Wie viel Erneuerbare braucht Deutschland für 100 Prozent bis 2030?

Hans-Josef Fell

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Am Mittwoch hat das Bundeskabinett eine erneute Reform des EEG verabschiedet, mit der sich nun der Bundestag befassen muss. Wie jede vorherige der unter Kanzlerin Merkel verabschiedeten Novellen, würde auch diese eine massive Verschlechterung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit sich bringen. Das lässt sich beispielsweise daran erkennen, dass das Kabinett vorschlägt, nun auch Ausschreibungen für Photovoltaik-Dachanlagen über 500 Kilowatt einzuführen. Damit würde auch der Ausbau dieses bisher noch einigermaßen gut laufenden und wichtigen Segments der größeren Dachanlagen massiv einbrechen und den vielen engagierten bürgerlich-kommunalen Investoren die Grundlage entziehen. Die selbstlobenden Worte von Wirtschaftsminister Altmaier, diese EEG-Novelle sei ein „klares Zukunftssignal für mehr Klimaschutz und mehr Erneuerbare“,  kann man nur als unverantwortliche Täuschung der Öffentlichkeit bezeichnen. (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2020/09/20200923-altmaier-eeg-novelle-2021-klares-zukunftssignal-fuer-mehr-klimaschutz-und-mehr-erneuerbare.html)

Gero Rueter, Journalist bei der Deutschen Welle, hat einen klaren Artikel dazu geschrieben, warum das in der EEG-Novelle vorgesehene Ziel von 65 Prozent Ökostrom bis 2030 nicht in der Lage ist, das Klimaschutzziel von 1,5 Grad Celsius einzuhalten. Darin auch enthalten, eine erste grobe Abschätzung der EWG, die aufzeigt, dass Deutschland aus Gründen des Klimaschutzes vielfach höhere jährliche Ausbauziele benötigt, um in allen Energiesektoren (Strom, Wärme, Verkehr, Industrie) bis 2030 100 Prozent erneuerbare Energien zu erreichen.
(https://www.dw.com/de/eeg-streit-um-klimaschutz-wie-viel-erneuerbare-energien-windkraft-photovoltaik-braucht-deutschland/a-55026398)

Lesen Sie hier den wichtigen Beitrag der Deutschen Welle:

Streit um Klimaschutz:
Wie viel Erneuerbare braucht Deutschland?

Die Erderhitzung stoppen, bis 2050 soll Deutschland klimaneutral sein. Kohle, Öl und Gas müssen ersetzt werden. Dafür wird viel Wind- und Solarstrom gebraucht. Doch am Ausbauplan der Regierung gibt es Kritik. Warum?

Wie viel Solar- und Windstrom braucht Klimaneutralität?

Die Energieversorgung ohne Kohle, Öl und Gas ist machbar, die Technologien sind da: Solarmodule und Windanlagen sollen die Hauptpfeiler der Stromerzeugung werden, der Verkehr rollt mit Elektromotoren, Wärmepumpen heizen mit Strom und mit Strom wird aus Wasser Wasserstoff für die Industrie produziert und auch synthetisches Kerosin für den Flugverkehr lässt sich herstellen.

Forscher sind sich einig: Strom übernimmt in einem klimaneutralen Energiesystem eine sehr zentrale Rolle. Im Vergleich zu heute wird laut Studie von Fraunhofer ISE dafür zwei bis 2,5 Mal mehr Strom in Deutschland gebraucht.

Heute gibt es in Deutschland Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 63 Gigawatt (GW) und Solarmodule auf Dächern und Wiesen mit einer Gesamtleistung von 52 GW. Zusammen mit Biogas (8 GW) und Wasserkraft (3 GW) decken die Anlagen rund die Hälfte des deutschen Strombedarfs.

Für eine komplette klimaneutrale Energieversorgung würde im Vergleich zu heute laut der Studie rund fünfmal mehr Windkraft (295 GW) und neunmal mehr Photovoltaik (450 GW) in Deutschland gebraucht.

Wie schnell zur Klimaneutralität?

Deutschland soll laut Bundesregierung bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens reicht der bisher eingeschlagene Regierungskurs jedoch nicht, betont der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung berät.

Der SRU empfiehlt der Bundesregierung die Planungen zur Einhaltung des Klimaziels am tatsächlich verfügbaren CO2-Budget auszurichten, das noch maximal in die Atmosphäre emittiert werden sollte. Für das 1,5 Grad-Ziel müsste Deutschland laut SRU bei einer linearen CO2-Reduktion bereits bis 2032 klimaneutral sein.

