Das Energiesystem der Europäischen Union hat bei vielen der jüngsten politischen Ereignisse eine zentrale Rolle gespielt. Nachdem in den ersten 100 Tagen der neuen EU-Kommission ein europäischer Green Deal ausgearbeitet wurde, parierten die Gesetzgeber einen Versuch, das Abkommen aufgrund des Covid-19-Ausbruchs auszuhebeln, mit einem 1,8 Billionen Euro schweren Konjunkturpaket, von dem ein Großteil zur Förderung des Clean-Tech-Sektors verwendet werden soll.
In der Folge stellten einige hochrangige EU-Beamte fest, dass die vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft den erheblichen Einsatz von Wasserstoff erfordern würde. Nun ist ein Entwurf der EU-Wasserstoffstrategie „Towards a hydrogen economy in Europe: a strategic outlook“ durchgesickert. Die Strategie soll am 8. Juli veröffentlicht werden, aber schon jetzt lassen sich einige klare Trends erkennen.
Grün, blau und grau
Der Plan stellt fest, dass eine europäische Wasserstoffstrategie die Nutzung von grünem Wasserstoff maximieren würde, räumt aber ein, dass blauer Wasserstoff aus Kostengründen zumindest in einer Übergangszeit eine Rolle spielen wird. Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien ohne jegliche Kohlenstoffemissionen hergestellt, während die blaue und die graue Version aus Erdgas gewonnen werden und daher Kohlenstoffemissionen freisetzen. Blauer Wasserstoff fängt Kohlenstoffemissionen wieder ein, speichert oder verwendet sie, um ihre Auswirkungen auszugleichen. Derzeit kann grauer Wasserstoff für nur 1,5 Euro pro Kilogramm produziert werden – ein Benchmark, den die EU mit grünem Wasserstoff erreichen will, um Preisparität zu erreichen. Der Plan sieht auch vor, dass die EU keinen grauen Wasserstoff verwenden wird.
Die Internationale Energieagentur IEA schätzt den Preis für grünen Wasserstoff derzeit auf etwa 3,50 bis 5 Euro pro Kilogramm. Die Kosten für saubere Energie und Elektrolyse sind hier die wichtigsten Preistreiber. Der Strategieentwurf erwähnt wiederholt das Potenzial für eine Wasserstoffwirtschaft in der Europäischen Union, was die Geopolitik und die Schaffung von Arbeitsplätzen auf nationaler Ebene betrifft. Derzeit hat die Wasserstoffwirtschaft in Europa einen Umsatz von 2 Milliarden Euro. Diese Zahl wird bis 2030 auf 140 Milliarden Euro sprunghaft ansteigen, begleitet von etwa 140.000 Arbeitsplätzen, die geschaffen werden könnten.
Der schnelle Ausbau der Kapazitäten ist ein entscheidender Teil der Strategie. In dem Papier wird anerkannt, dass die EU derzeit 9,8 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr produziert, verglichen mit einer weltweiten Jahresproduktion von 74 Millionen Tonnen. Außerdem sind nur 4 Prozent der europäischen Produktion umweltfreundlicher Wasserstoff.
Mit Zielvorgaben für den Mix aus grünem und blauem Wasserstoff für die Jahre 2030, 2040 und 2050 will die Strategie den Anteil des grünen Wasserstoffs in der Wirtschaft schrittweise erhöhen. Durch die Forcierung von zwei 40-Gigawatt-Projekten mit grünem Wasserstoff, die durch Sonne und Wind betrieben werden, weist die Strategie auf Größenvorteile hin, die den Preis für grünen Wasserstoff in einem noch zu definierenden Zeitraum auf 1 bis 2 Euro pro Kilogramm senken könnten. Des Weiteren müsse der Plan die Produktion von grünen Wasserstoff auf ein Niveau zu bringen, dass es erlaubt kosteneffizienter produzieren zu können, von einem substanziellen Ausbau der erneuerbaren Energien begleitet werden.
Dennoch scheint die Einführung von grünem Wasserstoff in Europa in großem Maßstab noch in weiter Ferne zu liegen. Die derzeitige Unterstützung des Sektors für eine Wasserstoffwirtschaft beläuft sich auf 4 Euro pro Kopf in China, 3 Euro in Japan, 0,75 Euro in den USA und nur 0,50 Euro in der Europäischen Union.
