die dringend notwendige Speichertechnologie (Power-to-X) gesteckt werden.