Pro: Die sogenannte „Solarpflicht“ in Baden-Württemberg benachteiligt die Solarthermie massiv
Es handelt sich bei der sogenannten „Solarpflicht“ in Baden-Württemberg eindeutig um eine Bevorzugung der Photovoltaik. Schon der Begriff „Solarpflicht“ ist falsch, denn der Gesetzentwurf spricht von einer „Pflicht zur Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen“. Korrekt ist daher der Begriff Photovoltaik-Pflicht. Im Gesetzentwurf heißt es: „Beim Neubau von Nichtwohngebäuden ist auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche eine Photovoltaik-Anlage zur Stromerzeugung zu installieren […].“ Das Gesetz definiert nicht, „in welchem Umfang eine geeignete Dachfläche zur Pflichterfüllung mindestens genutzt werden muss.“ Das soll das Umweltministerium über eine Verordnung regeln.
Damit ist die Zielsetzung des Gesetzes ungenau. Geht es darum, die lokal zur Verfügung stehende Solarenergie für das Gebäude nutzbar zu machen oder will der Gesetzgeber damit die Photovoltaik fördern? Im ersten Fall wäre es sinnvoll, eine wirkliche „Solarpflicht“ einzuführen, die sowohl Solarstrom als auch Solarwärme in dem Umfang vorschreibt, wie die jeweilige Sonnenenergie im Gebäude sinnvoll genutzt werden kann. Auch Bürogebäude und Lagerhallen benötigen Wärme. Gerade in Lagerhallen kann die Solarthermie, sei es über Technologien wie Luftkollektoren oder Bauteilaktivierung, hohe solare Deckungsanteile erzielen, weil die benötigte Temperatur gering ist. Auch PVT-Kollektoren können hier gut eingesetzt werden und dabei sowohl Strom als auch Wärme liefern.
Die Intention des Gesetzes ist aber wohl eher die Photovoltaik-Förderung, auch wenn laut Gesetz vorhandene Solarthermie-Anlagen auf den Umfang der zu belegenden Dachfläche angerechnet werden. Diese Zielsetzung ist tatsächlich ein Grund zur Beunruhigung für die Solarthermie-Branche. Denn sie zeigt, dass der Gesetzgeber in Richtung „All electric society“ unterwegs ist. Die eigentlich sinnvolle Solarwärme-Nutzung ist keine Pflicht, sondern nur eine Ersatzmaßnahme.
Besonders problematisch ist das, weil die Photovoltaik-Pflicht keineswegs auf Nichtwohngebäude beschränkt bleiben soll. Erklärtes Ziel der Grünen in Baden-Württemberg ist eine Photovoltaik-Pflicht für alle Gebäude. Hamburg ist da schon einen Schritt weiter und will ab 2023 Photovoltaik für alle Neubauten und 2025 auch für Sanierungen der Dachhaut vorschreiben. Auch in Hamburg gilt eine vorhandene Solarthermie als Ersatzmaßnahme. Nicht einmal mehr die neue Errichtung einer Solarthermie-Anlage ist als Ersatzmaßnahme vorgesehen.
Generell ist eine „Solarpflicht“ für alle neuen Gebäude bundesweit sinnvoll, wie sie zum Beispiel die Grüne Bundestagabgeordnete Julia Verlinden fordert. „Entweder Solarstrom oder Solarthermie. Macht die Dächer blau“, so Verlinden in einem Tweet auf Twitter.
Doch machen wir uns nichts vor. Nur wenn eine solche Solarpflicht verbindlich Anteile für Strom und Wärme vorschreibt, oder wenn zuerst die Möglichkeit zum Einbau einer Solarthermieanlage geprüft werden muss, wird sie für die Solarthermie auch einen Effekt haben. Bei einer technologieoffenen Solarpflicht wird die Photovoltaik abräumen. Sie hat den Vorteil, dass sie dank der Jahrzehnte langen EEG-Förderung heute preislich konkurrenzfähig zur fossilen Stromerzeugung ist. Die Solarthermie hat diese Art der Förderung nicht genossen und muss sich gegenüber subventionierten Energieträgern wie Öl und Gas behaupten.
Auch die Wärmeplanung, die in der Novellierung des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes vorgesehen ist, wird die Benachteiligung der Solarthermie nicht aufheben. Während die Photovoltaik-Pflicht gezielt die nur eine Technologie fördert, muss sich die Solarthermie im technologieoffenen Prozess in einem Umfeld behaupten, das strombasierte Lösungen bevorzugt.