Benötigtes Geld
Dieser Geldmangel kann mit Hilfe von EU-Gremien wie Horizon Europe, dem Innovationsfonds, der Connecting Europe Facility, InvestEU und den Strukturfonds behoben werden. Der Umfang dieser Hilfe muss jedoch noch festgelegt werden. Der Plan sieht vor, die öffentlichen Ausgaben auf einem moderaten Niveau zu halten, indem die Nachfrage durch Industrien mit teuren oder gar keinen Mitteln zur Dekarbonisierung gefördert wird. In diesem Sinne schlägt die Strategie vor, grünen Wasserstoff als Treibstoff für Flugzeuge, Züge, Schwerlastwagen oder Schiffe zu verwenden. Darüber hinaus könnten die Düngemittel-, Stahl-, Chemie- und Zementindustrie zu wichtigen Abnehmern werden, um eine bedeutende anfängliche Nachfrage zur Ankurbelung der Wasserstoffwirtschaft zu erzeugen.
Es geht jedoch nicht nur um Ausgaben, sondern die Autoren sehen in der Generierung von Binnennachfrage eine Chance für die Europäische Union, die Technologieführung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, insbesondere aber in der Elektrolyseurtechnologie, übernehmen zu können. In einer Welt, in der grüner Wasserstoff kohlenwasserstoffbasierte Kraftstoffe ersetzen wird, glaubt die EU, dass sie ihre Bedeutung auf internationalen Foren und ihre Beziehungen zu ihren Verbündeten durch Wasserstoff stärken kann. In der Strategie wird etwa erwähnt, dass grüner Wasserstoff die Möglichkeit eröffnet, einen Maßstab für Wasserstofftransaktionen in Euro zu setzen, ähnlich wie Rohöl meist in US-Dollar gehandelt wird.
Zur weiteren Koordinierung der Strategie wird, ebenfalls am 8. Juli, eine Europäische Wasserstoffallianz gegründet. Das Bündnis wird sechs separate technologiebasierte sektorale CEO-Roundtables umfassen. Dahinter steht die Idee, die Säulen der Wasserstoff-Wertschöpfungskette darzustellen: Produktion, Übertragung, Mobilität, Industrie, Energie und Heizung. Gemeinsam wird das Bündnis die Umsetzung und Durchführung von Schlüsselprojekten, wie zum Beispiel ein Programm für sauberen Stahl, erleichtern.
Insgesamt wird in der Strategie ausdrücklich festgestellt, dass eine umfassende Wasserstoffstrategie für Europa nur erreicht werden kann, wenn die gesamte Wertschöpfungskette von der Nachfrage über die Produktion bis hin zur Infrastruktur und den Marktregeln berücksichtigt wird.
Neue Nachbarn
In jedem Fall bedeutet die Einführung von grünem Wasserstoff als Primärbrennstoff, dass die Europäische Union mit ihren Nachbarn wie Norwegen, Marokko, der Ukraine, Algerien und Ägypten neue Kooperationen für Wasserstoff anstelle von fossiler Brennstoffe für den Import eingehen kann. Darüber hinaus wurden auch die USA, Südafrika, Japan, Kanada und Australien als Partnerländer für eine Wasserstoffwirtschaft identifiziert.
Die Europäische Kommission ist sich auch bewusst, dass sie die Auswirkungen auf die Beziehungen und Verträge mit Drittstaaten in Bezug auf LNG-Terminals und Gaspipelines bewerten muss. Innerhalb Europas könnte das Gasnetz für den Transport von Wasserstoff genutzt werden, insbesondere für den grenzüberschreitenden Handel, der auf diese Weise erleichtert werden könnte, auch wenn die Kommission darauf hinweist, dass die Kosten dafür sorgfältig ermittelt werden müssen.
Gemeinsam mit der G 20, der IEA und anderen internationalen Gremien versucht die EU, einen frei zugänglichen, auf Regeln basierenden Markt für Wasserstoff zu schaffen, indem sie klare Kriterien für die Nachhaltigkeit des Brennstoffs festlegt. Darüber hinaus versteht die Europäische Kommission die Strategie als ein ergänzendes Dokument in ihrem umfassenderen Ensemble klimabezogener Politiken. Im September will die EU einen neuen Klimaplan für 2030 vorlegen, zu dem diese Wasserstoffstrategie einen Beitrag leistet. Im Juni 2021 ist zudem ein neues Gesetzespaket zu strengeren Klimazielen geplant, das die Wasserstoffstrategie erschließen soll.
