Solarindustrie kommt zurück nach Deutschland

Hans-Josef Fell

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Mit hoher Geschwindigkeit treibt Gunter Erfurt, neuer CEO der Schweizer Meyer Burger Technology AG, den Aufbau einer neuen Solarzellen- und Modulproduktion in Deutschland voran. In Bitterfeld-Wolfen, Sachsen-Anhalt und Freiberg, Sachsen, den ehemaligen Standorten der Solarfirmen Sovello und Solarworld, will Meyer Burger bereits im ersten Halbjahr 2021 mit der Produktion beginnen, jährlich 400 MW in der Solarzellenproduktion und 400 MW in der Modulproduktion. Der weitere Ausbau soll dann bis auf 5 GW jährlich ansteigen. Gefertigt werden Solarmodule der nächsten Generation (Heterojunction), die mehr Leistung pro Fläche und einen wesentlich höheren Energieertrag gegenüber der aktuellen Standardtechnologie vorweisen. (https://www.pv-magazine.de/2020/07/10/meyer-burger-macht-ernst-standorte-fuer-neue-zell-und-modulfabrik-mit-je-400-megawatt-stehen-fest/)

Das Unternehmen ist Weltmarktführer in der Maschinenausstattung für Solarzellenfabriken und hat die neue hocheffiziente Solarzellen-Technologie selbst entwickelt. Diese Zellen sollen nun nicht mehr wie bisher in fernöstlichen Solarfabriken produziert werden, sondern ausschließlich in den Fabriken von Meyer Burger, in Deutschland. (https://www.meyerburger.com/de/unternehmen/
medien-center/news/meyer-burger-technology-ag-will-sich-vom-maschinen
anbieter-zu-einem-technologisch-fuehrenden-hersteller-von-solarzellen-und-solarmodulen-wandeln-kapitalerhoehung-mit-bruttoerloes-von-chf-165-millionen-geplant/
)

Eine eigene Solarzellenproduktion in Deutschland wird für die europäischen Solarinvestitionen und damit für den Klimaschutz erhebliche Vorteile bringen. Die Corona-Wirtschaftskrise hat in aller Deutlichkeit aufgezeigt, welche Nachteile die Abhängigkeit von fernöstlichen Fertigungsstellen mit sich bringt: Die Unterbrechung von Lieferketten. Der Ausbau der Solarenergie in der EU wurde auch deshalb gedrosselt. Zudem schaffen neue heimisch Solarfabriken auch neue Arbeitsplätze, die in der Wirtschaftskrise dringend gebraucht werden.

Das private Investment von Meyer Burger ist erfolgversprechend: So stellen die Herstellungskosten in Fernost keinen wesentlichen Wettbewerbsvorteil mehr dar. Die heimische Produktion verringert zudem schon alleine wegen des Wegfalls der langen Überseetransporte die Emissionen erheblich. Auch fallen die Transportkostenanteile von China nach Europa von knapp 10% weg. (https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/news/2019/studie-comeback-der-europaeischen-solarindustrie-ist-moeglich.html)

So will Meyer Burger in den nächsten Jahren 3000 neue Arbeitsplätze an den Standorten in Sachsen und Sachsen-Anhalt aufbauen. Damit werden im Mitteldeutschen Revier alleine durch diese Solarinvestition knapp die Hälfte, der durch den Kohleausstieg verursachten, zukünftigen Arbeitsplatzverluste kompensiert. Die beiden Bundesländer werden damit zu den Gewinnern des Investments zählen. (https://www.lvz.de/Region/Borna/7000-Beschaeftigte-vom-Kohleausstieg-betroffen)

Es ist unglaublich zu sehen, dass es dafür bislang keine Förderzusagen, in Aussicht gestellte Förderungen oder wenigstens politische Unterstützung von Seiten der Bundesregierung gibt. Dabei wäre eine solche Firmenansiedlung doch eine Blaupause für gelungenen Strukturwandel in der Region und für eine Förderung durch die im Kohleausstieg bereitgestellten Milliarden als Unterstützung für eben jenen strukturellen Wandel. Auch die Europäische Kommission hat klar signalisiert, dass es für Investitionen in Solarfabriken in der EU keine Förderungen geben wird, trotz der großen Debatte um einen European Green Deal.

