Vor gut einem Monat bewegte die deutsche Solarbranche vor allem, wann in China die Photovoltaik-Produktion wieder anlaufen wird, um Lieferverzögerungen bei Modulen oder Komponenten für die eigenen Projekte oder Produktion zu vermeiden. Leichte Preisaufschläge waren im Februar bereits erkennbar. Mittlerweile hat sich die Situation weltweit dramatisch verändert und dies bleibt nicht ohne Folgen für den Bau von Photovoltaik-Anlagen in Deutschland, gerade wenn es um die Realisierung größerer Projekte geht. Dies zeigt auch eine Befragung der großen Projektierer in Deutschland durch pv magazine.
Die europaweit von den Regierungen beschlossenen Einschränkungen zur Eindämmung von Covid-19 wirken sich bereits wenige Tage nach Inkrafttreten massiv auf das Geschäft aus. „Die Einschläge kommen näher und näher“, ist zu hören. So berichten viele der Projektierer, dass durch den „Baustellenstopp“ viele osteuropäische Montagekräfte in ihre Heimatländer zurückgekehrt seien und nun zur Installation der Solarmodule fehlten. Auch sei es schwierig Montagewerkzeuge wie Akkuschrauber auf die Baustellen zu bringen, weil sie nicht mehr so einfach Equipment oder Komponenten über Landes- oder selbst Bundesländergrenzen hinweg transportieren könnten.
Bezüglich der Verfügbarkeit von Solarmodulen für die zu realisierenden Photovoltaik-Projekte ergibt sich ein leicht unterschiedliches Bild unter den deutschen Unternehmen. Einige erklären, dass sie weiterhin über genügend Module verfügen. Keiner der befragten Projektierer gibt an, dass es wegen fehlender Solarmodule die Photovltaik-Anlagen nicht realisieren könne. Allerdings wirkt noch die komplette Einstellung der Photovoltaik-Produktion in China in den vergangenen Wochen nach. „Aktuell ist auf Grund der fehlenden Produktionskapazitäten in Asien eine deutliche Verzögerung in der Lieferkette vor allem bei Modulproduzenten zu erkennen, dies führte vor allem im ersten Quartal zu Verschiebungen um bis zu 6 Wochen.“ Gerade verspätete Modullieferungen in Kombination mit den nun in Europa fehlenden Installationskräften könnten sich doppelt negativ auf die Rendite der Projekte auswirken, fürchten einige. Noch scheint es für die Unternehmen jedoch zu früh, das konkrete Ausmaß abschätzen zu können. Doch es ist klar, dass jede Verzögerung die Projektierer richtig Geld kosten wird.
Jenseits dieser Faktoren berichten auch einige Projektierer, dass die ersten Verteilnetzbetreiber angekündigt haben, keine Inbetriebnahmen von Photovoltaik-Anlagen mehr vorzunehmen. Dies betrifft vor allem die größeren Projekte in Deutschland. Zudem haben viele Gemeinden ihre Ratssitzungen ausgesetzt und viele Behörden ihre Mitarbeiter in Homeoffice geschickt, was zu Verzögerungen bei Genehmigungen von Projekten führen dürfte. So werden derzeit etwa Bebauungspläne nicht mehr ausgelegt oder notwendige Außentermine nicht wahrgenommen, wie die Projektierer berichten. Einer betont jedoch auch, dass sich die von ihm kontaktierten Ämter sehr um Lösungen bemühten. Dennoch ist derzeit für niemanden absehbar, wie lange die derzeit geltenden Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus in Kraft sein werden.
In Berlin arbeiten daher auch verschiedene Verbände daran, beim Bundeswirtschaftsministerium eine Verlängerung der Frist für Ausschreibungsprojekte zu erreichen. Normalerweise haben Projektierer maximal 24 Monate Zeit, ihre Photovoltaik-Anlagen ans Netz zu bringen, ehe die Förderung verfällt. „Die Bundesregierung muss jetzt auch in der Energiewirtschaft schnell handeln, um Schaden abzuwenden. Da vielfach unverschuldet Fristen nicht mehr eingehalten werden können, sollten diese verlängert werden“, erklärte Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne).
