Das Bundeskabinett hat am Mittwoch erwartungsgemäß den Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Nationalen Wasserstoffstrategie verabschiedet. Im Anschluss gab es ein Pressestatement, dass die Komplexität des Vorhabens aufzeigt und die verschiedenen Interessen, die unter einen Hut zu bringen sind. So waren an der Ausarbeitung neben dem federführenden Wirtschaftsministerium auch das Umwelt-, Verkehrs- und Forschungsministerium sowie das Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung massiv beteiligt. Wie berichtet, ist ein Aktionsplan erarbeitet worden und die Summe von insgesamt 9 Milliarden Euro soll ausgegeben werden, um Deutschland beim Wasserstoff weltweit an die Spitze zu hieven.
„Die Zeit für Wasserstoff und die dafür nötigen Technologien ist reif. Wir müssen daher jetzt die Potenziale für Wertschöpfung, Beschäftigung und den Klimaschutz erschließen und nutzen. Denn Wasserstoff wird ein Schlüsselrohstoff für eine erfolgreiche Energiewende sein“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er will Deutschland mit seiner Strategie bei Wasserstofftechnologien zur Nummer 1 in der Welt machen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze erklärte: „Die Nationale Wasserstoffstrategie wird Deutschland doppelten Schub verleihen – für den Klimaschutz und für die nachhaltige Erholung unserer Wirtschaft nach der Corona-Krise. Grüner Wasserstoff bietet uns die Chance, Klimaschutz in den Bereichen voranzubringen, wo wir bisher noch keine Lösungen hatten, zum Beispiel in der Stahlindustrie oder im Flugverkehr.“ Nach ihrer Auffassung ist die Strategie vor allem auf „grünen Wasserstoff“ ausgerichtet. „Dafür habe ich mich stark gemacht, denn gut fürs Klima ist auf Dauer nur Wasserstoff aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. Klar ist damit auch: Wer Ja sagt zu Wasserstoff, muss auch Ja sagen zu Windenergie“, erklärte die SPD-Politikerin. Schulze forderte daher auch einen konsequenten weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ein.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CDU) sieht in der Strategie einen klaren Rahmen für planbare Investitionsentscheidungen. „Jetzt brauchen wir wirtschaftliche Projekte auf dem Markt. Wasserstoff muss für die Menschen erlebbar werden. Genau an dieser Stelle setzt die Strategie jetzt an und nimmt die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick – Technologie, Erzeugung, Speicherung, Infrastruktur und Anwendung in Fahrzeugen“, sagte Scheuer. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verwies darauf, dass ihr Ministerium allein bis 2030 zusätzlich 310 Millionen Euro für die Forschungsförderung für grünen Wasserstoff bereitstellen wird. „Das wird uns Rückenwind geben, damit Deutschland um den Weltmeistertitel beim Grünen Wasserstoff erfolgreich mitspielen kann“, sagte sie. Ihr Kollege Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sieht in der Wasserstoffstrategie denn auch gleich einen „Quantensprung hin zu CO2-neutralen, Kraftstoffen und damit zu einer globalen Energiewende“. Zwei der neun Milliarden Euro sollen für den Aufbau internationaler Projekte ausgegeben werden, da nach Ansicht der Regierung Deutschland auf Importe angewiesen sein wird, um die Energiewende mit grünem Wasserstoff zu stemmen.
Die Grünen blickten nicht ganz so enthusiastisch auf das Ergebnis der Nationalen Wasserstoffstrategie. „Was lange währt, wird leider nicht immer gut. Die nationale Wasserstoffstrategie sollte uns den Klimazielen näher bringen. Eine solche Strategie wird aber erst glaubwürdig, wenn gleichzeitig Erneuerbare Energien massiv ausgebaut werden. Davon ist bei dieser Regierung nach wie vor nichts zu sehen“, kommentierten die energiewirtschaftliche und -politische Sprecherinnen, Ingrid Nestle und Julia Verlinden. Sie gehen davon aus, dass bis 2030 mehr als 80 Prozent des Wasserstoffs nicht grünen Ursprungs sein wird. Die Grünen fordern daher, die Produktion von Wasserstoff dort, wo auch viel erneuerbare Energien verfügbar sind.