Jens-Peter Meyer
Contra: Eine Photovoltaik-Pflicht für Nichtwohngebäude ist sinnvoll
Diese anscheinend eindeutige Bevorzugung der Photovoltaik hat in der Solarthermie-Branche Unruhe gestiftet. Denn eine landesweite „Solar-Pflicht“ sollte eigentlich beiden solaren Energietechnologien zugutekommen, also der Solarthermie ebenso wie der Photovoltaik. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) hat deshalb darauf hingewirkt, dass der § 8a ergänzt wurde. Dort heißt es nun in Absatz 3: „Zur Erfüllung der Pflicht […] kann ersatzweise auch eine solarthermische Anlage zur Wärmeerzeugung auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche installiert werden.“
Das ist ein schwacher Trost, denn der Vorrang der Photovoltaik wird nicht angetastet. Von einer gleichberechtigten Behandlung beider Solartechnologien kann keine Rede sein. Dennoch ist es fraglich, ob es sich lohnt, an dieser Stelle für Gleichbehandlung zu kämpfen.
Denn die Solar-Pflicht betrifft nicht die Wohngebäude, sondern nur Gewerbegebäude im weitesten Sinne, also Bürogebäude, Parkhäuser, Produktions- und Lagerhallen. Deren ausgedehnte Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen zu pflastern, ist sinnvoll, denn je mehr Solarstrom erzeugt wird, desto besser. Solarthermische Kollektoren können auf diesen Dächern wenig ausrichten, denn der Wärmebedarf von Bürogebäuden ist gering und der von Parkhäusern gleich Null.
Ein anderer Paragraph des Klimaschutzgesetzes ist für die Solarthermie viel wichtiger. Denn der § 7 verpflichtet die Stadtkreise und Großen Kreisstädte, bis Ende 2023 einen kommunalen Wärmeplan aufzustellen. Es geht um innovative Quartierskonzepten und den Ausbau von Wärmenetzen. An dieser Stelle kommt die Solarthermie ins Spiel, die sich in immer mehr Nahwärmenetzen bewährt. Sie muss sich aber gegen Blockheizkraftwerke und Großwärmepumpen durchsetzen. Entscheidend wird also sein, ob sich die kommunalen Behörden für die Solarthermie erwärmen können. Den regionalen Solarfirmen bietet das Klimaschutzgesetz eine Chance, in ihrem Sinne auf die kommunale Planung einzuwirken. Diese Chance sollten sie nutzen.
Detlef Koenemann
Über die Autoren, die beide Mitglieder des Redaktionsteams des Solarthermie-Jahrbuchs Solare Wärme sind.
Jens Peter Meyer ist promovierter Chemiker. In Studium und Promotion beschäftigte er sich mit Grundlagen der organischen Photovoltaik. Auch in der journalistischen Arbeit hat er sich die erneuerbaren Energien als Schwerpunkt gesucht. Jens Peter Meyer schreibt freiberuflich seit dem Jahr 2000 über die erneuerbaren Energien in der Wärmetechnik. Er hat viele Jahre das Ressort Solarthermie der Zeitschrift Sonne Wind & Wärme geleitet.
Detlef Koenemann ist promovierter Physiker. Von 1992 bis 2008 war er Chefredakteur der Zeitschrift Sonne Wind & Wärme. Seit 2008 ist er als freier Journalist mit den Schwerpunktthemen Solarthermie, Photovoltaik und Windenergie tätig. Außerdem ist er Autor des Buches „Solare Klostergeschichten“, das anhand der Chronik des Photovoltaik-Symposiums in Bad Staffelstein (1986-2019) die Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland beschreibt.
Weitere Informationen: www.solarthermie-jahrbuch.de
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Die Solarthermie wird sterben. Grüner Strom wird zu billig werden. Diese Branche künstlich am Leben zu halten finde ich falsch. Das Heizen mit Strom ist effektiver und vor allem wirtschaftlicher.
Es gibt doch auch Schattenlöcher, in denen es dennoch sinnvoll sein kann ein Gebäude zu bauen, vielleicht habe ich diese Pflicht auch falsch verstanden. Eine generelle Pflicht überall, also da sehe ich wirklich nicht wie das sinnvoll sein kann, die Pflicht zu einer Wirtschaftlichkeitsprüfung würde mehr Sinn ergeben.
