Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft will den Weg für Wasserstoff aus Atomstrom frei machen

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Der Aufbau einer angeblich grünen und nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft drohe bereits im Ansatz zu scheitern, kritisierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vor wenigen Tagen. Ein endgültiger Beschluss über den nuklearen Wasserstoff soll im Rahmen der Sitzung der EU-Energieminister Mitte Dezember fallen. Deutschland sei aus gutem Grund aus der Atomenergie ausgestiegen, meint dazu Verena Graichen, stellvertretende Vorsitzende des BUND. Diese Energiequelle sei weder sicher noch nachhaltig, sondern gefährlich, gesundheits- und umweltschädlich. Der Uran-Raubbau kontaminiere großflächig Menschen und Natur. Sie lehne die atomare Wasserstoffstrategie ab. „Deutschland muss seinen zukünftigen Wasserstoffbedarf reduzieren, anstatt damit Atomkraft und Erdgas durch die Hintertür zu fördern.“

Mit dem Vorstoß der Bundesregierung anlässlich der deutschen Ratspräsidentschaft wird deutlich, was es mit der in den letzten Monaten so lautstark propagierten „grünen und nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft“ auf sich hat. Sie ist die Fassade, hinter der sich eine Großtechnologie versteckt, die mit einer dezentralen und bürgernahen Energiewende nichts zu tun hat. Mit der EU-Förderung von nuklearem Wasserstoff ist ein wichtiger, wenn nicht gar der wichtigste Bestandteil dieses scheinheilig vorgetragenen „grünen“ Konzeptes offengelegt. Bereits in die EU-Wasserstoffstrategie war fossiler Wasserstoff, der aus importiertem Erdgas gewonnen werden soll, einbezogen worden. Aber auch dieser sogenannte blaue Wasserstoff muss wohl als ein Zwischenschritt angesehen werden, bis die Atomkraftwerke der 4. Generation, wie sie vom supranationalen Konglomerat „Breakthrough Energy“ angekündigt und finanziert werden, zur Verfügung stehen.

„Breakthrough Energy“ ist eine von Bill Gates gegründete Organisation, der einige der wichtigsten westlichen Wirtschaftsführern angehören wie George Soros, Mark Zuckerberg (Facebook) und Jeff Bezos (Amazon). Vor diesem Hintergrund wird die Logik des auch von der Bundesregierung eingeschlagenen Weges besser verständlich. Wenn Wind- und Solarstrom im Verbund mit der 4. Generation neuer AKWs in einem zukünftigen Energiesystem weltweit verheiratet würden, könnten sowohl die neue US-Regierung, deren zukünftiger Präsident diese Pläne unterstützt, wie auch alle anderen, westlich ausgerichteten Regierung sie als den großen Wurf im Kampf gegen die Klimakrise verkaufen. Es ließe sich zudem eine weitere Frontlinie gegen die Ostseepipelines mit russischem Erdgas für Westeuropa eröffnen. So könnten Kritiker der globalen Klima- und Umweltzerstörung ruhig gestellt und wirksam darauf hingewiesen werden, in welchen großen und grünen Linien die Energieversorgung der Zukunft angelegt sein würde. Ganz nach dem Motto, „schaut her, wir tun was“.

Diese neue Strategie, deren Kern in der Öffentlichkeit bislang nicht thematisiert wurde, hat allerdings mehr als einen Pferdefuß. Zum einen ist die behauptete große Sicherheit der neuen Atomkraftwerke erst einmal nur ein Versprechen von interessierter Seite. Ob sie stimmt, würde sich wohl erst nach einer Bauentscheidung zugunsten der 4. Generation von Atomkraftwerken herausstellen. Die Erfahrungen, welche die Menschheit mit der Atomenergie gemacht hat, lassen keine anderen Schlüsse zu. Desweiteren muss das schöne Narrativ vom Verbund der Erneuerbaren mit der Atomenergie von Anfang an mit spitzen Fingern angefasst werden. Beide Technologien sind bittere Konkurrenten und repräsentieren Vergangenheit und Zukunft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die Charmeoffensive mit der neuen Liebe zwischen Solar, Wind und Atom ist ein geschickter Propagandatrick, um die Atomenergie aus der verstrahlten Schmuddelecke herauszuholen. Zugleich soll sie auch die Wasserstofftechnologie, die trotz großer Sprüche von Politikern wie Peter Altmaier keine wirtschaftlichen Vorteile aufzuweisen hat, mit dem bislang vermissten Glanz versehen. Wasserstoff herzustellen, erfordert eine zusätzliche Transformationsstufe, egal mit welchem Strom es erzeugt wird. Das wird ökonomisch betrachtet immer der Nachteil gegenüber der Primärenergie Wind und Solar sein und bleiben. Mit großtechnischen Anlagen wollen die alten Energiepolitiker das konterkarieren und sich neue, profitable Kapitalanlagemöglichkeiten erschaffen. Das nennt man politische Ökonomie. Wie diese funktioniert, lässt sich seit über 200 Jahren Kapitalismus verfolgen.

Sollten sich die AKWs der 4. Generation durchsetzen, wäre es schnell mit der Liebe zwischen Atom und Erneuerbaren vorbei. Dann würde wieder erbitterter „Wettbewerb“ einziehen. Wie wenig das aus der Luft gegriffen ist, belegt eine vom Bundeswirtschaftsministerium in der vergangenen Woche vorgelegte Ergänzung zur EEG-Novelle 2021, die für grünen Wasserstoff zwar eine EEG-Umlagebefreiung bis 2030 vorsieht, aber nur für PPA-Anlagen – also solche mit Stromabnahmeverträgen statt EEG-Vergütung. Für viele Erneuerbaren-Anlagenbetreiber aus der mittelständischen Bürgerenergie ist das ein knallharter Ausschluss. Die Liebe zwischen Atom und Erneuerbaren schließt offenbar die dezentralen, kleinen Anlagen der Bürgerenergie nicht mit ein. Wer nach der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ruft, macht sich zum Wegbereiter neuer Atomkraftwerke.

— Der Autor Klaus Oberzig studierte in Mannheim und der FU Berlin Wirtschaft und Politikwissenschaften. Nach Tätigkeiten in einem Chemiebetrieb wechselte er in die Publizistik und arbeitete bei Printmedien, im Hörfunk und in Pressestellen. 2002 gründete er das Medienbüro „Scienzz Communication“, das sich mit Wissenschaftsthemen, vornehmlich Energie und Medizin, befasst. Erneuerbare Energien und die Energiewende sind aber schon seit den 1980er Jahren sein bevorzugter Schwerpunkt. Er ist Mitglied im Bündnis Bürgerenergie, wo er gegenwärtig als Aufsichtsrat fungiert. —

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