Anfang des Jahres sorgte eine Gerichtsentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) bei Netzbetreibern und Anlagenbetreibern für Unruhe: Nach Auffassung der Richter sei es nicht ausreichend, wenn Netzbetreiber Solaranlagen ab einer bestimmten Größe lediglich „ein“ und „aus“ schalten können. Das Gesetz verlange vielmehr, dass die Solaranlagen für den Netzbetreiber zumindest stufenweise regelbar sein müssen. Nun hat die Bundesregierung mit dem aktuellen Gesetzentwurf zum EEG 2021 überraschend schnell eine Lösung für dieses Problem präsentiert.
Es drohten jahrelange Rechtsstreitigkeiten
Die Pflicht zum Einbau der sogenannten Funkrundsteuerempfänger gilt mittlerweile für alle Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 30 Kilowatt, die nach dem 01.01.2009 in Betrieb genommen wurden. Photovoltaik-Anlagen, die zwischen dem 01.01.2009 und dem 31.11.2011 in Betrieb genommen wurden, mussten zwar zunächst erst ab einer Leistung von mindestens 100 Kilowatt für den Netzbetreiber fernsteuerbar sein. Mit dem EEG 2012 wurde diese Schwelle jedoch auf 30 Kilowatt gesenkt, und zwar auch für die damals jüngeren Bestandsanlagen. Folglich mussten die betreffenden Photovoltaik-Anlagen nach Maßgabe der Netzbetreiber nach 2012 technisch nachgerüstet werden.
Einige Netzbetreiber nahmen das Urteil des BGH vom 14.01.2020 (Az. XIII ZR 5/19) zum Anlass, ihrerseits zu prüfen, welche Solaranlagen in ihrem Netzbetrieb nur über eine einfache Fernsteuerbarkeit verfügen. Mit Verweis auf die unzureichende Steuerungstechnik wurden die betroffenen Anlagenbetreiber zur Rückzahlung der EEG-Vergütung der letzten Jahre aufgefordert und die laufenden Zahlungen gestoppt.
Dieser Schuss hätte für manche Netzbetreiber allerdings nach hinten losgehen können: Denn zum Teil waren es die Netzbetreiber selbst, die den Anlagenbetreiber die betreffende Steuerungstechnik als „EEG-konform“ verkauft hatten – oder zumindest ganz genaue Vorgaben gemacht haben, welche Steuerungstechnik zu verwenden sei. Somit hatten nicht nur etliche Anlagenbetreiber eine Rückforderung der EEG-Vergütung zu befürchten. Es drohte auch jahrelange juristischer Streit über die Frage, wer die Verantwortung für den Einbau der unzureichenden Technik trägt.
Regelungsentwurf im Gesetzentwurf zum EEG 2021
Nun hat die Bundesregierung mit dem aktuellen Gesetzentwurf zum EEG 2021 (Bundesrat-Drucksache 569/20 vom 25.09.2020) eine Lösung präsentiert. Der Gesetzentwurf sieht nämlich unter anderem vor, dass die bisher verwendeten Steuerungseinrichtungen für eine Übergangszeit als ausreichend betrachtet werden (vgl. § 100 Abs. 4 EEG-Entwurf). Demnach soll darauf abgestellt werden, welche Anforderungen der jeweilige Netzbetreiber vom Netzbetreiber verlangt hat und ob die Anlage aus der Ferne zumindest vollständig abgeschaltet werden konnte.
Diese neue Übergangsregelung soll grundsätzlich rückwirkend gelten. Ausgenommen sind jedoch die Fälle, in denen ein Rechtsstreit zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber bereits rechtskräftig entschieden wurde.
Bislang handelt es sich bei dieser Regelung zwar „nur“ um einen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung. Beschlossen wird das Gesetz in den nächsten Monaten vom Deutschen Bundestag. Erfahrungsgemäß ist jedoch nicht zu befürchten, dass dieser Regelungsvorschlag gestrichen oder wesentlich geändert wird. Denn wem würde eine Streichung nützen? Vielen Netzbetreibern sicherlich nicht.
Keine belastende Wirkung für die die Netzbetreiber
In der amtlichen Begründung zu dieser Regelung findet sich übrigens eine interessante Textstelle, die sich eins zu eins auf die bekannte Rückforderungsproblematik wegen Meldepflichtverletzung übertragen lässt: Die Netzbetreiber begründen die Anwendung der alten Sanktionsnorm (Reduzierung der EEG-Vergütung um 100 Prozent) nämlich mit dem Argument, dass der Gesetzgeber sein Gesetz nicht rückwirkend ändern könne, weil dies gegen das verfassungsrechtliche „Rückwirkungsverbot“ verstieße.
Der Gesetzgeber selbst sieht dies jedoch anders. Nach Auffassung der Bundesregierung belasten rückwirkende Gesetzesänderungen, die für Anlagenbetreiber begünstigend wirken, die Netzbetreiber im Ergebnis nicht (Bundesrat-Drucksache 569/20, S. 158). Denn die Netzbetreiber reichen ihre Kosten im Rahmen des EEG-Ausgleichsmechanismus weiter.
Offene Fragen
Offen bleibt allerdings, wer die Kosten trägt, die durch die noch nicht entschiedenen Rechtsstreitigkeiten bereits entstanden sind. Denn einige Rückforderungen der Netzbetreiber sind ja schon in der Welt. Möglicherweise muss also doch erst noch geklärt werden, inwiefern diese Rückforderungen berechtigt sind oder nicht.