Die befragten Projektierer sprechen sich für eine Verlängerung der Realisierungsfrist um sechs, eher noch zwölf Monaten aus. Manche fordern, bis zu zwei Jahren zusätzlich für die Installation und Inbetriebnahme der Photovoltaik-Anlagen aus den Ausschreibungen zu gewähren. Eine solche Verlängerung koste die Politik nichts, würde den Unternehmen einfach und unkompliziert helfen, heißt es vielerorts.
Robert Busch ergänzt noch: „Zudem brauchen wir mehr flexible Handlungsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur, unter anderem bei Fristen zur Inbetriebnahme ausgeschriebener Solar- und Windenergieanlagen. Daher arbeitet der bne seit Tagen mit Hochdruck an Gesetzesvorschlägen. Zudem brauchen wir flexible Lösungen für das Problem, dass schon einige Netzbetreiber keine Netzabnahmen mehr vornehmen.“
Mehr Flexibilität bei PPA-Projekten
Etwas entspannter wird die Lage von den Unternehmen bei den geplanten förderfreien Photovoltaik-Anlagen, sogenannten PPA-Projekten, in Deutschland einschätzt. Dort könne bei Projektverzögerungen mit den Abnehmern des Solarstroms nachverhandelt werden. Bei zu größeren Verschiebungen käme dann wahrscheinlich auch das Thema „höhere Gewalt“ zum Tragen. Ein Unternehmensvertreter verweist jedoch darauf, dass auch bei diesen Anlagen Projektkosten und Entwicklungen vorfinanziert werden müssen. Wenn sich die Realisierungen dieser PPA-Projekte dann zu lange hinzögen, könnten ebenfalls Engpässe entstehen.
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Ein Problem, vor dem ich mit meiner 29kWp-Anlage hierzu grade stehe: Die Anlage wurde fertig gemeldet, der Netzbetreiber hat bis auf Weiteres alle Termine zum Setzen der Energiezähler abgesagt.
Gibt es hierzu eine (pragmatische) Lösung, wie ich die Anlage in Betrieb nehmen kann? Ich möchte sie nicht auf unbestimmte Zeit ausgeschaltet lassen.
Danke!
24 Monate sind besonders bei PV-Projekten eine höchst ausreichende Realisierungsfrist. Sicherlich haben einige Projektierer ihre Inbetriebnahme bis auf den letzten Drücker hinausgezögert, in der Hoffnung, Module und BoP noch billiger zu bekommen. Andere haben sich vielleicht die niedrigen Zinsen mit forward-Verträgen gesichert, aber die Option offengehalten, bei wieder ansteigenden Zinsen das Projekt fallen zu lassen und die Zinsmarge einzusreichen.
Derartige Spekulation kann eben auch mal schiefgehen. Sie verdient nicht unsere Solidarität.
„Eine solche Verlängerung koste die Politik nichts, würde den Unternehmen einfach und unkompliziert helfen, heißt es vielerorts.“
Sie kostet die Politik nichts, aber den EEG-Umlage-pflichtigen Stromverbrauchern.
Zu Gunsten der Projektentwickler zieht hier einzig und allein der Umstand, dass die aktuellen Auktionspreise auch nicht niedriger sind als die von 2018. Im Fall einer Verlängerung wäre es z.B. denkbar, maximal den Mittelwert der damaligen Zuschläge zu gewähren (4,59 Cent/kWh im Juni 2018), bei Fristverlängerung aber nicht den Extraprofit durch geschickte Auktionsteilnahme (d.h. den höchsten Zuschlag mit 4,96 Cent/kWh entsprechend zu kappen)