Wissenschaftler, Bürgervereine und Klimaschützer wie Parents for Future fordern aktuell in einem gemeinsamen Brief an die Bundesregierung einen entsprechend schnellen Ausbau von Windkraft und Photovoltaik zur Umsetzung des Pariser Klimaziels. Bis 2030 müsse die Stromversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umgestellt sein.

Was plant die Bundesregierung?

Gesteuert wird der Ausbau der Erneuerbaren mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Vor 20 Jahren trat es in Kraft. Die damalige rot-grüne Bundesregierung ermöglichte Bürgern mit wenig Aufwand Investitionen in Wind- und Solaranlagen und sorgte so für einen Boom der erneuerbaren Energien. Weltweit wurde das EEG-Gesetz kopiert.

Unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde das EEG mehrfach verändert und der Ausbau der erneuerbaren abgebremst. Durch eine strikte Begrenzung des jährlichen Zubaus, Kürzungen der Vergütungssätze, mehr Bürokratie und einem komplizierten Bewerbungsverfahren für Anlagenbau, wurden Investitionen komplizierter und unattraktiv. Viele Bürger und Unternehmen zogen ihre Planungen zurück. Der jährliche Zubau von Photovoltaik von rund acht GW (2010 bis 2012) brach folglich ein auf rund einen GW (2014 bis 2017) und bei der Windkraft von rund sechs GW (2015 bis 2017) auf zwei GW in 2019.

Mit Gesetzesänderungen beim EEG soll nun der jährliche Zubau von Windkraftanlagen an Land und im Meer wieder ansteigen auf durchschnittlich knapp fünf GW pro Jahr.

Für den Ausbau von Photovoltaik sieht das federführende Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) keine Steigerungen mehr vor. Der Zubau wird in diesem Jahr bei rund fünf GW liegen. Auf ähnlichem Niveau soll der Ausbau in den nächsten Jahren begrenzt werden.

Das BMWi geht in seinen Berechnungen davon aus, dass trotz zunehmender Elektromobilität, zunehmendem Bedarf an Wasserstoff und Strom für Wärmepumpen der Strombedarf in Deutschland bis 2030 insgesamt sogar leicht sinken soll. Unter diesen Annahmen soll der Anteil von Ökostrom im deutschen Strommix bis 2030 auf 65 Prozent steigen.

Wie kommen die Planungen zum EEG an?

Wissenschaftler, Umweltverbände, Klimaschützer, GrüneLinkeVerbände der erneuerbaren Energien und Stadtwerke üben scharfe Kritik am Gesetzesentwurf zum EEG. Die Annahmen des BMWI zum sinkenden Strombedarf bis 2030 wären falsch. Stattdessen würde mehr Strom für Verkehr, Wärmepumpen und sauberen Wasserstoff gebraucht. Und dieser Mehrbedarf erfordere einen stärkeren Ausbau von erneuerbaren Energien. Auch für das Pariser Klimaschutzziel zur Begrenzung auf möglichst 1,5 Grad müsste der Ausbau wesentlich höher sein.

Zukünftig solle der Ausbau der Erneuerbaren nicht mehr behindert, sondern beschleunigt werden. Erforderlich seien einfache Gesetze mit weniger Bürokratie und starken Anreizen für Investitionen der Bürger vor Ort, heißt es in den Reaktionen von Experten und Verbänden.

Ein sehr großes ungenutztes Potential für die Solarkraft gebe es zum Beispiel auf den Dächern von Gebäuden und Fabriken. Laut einer aktuellen Studie von Energy Brainpool im Auftrag der Elektrizitätswerke Schönau könnten alleine dort in den nächsten 10 Jahren, Module mit einer Gesamtkapazität von bis zu 100 GW Photovoltaik zusätzlich installiert werden. Bislang liegen auf den Dächern rund 40 GW. Mieter und Eigentümer könnten zudem bei einer entsprechenden Gesetzesänderung vom günstigen Solarstrom profitieren und an der Energiewende partizipieren.

In den nächsten Wochen wird der Bundestag über die geplanten Gesetzesänderungen beraten und entscheiden.

Hiermit endet der Artikel „Streit um Klimaschutz: Wie viel Erneuerbare braucht Deutschland?“ von Gero Rueter.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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