Im Übrigen offenbart auch diese Gesetzesänderung erneut ein bekanntes Dilemma der Photovoltaik-Branche: Häufig sind es nämlich erst eben jene für unantastbar erklärte Gerichtsentscheidungen, die den Gesetzgeber zu der konkreten Gesetzesänderung veranlasst haben. Einzelne Anlagenbetreiber erstreiten also auf eigene Kosten mittelbar eine Gesetzesänderung, die allen Anlagenbetreibern zugutekommt – nur eben nicht ihnen selbst. Das kann auf Dauer nicht die Lösung sein. Hier bedarf es Vorschläge der Interessenverbände, wie sich diese Prozessrisiken möglichst breit verteilen lassen.
— Der Autor Rechtsanwalt Sebastian Lange ist Inhaber der in Potsdam ansässigen Projektkanzlei (www.projektkanzlei.eu). Rechtsanwalt Lange ist auf das Recht der Erneuerbaren Energien spezialisiert und vertritt bundesweit Projektierer und Betreiber von Photovoltaikanlagen. Er hat einige der wenigen Urteile zu Meldepflichtverletzungen erstritten, die zugunsten der Anlagenbetreiber ausgegangen sind. —
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Fernsteuerbarkeit von Erzeugungsanlagen ist der falsche Weg!!
Wäre es nicht zielführender, innerhalb der Sektoren die steuerbaren Verbraucher, wie PKW-Ladung und oder Wärmepumpen, deren Zahl zukünftig mit Sichrheit zunehmen werden, entsprechend der Netzverfügbarkeit leistungsorieniert zu steuern, anstatt die so wichtige Herstellung von E-Energie im Bedarfsfall abzuregeln?
Bislang ist es der nach meiner Auffassung der komplett falsche Ansatz, das E-Energie immer und überall ausreichend verfügbar sein müsse!
Energieversorger sollten dringend dazu übergehen, wieder gestaffelte Tarife einzuführen, die entsprechend die Zeiten des Verfügbarkeitsengpasses einer Erzeugungs-Kapazität abbilden sollten.
Durch diese bisherige Philosophie werden nur die ausreichende Überkapazität alte Kraftwerke berücksichtigt.
EE wird abgeregelt wenn die Netze drohen überlastet zu werden. Das muss einfach passieren denn sonst riskieren wir einen blackout. Es gilt nach wie vor der Einspeisevorrang für EE.
Wir haben zur Zeit über 100GW erneuerbare Erzeuger, oft aber nur eine Last von 30GW. Den letzteren Wert könnte man durch Demand-Side-Management nur unwesentlich erhöhen. Und das Mißverhältnis wird mit steigendem Zubau immer größer werden. Nur weil es selten ist, dass die Erneurbaren alle mit 100% erzeugen, muss bisher wenig (ca.3%) abgeregelt werden. Wenn das aber bei weiterem Zubau nicht überhand nehmen soll, müssen wir in Zukunft genug Speicher und Elektrolyse-Anlagen ans Netz bekommen, die immer dann, wenn zu viel Strom im Netz ist, ihre Leistung hochfahren. Trotzdem wird es Abregelung immer geben, weil es sich nicht lohnt, Kapazitäten für die letzten paar Prozent zu schaffen, die aber nur selten zum Einsatz kommen.
Chris sagt:
EE wird abgeregelt wenn die Netze drohen überlastet zu werden. Das muss einfach passieren denn sonst riskieren wir einen blackout. Es gilt nach wie vor der Einspeisevorrang für EE.
@ Chris.
Es gilt der Einspeisevorrang da haben Sie Recht. Aber seit 2010 der Ermächtigungsverordnung zum EEG, nicht mehr der vorrangige Verbrauch der EE.
Siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichsmechanismusverordnung
Als die EE noch den Lastprofilen der Versorgern zwingend zugeteilt wurden, waren es konventionelle Kraftwerke die abgeregelt werden mussten um die Netze nicht zu überlasten.
Vom IWR im Folgenden treffend beschrieben.
Zitat:…Der steigende Anteil erneuerbarer Energien hat am Spot- und Terminmarkt zu immer niedrigeren Strom-Einkaufspreisen geführt. Grund ist ein von der Politik beschlossener Wechsel der EEG-Lieferung ab 2010 (Wälzungsmechanismus). Bis 2009 erhielten die Stadtwerke den EEG-Strom als sog. EEG-Stromband monatlich tatsächlich physisch geliefert, so dass die großen Vorlieferanten (RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW, etc.) auch faktisch weniger an die Stadtwerke liefern konnten. Seit 2010 muss der EEG-Strom an der Börse verkauft werden und das hat weitreichende Folgen: RWE, E.ON & Co. beliefern Stadtwerke seit 2010 wieder weitgehend vollständig mit konventionellem Strom, der EEG-Strom an der Börse kommt zusätzlich auf den Markt und drückt auf die Preise….Zitat Ende.
Das folgende ist keine Werbung sondern zeigt das auch die Anbieter eine Lösung anbieten:
https://www.wemag.com/oekostrom-direkt
Zitat: WEMAG Ökostrom Direkt: Einspeisen oder selbst verbrauchen
Wir machen Sie bereit für die Zeit nach der EEG-Einspeisevergütung.
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