Fünf Tage lang hielt sich Johann Wolfgang von Goethe 1785 in der oberfränkischen Kleinstadt Wunsiedel auf, um sich wissenschaftlichen Studien zu widmen. Der Dichter beschäftigte sich zeit seines Lebens intensiv mit Fragen der Technik. Sehr wahrscheinlich, dass Goethe, würde er heute leben, bei einer Reise in die Region auch den Energiepark von Wunsiedel besucht hätte. Der Dichter hätte dort einige Schlüsseltechnologien der Energiewende zu sehen bekommen, unter anderem einen 8,4-Megawatt-Batteriespeicher – und demnächst auch einen großen Elektrolyseur.
Siemens Smart Infrastructure will hier zusammen mit dem lokalen Partner WUN H2 eine Anlage zur Erzeugung von Wasserstoff installieren, die in der ersten Ausbaustufe eine Leistung von sechs Megawatt hat. Sie soll 900 Tonnen Wasserstoff pro Jahr liefern. Im Vollausbau sind bis zu 2000 Tonnen möglich, teilt Siemens mit. Der Spatenstich ist für Ende dieses Jahres geplant, Ende 2021 soll der Elektrolyseur in Betrieb gehen.
Betrieben werden soll die Anlage – ein Silyzer 300 von Siemens Energy – ausschließlich mit Solar- und Windstrom. Im Raum Wunsiedel sind zahlreiche Windräder und Photovoltaik-Anlagen installiert. Die Anlage hilft, Netzengpässe zu entschärfen sowie Flexibilität für das Stromnetz bereit zu stellen. Die bei der Elektrolyse anfallende Niedertemperatur-Abwärme sowie der Sauerstoff soll von nahe gelegenen Industriebetrieben verwertet werden.
Der Wasserstoff wird für die lokale Distribution in Druckgasbehälter befüllt und über LKW-Trailer an lokale und regionale Endkunden, im Wesentlichen in den Regionen Oberfranken, nördliche Oberpfalz, südliches Thüringen und Sachsen sowie Westböhmen (Tschechische Republik), geliefert. Die Partner erwägen zudem, im Energiepark später auch eine öffentliche Wasserstofftankstelle für LKW und Busse einzurichten.
„Wir wollen lokal bereits jetzt verwirklichen, was in Deutschland bis zum Jahr 2050 angestrebt wird, nämlich eine vollständige Energiewende über alle Sektoren hinweg“, sagte Uwe Bartmann, CEO Siemens Deutschland und CEO Smart Infrastructure Regional Solutions & Services Deutschland.
Der Siemens-Elektrolyseur arbeitet mit dem so genanntem PEM-Verfahren. Der Name ist abgeleitet von der protonenleitenden Membran, der sogenannten Proton-Exchange-Membrane. Sie ist durchlässig für Protonen, aber nicht für Gase wie Wasserstoff oder Sauerstoff. Damit übernimmt sie in einem elektrolytischen Prozess unter anderem die Funktion des Separators, der die Vermischung der Produktgase verhindert. Im Vergleich zur traditionellen Alkali-Elektrolyse ist die PEM-Technologie ideal geeignet, um fluktuierenden Wind- und Solarstrom aufzunehmen, da eine hoch dynamische Betriebsweise möglich ist.
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Um mit 6 MW in einem Jahr 900t H2 herzustellen, muss die Anlage bei einem angenommenen Energiebedarf von 55 kWh/kgH2 (Energieinhalt eines Kilos H2 sind 33kWh) 8250 Stunden, also praktisch rund um die Uhr laufen. „Flexibilität“ ist etwas anderes. Man sollte sich von solchem Hochglanzprospekt-Wortgeklingel nicht ins Bockshorn jagen lassen. Zur Zeit wandelt sie also auch Kohle- und Kernkraftstrom in „grünen“ Wasserstoff um.