Wer ohnehin eine PV-Anlage auf dem Dach hat, wird sich keine Thermieanlage zusätzlich draufbauen. Eine paar Module mehr fürs Warmwasser sind deutlich billiger als eine zusätzliche ST-Anlage.
Wer bereits Sonnenkollektoren auf den Dach hat, sollte eine PV-Anlage zusätzlich installieren, solange es dafür Platz auf dem Dach gibt.
Es ist schon sonderbar. Die Solarthermie, die in ihrer Effizienz rund dreimal besser ist als die Photovoltaik, wird nur indirekt oder als Ersatzmaßnahme diskutiert. Da lohnt es sich aus Effizienzgründen eigentlich nicht, noch weiter zu schreiben! die Argumentation des geringen Wärmebedarfs in Bürogebäuden und der daraus abgeleiteten Nichtnutzungsempfehlung der Solarthermie stellt einiges auf den Kopf. Gerade wenn der Wärmeenergiebedarf gering ist, kann ich mit Solarthermie einen großen Beitrag leisten. Dass Heizen mit Strom effektiver sei ist demnach sehr Sinn frei. Wirtschaftlicher ist es nur durch die Subventionen. Also Solarthermie entsprechend der Wärmesituation nutzen (grundsätzlich eher kleinerer Flächenanteil) und die verbleibende meist größere Dachfläche zur Solarstromerzeugung nutzen.
@Peter Kupetz
zunächst einmal befürworte ich folgende Aussage:
„Also Solarthermie entsprechend der Wärmesituation nutzen (grundsätzlich eher kleinerer Flächenanteil) und die verbleibende meist größere Dachfläche zur Solarstromerzeugung nutzen.“
Abseits aller Diskussionen um Effizienz, Flächenbedarf und Kosten etc., besteht zwischen Solarthermie und PV ein entscheidender Unterschied. Für Strom aus PV gibt es ein Verteilnetz, wodurch die entstehenden zeitlichen, ggf. auch lokalen Überschüsse unmittelbar genutzt werden können. Damit wird Strom aus fossilen Erzeugern verdrängt und die Umwelt entlastet.
Ein derart flächendeckendes Wärmenetz existiert nicht, so dass die Wärmeüberschüsse im Sommer weitgehend verpuffen.
Strom aus EE kann dieses fehlende Wärmenetz aber ersetzen indem effizient (Faktor 3 – 5!) über Wärmepumpen der Strom in Wärme gewandelt wird. Dadurch wird dann auch die fossile Wärmeerzeugung sukzessive ersetzt. Es wird so das Verteilnetz für Strom indirekt aber effizient auch für Wärme genutzt.
Daher halte ich die Bevorteilung von PV gegenüber Solarthermie für durchaus gerechtfertigt.
An der Verwendung der Thermie wird man aber auch nicht gehindert. Sie wird ja auch gefördert, z.B. darf ohne Thermie meines Wissens nach keine Gastherme mehr eingebaut werden (ich weiß aber gerade nicht unter welchen Bedingungen das gilt, da lasse ich mich gerne auch korrigieren/informieren)
by the way….
Zitat: “ Wirtschaftlicher ist es nur durch die Subventionen.“
Worauf beziehen sie sich hier? Auf welche Subventionen?
Solarthermie ist „fast“ sinnlos. Strom ist viel flexibler und systemübergreifend (eAuto, P2G, kühlen, Netz… umgewandel in H2 und weiter mit CO2 in Methan kann der Strom 24/7 über bestehende Gasnetze in bestehende Speicher an beliebige Orte transprotiert werden, ohne dass neue Netze erforderlich wären).
Mit Wäemepumpen erzielt man damit hohe Wirkungsgrade. Wenn der Thermiespeicher voll ist, dann ist er voll, dann geht nix mehr, die intsallierte Leitung is dann Nutzlos.
Außerdem ist Heizen/Wärme mit Solarstrom spott billig und geht auch bei diffusem Licht, Regen und Kälte (bei ausrechender Solarfläche, die ein komplettest Dach bietet).
Auch ist Photovoltaik unkomplizierter und Platzsparender.
Wenn ich hier manche Kommentare lese, kann ich nur den Kopf schütteln.
Heizen mit Strom durch PV-Anlagen? Im Winter ist der PV-Stromertrag bei max. 10% im Vergleich zum Sommer. Was soll diese Augenwischerei???
Photovoltaik-Strom für Wärmepumpen-Betrieb, um damit im Winter zu heizen? Oder heizen hier manche im Sommer, da hat man natürlich einen tollen Wirkungsgrad!