Reaktionen von Verbänden und Unternehmen
Die Begeisterung der Bundespolitik wird auch von Verbänden und Unternehmen der Erneuerbaren- und Wasserstoffbranche nur teilweise geteilt. So heißt es etwa vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne): „In der Strategie ist von Markthochlauf die Rede, die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen eher auf eine einzelne Technologie- und Projektentwicklungen ab. So wurde leider ein Konzept zur Entwicklung eines Marktes für grünen Wassersoff vernachlässigt. Stattdessen wird, über Ausnahmen Strom- und Gasnetzbetreibern der Betrieb von Elektrolyseuren in Modellprojekten ermöglicht.“ Die Ausnahmen sieht man beim bne durchaus kritisch.
Auch bei Greenpeace Energy spricht man eher von einer Scheinlösung. „Endlich erkennt die Bundesregierung an, dass echter Klimaschutz nur mit grünem Wasserstoff gelingen kann. Das ist erfreulich. Umso kritischer finden wir, dass sie in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie trotzdem massiv auf blauen Wasserstoff setzt – und damit auf eine klimaschädliche Scheinlösung“, so der Wasserstoffexperte Marcel Keiffenheim. Auch nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe ist Wasserstoff „kein Allheilmittel für die Energiewende. Die heutigen Erdgasmengen einfach durch Wasserstoff zu ersetzen, ist eine Illusion.“ Die Fokussierung auf grünen Wasserstoff sei zu begrüßen, jedoch müsste die zu installierende Elektrolyse-Leistung von 5 auf 10 Gigawatt bis 2030 aus klimapolitischer Sicht erhöht werden. „Die Bundesregierung setzt einerseits auf das Pferd ‚grüner Wasserstoff‘, andererseits bremst sie den Ausbau der erneuerbaren Energien aus und verweigert dem Pferd damit das Futter. Man wird den Eindruck nicht los, dass die fossile Gasbranche mit ihrem blauen Wasserstoff schon in den Startlöchern sitzt, um doch noch das Rennen zu machen“, kommentierte Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH.
Der Elektrolyseur-Anbieter Sunfire betonte: „Der erfolgreiche Markthochlauf von Wasserstofftechnologien zur Bekämpfung des Klimawandels ist eng mit den Vorgaben der Bundesregierung verbunden. Ein Gelingen der Energiewende bedarf einer breiten Markteinführung von grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukten.“ Gerade für emissionsreiche Sektoren, wie Stahl oder den Flug- und Schiffsverkehr, müsse es zusätzlich ambitionierte Marktanreizprogramme geben. Bei Vattenfall lobte man die Strategie als „ein Meilenstein für mehr Klimaschutz und Innovation“.
Die BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae sieht in der vorgelegten Strategie „wichtige Grundlagen für die Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr und Wärmesektor mit gasförmigen Energieträgern“. Wichtig sei, dass die Bundesregierung die in der Wasserstoffstrategie geplanten Maßnahmen zeitnah umsetze. „Mit Blick auf erneuerbaren Wasserstoff müssen hierfür die immer noch bestehenden Hemmnisse beim Ausbau der regenerativen Stromerzeugung beseitigt werden“, so Andreae weiter.
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Seit 1995 steht Mercedes kurz vor der Marktreife von der Brennstoffzellentechnologie im PKW Sektor … hm …
Marokko soll H2 liefern mit 260MWp PV und 180MWp CSP – scheint nicht realistisch.
Mir scheint, dass es sich um eine Nebelkerze handelt, um von der Erdgasnutzung abzulenken.
Wie siehts eigentlich mit dem 52GW Deckel aus? Ist er schon weg?
Einverstanden; die Argumente befürchte ich ebenso.
Wasserstoff entsteht aus Wasser, nicht aus Strom!!!
„Grüner Wasserstoff“ aus Trinkwasser ist ein Verbrechen an der Menschheit!
Nur mit Subventionen wird diese unwirtschaftliche Technologie in den Markt gedrückt!
Planwirtschaft sozialisiert Verluste und privatisiert Gewinne!
Was issen jetzt?
