Auch wenn viele Regierungen und Unternehmen sich das Ziel der Klimaneutralität auf die Fahnen geschrieben haben, so lassen sie doch meist Technologien für negative Emissionen in ihren Strategien außen vor. Doch diese sollten eher heute als morgen in den Blick rücken, meint Carsten Rolle, Geschäftsführer der deutschen Sektion des Weltenergierats. „Ohne die Integration von negativen Emissionen in Klimaschutzstrategien werden die Pariser Klimaziele nicht erreichbar sein. Umso drängender ist es für Politik und Gesellschaft, deren Weiterentwicklung und Anwendung zu diskutieren und zu fördern“, erklärt Rolle anlässlich der Präsentation des jährlich erscheinenden Berichts „Energie für Deutschland“.
Klimaneutralität ist im Pariser Klimaabkommen verankert als ein Gleichgewicht zwischen dem Ausstoß anthropogener Treibhausgasemissionen auf der einen und dem Abbau der Gase durch Senken auf der anderen Seite. Genau für diese Senken brauche es Technologien für negative Emissionen. Denn manche Emissionen der Industrie lassen sich kaum oder nur zu sehr hohen Kosten vermeiden. Dazu kommt die Notwendigkeit, Emissionen zu kompensieren, die durch Zeitverzug in den Klimaschutzbemühungen entstehen. „Je später das Ziel einer vollständigen Vermeidung aller anthropogenen Emissionen erreicht ist, desto höher wird später der Bedarf an negativen Emissionstechnologien beziehungsweise Senken sein“, erklärt Carsten Rolle.
Technologien für negative Emissionen stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung. Sie unterscheiden sich in den Kosten pro eingesparter Tonne CO2, in ihren physikalischen Grenzen und in ihrem Einfluss auf die Umwelt. Die Aufforstung ist derzeit die günstigste Variante mit 4,50 bis 45 Euro pro Tonne CO2. Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS) – also das Filtern von CO2 aus der Luft samt anschließender Endlagerung – ist mit einer Kostenspanne von 90 bis 270 Euro pro Tonne heute noch sehr kostspielig. Weitere Technologien sind etwa die Biomasseverstromung mit Carbon Capture and Storage (BECCS) oder das Binden von Kohlenstoff im Boden durch Biomassewachstum.
Selbst die ambitionierteren nationalen Klimapläne umfassen derzeit nur Maßnahmen zur Vermeidung von Treibausgasemissionen, so der Weltenergierat. In wenigen Ländern, etwa in Schweden und in der Schweiz, spielt der Einsatz von Carbon Capture, Utilization and Storage (CCUS) eine Rolle, allerdings im kleineren Maßstab. Kaum ein Land hat negative Emissionstechnologien in seine Strategien integriert. Eine Ausnahme ist Großbritannien, das sich als weltweit führender Anbieter von CCUS-Technologie in Kombination mit Biomasse positioniert.
Zu den Mitgliedern der deutschen Sektion des Weltenergierats zählen zahlreiche Verbände, Unternehmen und Forschungsinstitute der Energiebranche – der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) oder der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs e.V. (DVGW) genauso wie Eon, RWE, Siemens, Thyssenkrupp, Covestro oder 50Hertz.
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Angesichts von weltweit rd. 33 Milliarden t CO2 jährlich allein durch fossil betriebene Kraftwerke und den angeführten Kosten für negative Emissionen bleibt dieser Lösungsansatz wohl eine Fata Morgana.
Das Problem ist immer wieder, dass unrealistische Vorschläge die wirklich sinnvollen Maßnahmen verzögern und dies obwohl die fortschreitende Klimaerwärmung vor allem rasche Schritte erfordert.
Der wirklich sinnvollste Lösungsansatz wäre eine massive Beschleunigung der ohnehin vorgezeichneten Entwicklung hin zu erneuerbarer Energie.
Zuerst unnötigerweise große Mengen CO2 zu produzieren um sie dann mit enormen Kosten und Umweltproblemen (Energieverbrauch, ungelöste Endlagerung usw.) wieder aus der Luft filtern zu wollen ist eine eher fragwürdige Logik.
Im Gegensatz zu den praktisch unbezahlbaren Kosten dafür wäre PV zudem durch die Stromerzeugung ein gutes Geschäft.
Mit zielstrebig eingesetzter PV, besonders im Sonnengürtel der Erde, könnten innerhalb von 10 – 15 Jahren die meisten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Alle technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür sind inzwischen gegeben und werden laufend weiter verbessert. Was fehlt ist eine Mentalität wie jene, die in den 1960er Jahren die Mondlandung ermöglicht hat.
Die Ergänzung dieser Maßnahmen durch weltweite Aufforstungen wären ebenso ein Gewinn für die Umwelt und für alle Beteiligten.
Sicherlich bieten Erneuerbare einen sehr guten Lösungsansatz, um Treibhausgasemissionen im Bereich Energie zu vermeiden – nur sind rund ein Viertel aller Emissionen auf den nicht-Energiebereich zurückzuführen z.B. Landwirtschaft, Müll, industrielle Emissionen (Stahl, Zement). Die kann man teilweise durch Senken wie Wälder kompensieren, ob das ausreichen wird, weiß angesichts des Anstiegs der Emissionen aber keiner. Also warum sollte man jetzt auf Technologieoptionen verzichten, die wir dann 2030 umsetzen können? Gerade die stoffliche Nutzung von CO2 bietet im Zusammenspiel mit erneuerbaren Energien sehr interessante Anwendungsmöglichkeiten.
Die Frage stellt sich dazu, welchen energetischen Aufwand setzen wir für eine ähnliche Fortsetzung des bisherigen Lebenstils ein, um carbonneutrale Technologien, welche KlimagasAnreicherung in der Atmosphäre vermeiden, weniger fördern zu müssen?
Die Abwägung zwischen Versorgungsicherheit und technischer Erneuerung wird auch durch die unbekannten zukünftigen Technologiemöglichkeiten verändert. In diesem dynamischen Veränderungsprozess sollte man vorerst noch die KlimagasVermeidung (und damit die Abmilderung der klimatischen Folgeschäden weltweit) priorisieren. Kostengünstige bioaktive Methoden sind dabei meist kein zusätzlicher, großer Kostenfaktor, der energetische Aufwand günstig und trotzdem auch nicht uneingeschränkt zu empfehlen, wenn bspw. massive Aufforstung die Albedo heller Bodenregionen vermindert.
Die Menschen, welche die Mondlandung ermöglicht haben, waren in einer kooperationsbereiten Generation für globale Vorhaben begeisterungsfähig, wenn auch durch die große Systemkonkurrenz zwischen kapitalorientiertem Wettbewerbsmarkt und kommunistischer Versorgungs- und Entwicklungsplanung getrennt.
Was ändert sich, wenn europäische Versorgungskonzepte aus arabischen Ländern synthetische Kraftstoffe nachfragen werden?