Billige Zulieferer statt freie Prosumer?

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Die von Peter Stratmann im Auftrag der Bundesnetzagentur erstellten Vorschläge zur „Marktintegration ausgeförderter und neuer Prosumer-Anlagen“ haben monatelange Diskussionen und auch Streit zwischen Energiewende-Akteuren ausgelöst. Möglicherweise sogar nicht ganz unbeabsichtigt, denn die Darstellung war derart intransparent und unklar, dass teilweise nicht erschlossen werden konnte, was überhaupt gemeint ist. Schon der im Titel verwendete Begriff „Prosumer-Anlagen“ führt in die Irre, denn es geht darum, das Prosuming abzuschaffen.

Als Anlass dient das jetzt beginnende Auslaufen der 20-jährigen garantierten Einspeisevergütung. Hier liegt es nahe, auf Eigenverbrauch umzusteigen und damit Einsparungen zu erzielen, die oberhalb von denkbaren Einspeisevergütungen liegen. Das ist die Zwickmühle, die die Architekten des Strommarktes selbst gebaut haben: Je höher der Strompreis und je niedriger die Einspeisevergütung, umso lukrativer wird der Eigenverbrauch.

Den Wechsel vom Einspeiser auf den Prosumer zu verhindern, ist das Anliegen des Konzepts der Bundesnetzagentur.

Mit „Modell 3“ wird der physische Eigenverbrauch zwar formell erlaubt, durch Auflage einer monatlichen Grundgebühr von 14,60 Euro pro installiertem Kilowatt aber obsolet gemacht.

Stattdessen soll der Solarstrom vollständig ins Netz eingespeist werden – gegen eine Vergütung, die weit unterhalb der Einsparung durch Eigenverbrauch liegt.

Es handelt sich um ein neues Kapitel im Kampf der Konzerne für den Erhalt von Geschäftsfeldern in einer Welt, die zunehmend von den Erneuerbaren geprägt wird: Die Konzerne wollen Dirigenten eines allumfassenden, zentralen Netzes sein. Die dezentralen Photovoltaik-Betreiber sollen ihnen ihren Solarstrom billig überlassen, die Netzbetreiber verkaufen ihn mit Gewinn weiter. Der freie Prosumer mutiert zum Billigzulieferer der Konzerne.

Es ist wie in der Landwirtschaft: die Milch wird bei den Bauern gegen kleines Geld vom Tankwagen abgeholt, die Lebensmittelkonzerne machen den Reibach.

Die Grünen haben das Bundesnetzagentur-Konzept bereits 1:1 in den Entwurf ihres neuen Grundsatzprogramms übernommen. Ziffer 59:

Erneuerbare sind dezentral in der Erzeugung, aber eine Versorgung mit erneuerbaren Energien wird leichter sicherzustellen sein, je größer der Raum ist. Unser Kontinent hat die richtige Größe für die Energiewende.“

Wenn man gutwillig zur Leitungsebene der Grünen sein will, könnte man unterstellen, dass sie vielleicht aus Sorge, dass die Umstellung auf die Erneuerbaren mit der kleinteiligen Bürgerenergie nicht schnell genug vorankommt, den Einbezug der „Großen“ wollen, nach dem Motto „klotzen statt kleckern“.

Falls es derartige Erwägungen geben sollte, wäre aber davor zu warnen, das Heil bei denen zu suchen, die stets gegen die Energiewende gearbeitet haben. Zweck und Aufgabe von Kapitalgesellschaften ist nun mal nichts anderes, als die Quantität des Profits zu erhöhen. Bei der Energiewende – und überhaupt bei allen Herausforderungen, die durch die Klimaerwärmung hervortreten – geht es um qualitative Veränderungen der Art und Weise unseres Daseins auf diesem Planeten. Es geht um die Menschen.

Die Praxis des Ausbaus der Erneuerbaren zeigt das ganz konkret: Die mitunter mangelnde Akzeptanz der Windkraft hat in aller Regel etwas damit zu tun, dass fremde Investoren auftauchen, denen es nur um monetären Gewinn geht. Die ansässige Bevölkerung fühlt sich dadurch ausgenutzt und missbraucht. Wenn eine ortsansässige Bürgerenergiegesellschaft das Projekt durchführt und hierbei die Interessen der Nachbarn zuvorkommend berücksichtigt, ergibt sich eine völlig andere Situation.

Nach den Vorstellungen der Bundesnetzagentur (und der Leitungsebene der Grünen) den freien Prosumer zum Billigzulieferer zu degradieren und alles Weitere in die Hände der Konzerne zu legen, den ganzen Bereich also zu entmenschlichen, hätte verheerende  Auswirkungen auf die Energiewende.

Im Übrigen widerspricht das alles aber sowieso der EU-Richtlinie zu den Erneuerbaren Energien. Hierin heißt es zum Beispiel:

  • Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass „Verbraucher … Anspruch darauf haben, Eigenversorger im Bereich erneuerbare Elektrizität zu werden“. Art. 21 (1)
  • Eigenversorger sind berechtigt „erneuerbare Energie einschließlich für die Eigenversorgung zu erzeugen und die Überschussproduktion … zu speichern und … zu verkaufen, ohne dass ….. die eigenerzeugte Elektrizität aus erneuerbaren Quellen, die an Ort und Stelle verbleibt, diskriminierenden oder unverhältnismäßigen Verfahren und jeglichen Abgaben, Umlagen oder Gebühren unterworfen ist“ 21 (2)a)ii)
  • „Mitgliedstaaten schaffen einen Regulierungsrahmen … mit der Zielsetzung, dass
    • dafür gesorgt wird, dass alle Endkunden, einschließlich einkommensschwacher oder bedürftiger Haushalte, Zugang zur Eigenversorgung mit erneuerbarer Elektrizität erhalten …
    • für Gebäudeeigentümer Anreize gesetzt werden, um Möglichkeiten der Eigenversorgung mit erneuerbarer Elektrizität, auch für Mieter, zu schaffen“ 21 (6)a)d)
  • „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sich Endkunden und insbesondere Haushalte … an einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft beteiligen dürfen, ohne ungerechtfertigten oder diskriminierenden Bedingungen oder Verfahren unterworfen zu sein“. Art. 22 (1)
  • „Die Mitgliedstaaten schaffen einen Regulierungsrahmen, der es ermöglicht, die Entwicklung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften zu unterstützen und voranzubringen. Mit diesem Rahmen wird unter anderem sichergestellt, dass ungerechtfertigte rechtliche und verwaltungstechnische Hindernisse für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften beseitigt werden“ 22 (4)a)

Diese Richtlinie muss bis spätestens Juni 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden. Vermutlich hat die Bundesregierung vor, dies im Zuge der anstehenden Novellierung des EEG zu tun. Aufgrund der Erfahrung mit bisherigen Novellierungen, die als „Deformationen“ des ursprünglichen EEG gekennzeichnet werden mussten, ist zu befürchten, dass die Bundesregierung auch die EU-Richtlinie in einer Weise umsetzen will, die als Deformation von Absicht und Geist der Richtlinie zu bezeichnen sein wird.

Es dürfte daher nicht verkehrt sein, wenn alle Kräfte, die die Bedeutung der Energiewende erkannt haben, den Gesetzgeber unmissverständlich wissen lassen, dass sie eine Umsetzung ohne Abstriche der genannten Punkte erwarten.

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung,  Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Seit 2013 verfügt der stellvertretende Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ im Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über eine 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.

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