Blauer oder Grauer Wasserstoff wäre doch genauso verwerflich?
Wer hat von Trinkwasser gesprochen; von Wasser war die Rede!
Was soll der Einwandt?
Wie auch immer; Trinkwasser sollten wir in unseren Breitengraden genügend zur Verfügung haben!
Geht es nur um die Trinkwasser-Qualifikation? sollten sich für große Anlagen auch hier in BRD ausreichende Lösungen finden lassen!
Lieber Herr Christl,
Sie haben Recht: Wasserstoff entsteht aus Wasser; aber dafür wird nicht unbedingt Trinkwasser benötigt. Dafür kann auch Ab- oder Regenwasser verwendet werden; es ist nahezu unbegrenzt verfügbar. Wenn nun für die Produktion von H² Solarenergie oder Windstrom-Überschüsse verwendet werden, wäre das doch eine geniale Lösung. Um die Sache aber Gang zu bringen sind nun halt mal Anstöße – sprich: Subventionen – nötig. Beim EEG hat’s doch auch wunderbar geklappt. Leider wurde es von der ‚alten Energiewirtschaft‘ ziemlich mißbraucht.
Vielfach wird der Wirkungsgrad der Elektrolyse beanstandet.
Es entsteht Abwärme die man wunderbar für die Wasseraufbereitung nutzen kann.
In Sonnenreichen Ländern muß oft ohnehin Wasser aufbereitet werden.
Die Elektrolyse ist ein Segen für diese Regionen.
Furchtbare Idee.
– Der Gesamtwirkungsgrad ist katastrophal (Erzeugung durch Elektrolyse 70%, Komprimierung / Verflüssigung 60%, Umfüllung 90%, Rückumwandlung 50%). -> optimistische 19 %, also etwas besser als Verbrenner.
– Wasserstoff ist leicht, in jeglicher Speicherform hat er eine geringe Dichte und nimmt also viel Volumen ein.
Es wäre viel effizienter den Strom aus Erneuerbaren Energien nicht durch die Kette schlechter Wirkungsgrade wieder in Strom umzuwandeln, sondern direkt in einen Akku zu laden. Li-Ionen Akkus haben einen Wirkungsgrad von knapp 100%.
Jaa ich weiß, das Laden eine Akkus hat einen schlechten Wirkungsgrad – aber auch in Brennstoffzellenfahrzegen geht der Strom erstmal in einen Akku (Ein Brennstoffzellenfahrzeug hat alle Komponenten eine Elektrofahrzeuges).
Prinzipiell alles nicht falsch, aber bitte folgendes bedenken:
– Industrie kann H2 aus EE sehr sinnvoll direkt für Prozesse (Wärme, Reationen) nutzen. Da kann ein Akku im Megawattbereich enfach kostenmäßig niemals mithalten. Da sind auch die Wirkungsgrade nicht so entscheidend, da hierfür vornehmlich Überschüsse aus EE verwendet werden müssten.
– Akkus bekommen keinen Transfer von EE Strom über eine Zeitschiene von mehreren Monaten hin. Mittels H2 kann der jahreszeitbedingte Überschuss den fehlenden Ertrag der PV im Winter und der Flauten bei den WKA ausgleichen. Das zugegeben ineffiziente PtG ist aber beliebig skalierbar und da die Sonne nach unseren Maßstäben unerschöpflich ist, spielt der Wirkungsgrad nicht die Hauptrolle.
Bei Elektromobilität auf H2 zu setzen wird sich für den Individualverkehr nicht durchsetzen (wie auch die Brennstoffzelle), das ist auch der Industrie schon lange klar. Es gibt aber Anwendungsnischen (Schwerlastverkehr, Flugverkehr, Schiffsverkehr) wo H2 durchaus Sinn machen kann.
Klar ist für mich jedenfalls auch: EE Ausbau – und zwar massiv – zuerst, bevor man an H2 denken sollte.
Es mischen mal wieder nur die üblichen Großkferten der Parteien, der Industrie und der Interessenverbände der Wirtschaft bei dem Wasserstoffbeirat der Bundesregierung mit. Aber Spaß muß bekanntlich sein, sagten schon die alten Römer!