Bei dem gegenwärtigen Ausbaustand der H2-Infrastruktur ist es aber auch noch gar nicht nötig, „flexibel“ zu sein. Die sollen ruhig ihre Erfahrungen mit dem Betrieb machen, und, damit es nicht zu teuer wird, die Anlage bis zum maximal möglichen auslasten. Die Flexibilität wird erst benötigt, wenn wir einige GW Elektrolyseure im Netz haben. Dann wird sie auch zur Wirtschaftlichkeit der Anlage beitragen, denn im Augenblick muss diese den Strom ja zum Durchschnittspreis beziehen. Wenn sie nur supergünstigen Strom zu Überproduktionszeiten der EE bezieht, wird der Wasserstoff ganz von alleine günstig. Und bis 2030 werden wir sehr viele Zeiten solcher Überproduktion haben, wenn der EE-Zubau so erfolgt, wie die Bundesregierung in der EEG-Novelle skizziert hat. Aufgrund der administrativen Hürden für jede einzelne EE-Sparte ist zwar zu befürchten, dass dieser Zubau nicht kommt, solange die CDU an der Regierung beteiligt ist, aber nächstes Jahr gibt es ja Wahlen, da haben wir gute Chancen, dass wir einen grünen Bundeskanzler bekommen, und nicht eine „Klimakanzlerin“, die außer in wenigen Sternstunden ihrem Machterhalt alles andere opfert.
Wie Sie schon andeuteten: Die Anlage läuft möglichst „rentabel“, wenn sie durchlaufen kann.
Die von ihnen genannten „sehr vielen Zeiten“ wird es auch 2030 nicht geben, denn dazu sind die Volllaststunden (PV und Wind kombiniert) einfach viel zu niedrig. FFE rechnet mit <2000 im Jahre 2030, den Rest steht die teure Technik nutzlos herum.
Es wäre besser an Standorte zu gehen, wo 5000 VLH und mehr möglich sind. Dort wird dann es dann interessanter, aber sicher auch vermutlich nicht wirtschaftlich.
Das ist ein Dilemma: die EE-Anlagen werden dringend benötigt für die dauernde Stromproduktion und können einfach davon viel zu wenig an PtX abgeben.
Für 2030 wären 2000h schon ein sehr guter Wert. Außerdem ist das ganze natürlich komplexer, als dass man es auf einen eindimensionelen Wert zurückführen könnte. Wir sind zur Zeit beim Strom (ohne Corona) bei etwa 45% EE-Anteil und haben unter 1% Stunden mit mehr EE-Produktion als es dem Bedarf entspricht. Von den bis 2030 geplanten 20% mehr wird vieles zu Zeiten produziert, wo man weiterhin unter dem Bedarf bleibt. Dafür wird es Tage geben, wo der Überschuss ein mehrfaches des Bedarfs ausmacht. Ein Teil davon wird wie gehabt abgeregelt oder exportiert, ein nicht unwesentlicher Anteil aber auch in Kurzzeitspeicher übernommen. Wenn die dann wieder planmäßig entladen werden, um für den nächsten Überproduktionsschub genug Aufnahmekapazität zu haben, wird das die Zeit, in der Strom für die Elektrolyse zur Verfügung steht, verlängern.
Damit das auch realisiert wird, braucht es geeignete Marktstrukturen, die erwähnten Kurzzeitspeicher, EE-Anlagen und Elektrolyseanlagen. Nichts davon gibt es heute und die Bundesregierung mauert bei allem. Schon von daher ist das ganze sehr ungewiss, und überhaupt nicht seriös abschätzbar.
Hallo,
Vorweg:
Ich habe nichts gegen Pilotanlagen zur Wasserstoffgewinnung aus Strom im Jahr 2021 und glaube, dass bei aktueller Ausbauplanung der erneuerbaren Energien in Deutschland die ersten Produktionsanlagen ab 2035 auch für die Umwelt sinnvoll sein können.