Gerade deshalb ist es dem Management von Meyer Burger hoch anzurechnen, dass die notwendigen Investitionen dennoch getätigt werden sollen, rein privatwirtschaftlich. Die Aktionärsversammlung hat bereits am letzten Freitag den Weg frei gemacht für eine Kapitalerhöhung in Höhe von 165 Millionen Schweizer Franken, um die Investitionen an den neuen Standorten zu ermöglichen. Alle, die Klimaschutz mit heimischer statt fernöstlicher Wertschöpfung wollen, sind nun in der Lage die Kapitalerhöhung zu unterstützen. Wenn sie gelingt, dann wird die weiterhin anhaltende, unglaubliche Blockade der Solarindustrie durch die deutsche Bundesregierung und die Europäische Kommission durch engagiertes privates Investment ausgehebelt.

Wir erinnern uns: Im letzten Jahrzehnt haben Bundesregierung und Europäische Kommission alles getan, um dem einstigen Weltmarktführer Deutschland in der Solarindustrie zu schaden. Noch 2012 kamen, dank des EEG, 8 der 10 größten Solarunternehmen der Welt aus Deutschland. Heute befindet sich unter den 30 größten kein einziges deutsches Unternehmen mehr. Bundesregierung und Europäische Kommission hatten die Solarindustrie nach China verjagt.

Zwei entscheidende politische Aktivitäten waren hier ausschlaggebend:

  1. Die Dezimierung des blühenden Solarmarktes in Deutschland von 8 GW jährlichen Neuinvestitionen in 2012 auf unter 1,5 GW in 2014. Verantwortlich waren Gesetzesänderungen, wie die Umstellung auf Ausschreibungen bei Freiflächen und die Erhebung der EEG-Umlage auf selbsterzeugten Solarstrom sowie einige andere schlimme EEG-Novellierungen.
  2. Zweitens weigerte sich die EU-Ebene und die deutsche Regierung den deutschen Solarunternehmen im gleichzeitig massiv stattfindenden Wettbewerbsdruck aus China finanziell mit öffentlicher Finanzierungsunterstützung zum Beispiel über die KFW oder die EIB unter die Arme zu greifen, so wie es die Chinesen taten und wie es die deutsche Automobilindustrie etwa mit einer Abwrackprämie in ihren Nöten der Finanzkrise 2009 bekam.

Der politisch verordnete Entzug des heimischen Solarmaktes und die Weigerung die heimische Solarindustrie mit öffentlichen Finanzhilfen zu unterstützen, um der chinesischen Konkurrenz Paroli bieten zu können, waren der Genickbruch der deutschen und europäischen Solarindustrie.

Sehend wie die Solarwirtschaft in Deutschland zu Grunde gerichtet wird, hatte ich 2013 als MdB dem Bundestag ein Rettungsprogramm für die deutsche Solarwirtschaft vorgeschlagen. (https://hans-josef-fell.de/wp-content/uploads/
beschloss-und-positionspapiere/Rettung-der-Deutschen-Solarwirtschaft.pdf
)

Nichts davon wurde seitdem durch die Regierungskoalitionen aus CDU/CSU und SPD oder FDP umgesetzt. Und der Effekt war verheerend: Massenhafte Insolvenzen und der Verlust von über 70.000 Arbeitsplätzen in der Solarwirtschaft, wesentlich mehr als die Kohlewirtschaft in Deutschland auch damals noch bereitstellte.

Nun ergibt sich durch das mutige unternehmerische Engagement von Meyer Burger die einmalige und sicher in den nächsten Jahren nicht wiederkehrende Chance, die Solarindustrie nach Deutschland und in die EU zurück zu holen. Damit dies gelingt, braucht es unser aller Unterstützung: Für die Kapitalerhöhung von Meyer Burger, für politischen Druck auf Bundesregierung und Europäische Kommission endlich ihre irrwitzige Blockade der Solarwirtschaft aufzugeben und auch, dass wir alle wieder einen großen Binnenmarkt in Deutschland mit über 10 Gigawatt an jährlichem PV-Investment aufbauen.

Selbst daran will Meyer Burger aktiv arbeiten und beispielsweise Floating PV-Anlagen aus der eigenen Solarzellenproduktion auf den Tagebau-Seen der einstigen Braunkohlereviere installieren. Damit würden nicht nur in der Solarzellenproduktion neue Jobs entstehen, sondern auch im Aufbau und Betrieb von Solaranlagen sowie immer mehr Kohlestrom durch emissionsfreien Solarstrom ersetzt.

Auf diese Weise können Kohleausstieg, sozial gerechter Strukturwandel und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Das von der Bundesregierung kürzlich verabschiedete Kohlelaufzeitverlängerungsgesetz hat mit alledem jedenfalls wenig zu tun.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

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