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Für mich ein Irrsinn, ohne durchdachte Konzepte und ohne durchdachte Technologie.
Milliarden von Steuergeldern, ohne zu Ende gedachtes Konzept.
Mit Gewalt und mit viel Steuergeld soll eine Technologie in den Markt gedrückt werden.
Mit Ländern und und unberechenbaren Regierung außerhalb Europas und der EU, sogar bis nach Australien. Mit teilweise korrupten Regierungen, für die Menschenrechte ein Fremdwort sind!
Die EU verabschiedet sich von ihren Werten!
Haben den die Regierungen aus der Corona-Krise nichts gelernt, von nicht funktionierenden Lief- erketten?!
Und, der benötigte grüne Strom steht derzeit und auch in absehbarer Zeit weltweit nicht zur Verfügung, ohne die Versorgung mit Strom zu gefährden!
Wenn die genanten Länder mir ihrer derzeitigen und künftigen Stromproduktion größere Mengen (GW, TW) Wasserstoff erzeugen wollen, werden sie keinen Strom für ihre Stromversorgung zur Verfügung haben!
Und, worüber niemand spricht, Wasserstoff wird aus Trinkwasser gemacht?! Wo steht derzeit, weltweit genügend Trinkwasser zur Verfügung? Oder es muss Meerwasser entsalzt werde, was wieder zusätzliche Energie benötigt!
Und, Wasserstoff aus Trinkwasser ist ein Verbrechen an der Menschheit!
Zuerst lese ich hier mal eine gute Idee, eine neue Einstellung heraus. Das könnte dem Klimaschutz helfen. UND es ist besser als in Waffen und Umweltzerstörung zu investieren. UND bei all dem „Befürchteten“ wegen Lieferkennten etc. , es wir immer menschln. Also sage ich: Fürchtet euch nicht!!!!!
Lieferketten sollten erst bei erfolgreicher Initialisierung des generellen Projektes als Add-On in Gang gesetzt werden.
Hat Jemand einen Überblick, wieviel zus. bislang abgeregelter Strom zur Verfügung stehen würde und vorraussätzlich zur Wasserstofferzeugung Verfügung stehen könnte?
Wird das ausreichen?
Habe mal gelesen, dass 2019 in Deutschland 5 TerawattStunden nicht benötigte Windkraft abgeregelt wurde. Was das mengenmässig genau bedeutet, kann ich jetzt auch nicht aus dem Stand sagen (überschlagsmässig komme ich auf 25 Mio. PKW-Kilometer, was nur etwa für 2000 Fahrer genügen würde).
Mir scheint aber wichtig, daran zu denken, dass wir Photovoltaik und Windenergie noch mindestens auf das 4- bis 10-fache steigern wollen, um genügend nachhaltige Energie insgesamt zu erhalten. Damit ist absehbar, dass gewaltige Mengen an solcher Energie anfallen wird, die gerade zu diesem Zeitpunkt nicht gebraucht wird.
Angst wegen einer Wasserstoffwirtschaft ist völlig irrational. Das Schöne bei Wasserstoff ist die Unabhängigkeit aller Beteiligten. Da wir alle Energie und den Wasserstoff im eigenen Land herstellen könnten (andere Länder auch) und sogar bei der Technologie führend sein sollten, geht es für uns „nur“ um einen Weltmarkt in dem wir unsere Technologie verkaufen können. Aber es macht natürlich Sinn, einen Preiswettbewerb um die günstigste Lieferbarkeit von H2 zuzulassen. Globalisierung ist für uns als Exportland vorteilhaft. H2 aus dem Ausland kann also nicht teuerer sein, als derjenige den wir selber herstellen könnten. Übrigens würde ich befürworten, wenn wir aus den ärmeren südlichen EU-Staaten H2 kaufen würden, damit sich das Problem der Target2-Salden für uns löst. Immer nur Eportüberschuss funktioniert auf Dauer nicht.