Aber:
Diese Anlage im Jahr 2021 mit folgenden Worten zu verkaufen ist ein Hohn für jeden, der an eine intakte Umwelt Interesse hat. „Wir wollen lokal bereits jetzt verwirklichen, was in Deutschland bis zum Jahr 2050 angestrebt wird, nämlich eine vollständige Energiewende über alle Sektoren hinweg“.
Bei der angegebenen Jahresmenge und der Leistungen wird eine Benutzungsstundenzahl von ca. 8.000 erwartet. Da kann zurzeit nur ein kleiner Anteil aus überschüssigen erneuerbaren Energien erzeugt werden. Daher muss man für die CO2-Bilanz annähernd den Deutsche Strommix zugrunde legen. Bei den Umwandlungsverlusten ist ein Auto, das mit diesem Wasserstoff betrieben wird, in den nächsten Jahren für die Umwelt nicht besser als ein Dieselauto (anfangs eher schlechter) und das wahrscheinlich zu erheblich höheren Kosten. Bis nach 2030 ist es sehr viel umweltschädlicher als ein BEV, selbst wenn dieser mit reinem Kohlestrom betrieben würde.
Danke für den intelligenten Kommentar. Ich hätte dazu noch 2 Fragen:
Haben Sie auch den Energieverbrauch für die Herstellung von Diesel mit eingerechnet? Und wie sieht es mit der Abgasbelastung durch Dieselfahrzeuge aus?
Viele Grüße
Dieses ist ein verzweifelter Hilferuf an die Universitäten und deren Professoren, sich jetzt endlich mal mit entsprechenden Untersuchungen zum Sachstand der Energiewende zu widmen!
Es kann nicht sein, dass die Energieumwandlung mittels Wasserstoff-Technologie wie oben in ein- zwei Sätzen klein geredet wird.
Vision:
Überproduktion von PV und Wind wird von Elektroseuren „abgefangen“ und in Speichern geladen.
Bei Bedarf wird gerade gespeicherter Wasserstoff zur Stabilisierung ders Netzes verstromt und auch angemessen vergütet!
Wo bleiben die wissenschaftlichen Beiträge?
Appell an Gastschreiber
Bitte bringen Sie hier mehr Infos zur Betriebsweise der bestehenden Elektroseuren und deren Grenzen mit ein; Danke!
Das Problem ist die falsche Rechenmethode bei der Rentabilität. Ein Elektrolyseur ist eine Maschine die man in Betriebsstunden kalkulieren sollte, wie man das früher mal machte. Bei weniger Nutzung entsteht auch weniger Bedarf an AfA (Absetzung für Abnutzung). Leider wird aber immer nur in festen jährlichen AfA-Beträgen gerechnet. Das moderne ROI (Return On Invest) Denken ist hier leider kontraproduktiv. In Niedrigzinszeiten ist die Kapitalvorhaltung da kein Problem.
Bei einem Endausbau für eine EE-Vollversorgung sind 8000 Bh nicht unrealistisch. Wenn man die heutige Deckung einfach nur hochskaliert, erkennt selbst der Laie, dass die Zeiten mit EE-Überschuss mindestens 80-90% der Jahresstunden sein werden. Dadurch steigen nicht nur die Bh, es fällt auch die benötigte Leistung und Jahreskapazität. Es wird sicher nicht jede Überschussspitze verwertet werden müssen und können.
Wenn man das Datenblatt von Siemens zum PEM-Elektrolyseur studiert, sieht man die Flexibilität. Er soll bei 5% bis 100% Stromzufuhr funktionieren (ob die 5% immer vorhanden sein müssen steht leider nicht dort). Es gibt also kein An (Volllast) und Aus (keine Elektrolyse), sondern ganz viel Zwischenschritte.
Auch steht dort nichts mit Nennleistung, sondern dass er 100 – 2.000 kg pro Stunde H2 erzeugen kann. Das würde bei Volllast 450 Stunden entsprechen. Wie sich die Nennleistung definiert, wird leider nicht erklärt.
Im Artikel steht auch, dass er zur Netzstabilität dienen soll, was wohl auch seine Primäraufgabe ist.