Auf unseren Straßen fahren fast nur noch lautlose Elektrofahrzeuge, die in hochautomatisierten, menschenleeren Fabriken gebaut werden. Insgesamt ist viel weniger los auf unseren Straßen, denn Berufstätige verbringen einen Großteil ihrer Zeit im Homeoffice, arbeiten nur noch maximal 30 Stunden in der Woche und haben viel Zeit für die Familie und ihre Hobbys. Insgesamt hat sich das Verkehrsaufkommen auf der Straße, im Wasser und in der Luft stark verringert, seit die Menschen nur noch wirklich notwendige und sinnvolle Fahrten erledigen. Urlaub wird vorwiegend im eigenen Land gemacht, Fernreisen nur noch maximal einmal im Jahr und dann mit möglichst kleinem CO2-Fußabdruck. Konsumiert wird bewusst und natürlich regional, denn das stärkt die heimische Wirtschaft.
Die etwas höheren Preise sind gar kein Problem, denn auf alles Überflüssige oder Verschwenderische wird ohnehin verzichtet. Nur ab und zu gönnt man sich noch einmal ein schönes Steak vom heimischen Rind oder etwas exotisches Obst und Gemüse aus Indoor-Farmen. Insgesamt genießt man die entschleunigte Gesellschaft, den freundlichen Umgang miteinander im Büro und in den Straßen sowie die abgasfreie frische Luft bei ausgedehnten Spaziergängen oder Ausflügen mit dem E-Bike.
Das alles klingt wie eine ferne Utopie, könnte aber bald Wirklichkeit sein, wenn … ja wenn wir aus der aktuellen Krise endlich einmal lernen und die richtigen Schlüsse ziehen und Handlungsstränge ableiten würden. Hat nun aber das Coronavirus tatsächlich die Kraft, derartige wirtschaftliche und gesellschaftliche Umwälzungen zu veranlassen – viel heftiger und schneller, als es eine Jugend- und Klimabewegung es jemals hinbekommen wird?
Ich möchte hier bitte nicht falsch verstanden werden – hier soll weder die schrecklichste Virus-Pandemie in der jüngeren Menschheitsgeschichte verharmlost noch die Fridays-For-Future-Bewegung diskreditiert werden. Mein Mitgefühl liegt bei den Coronavirus-Opfern und Angehörigen auf der ganzen Welt. Außerdem bin ich ein begeisterter Unterstützer der Fridays-For-Future -Bewegung, das weiß jeder, der meine Artikel regelmäßig liest. Mir geht es hier eher um die Maßnahmen und Wirkmechanismen, die von der aktuellen Krise bereits ausgehen und in Zukunft noch ausgehen sollten.
Nicht nur ich sehe nämlich Parallelen in der Bedrohung durch das Virus auf der einen und den fortschreitenden Klimawandel auf der anderen Seite. Nur der Umgang mit der Krisensituation ist leider grundverschieden. Zur Eindämmung der Covid-19-Ausbreitung werden von Staatschefs und Regionalpolitikern jeden Tag drastischere Maßnahmen angeordnet, bei der Klimakrise setzt man aber auf das Prinzip Hoffnung. Es wird uns schon irgendwann etwas einfallen, was den Klimawandel verhindert oder umkehrt. Hauptsache der Wirtschaft geht es gut und wir müssen nichts Gravierendes verändern!
Wenn jeder Einzelne von uns, also auch die Entscheider selbst, unmittelbar betroffen sind – einige prominente Politiker sind ja bereits mit dem Corona-Virus infiziert, dann können plötzlich Einschnitte angeordnet und umgesetzt werden, die vorher völlig undenkbar gewesen wären. Dabei sind die Folgen des Klimawandels und der Luft- und Wasserverschmutzung schon heute viel tödlicher, als eine Virusinfektion es je sein wird. Jeden Tag sterben ungezählte Menschen – alte wie junge – an den Folgen unseres zerstörerischen Handelns, unseres ungezügelten Konsumwahns. Der große Unterschied ist nur, dass es weit weg und fast unbemerkt geschieht und eine größere Gruppe in den wohlhabenden Industrienationen davon nicht betroffen zu sein scheint. Aktuell und durch die Medienberichterstattung stündlich befeuert ist Corona der Staats- beziehungsweise Wirtschaftsfeind Nummer 1, obwohl der Klimawandel es schon lange vorher war und ist.
„Corona schlägt Fridays-For-Future“ gilt sogar in zweierlei Hinsicht. Die Virus-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben geschafft, woran viele Kritiker und manche Politiker gescheitert sind: Die Freitagskundgebungen fallen aus! Nun werden die Proteste zwar digitalisiert und in sozialen Netzwerken weitergeführt, aber das hat natürlich lange nicht die gleiche Strahlkraft, wie Massenkundgebungen auf den Straßen vieler Städte weltweit.
Dabei sollten wir auch in diesen Zeiten den übergeordneten Charakter der Umweltproblematik nicht vergessen. Die aktuelle Situation mutet wie ein Vorgeschmack darauf an, was uns bei einer zugespitzten Klimakrise noch drohen könnte. Es ist sozusagen eine Generalprobe. Wir geben hier allerdings noch keine sehr gute Figur ab. Unsere Zivilisation wurde von der Virus-Epidemie kalt erwischt, das Ausmaß und der Umfang der notwendigen Maßnahmen eine Weile lang stark unterschätzt. Diese kamen dann plötzlich und führten zwangsläufig zu chaotischen Verhältnissen.
Uns wird gerade vor Augen geführt, wie labil unser Wirtschaftssystem doch ist, wie schnell es durch ein unerwartetes Ereignis aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann, so dass die Menschen und die Märkte irrational reagieren. Auf eine derartige Krisensituationen schien niemand vorbereitet zu sein, es gab keinerlei ausgereifte Pläne, wie mit einer Pandemie umgegangen werden soll, die beinahe alle Teile der globalisierten, vernetzten Welt betrifft. Anfängliche Panik und Chaos sind verständlich, denn unsere Jobs, unser Konsum, unsere sozialen Kontakte, kurz gesagt Freiheit und Wohlstand stehen vermeintlich auf dem Spiel!
Nun, hoffentlich ziehen wir unsere Lehren daraus, schaffen einen wirklichen Neuanfang nach der Pandemie, fallen nicht vollständig in die alten Verhaltensmuster und unseren ressourcenvernichtenden Lebensstil zurück. Denn wir merken langsam: Es geht doch auch anders! Die Welt geht nicht gleich unter, wenn wir etwas weniger konsumieren, reisen oder Partys feiern. Um unser System stabiler zu gestalten, sind jetzt umfangreichere Anpassungsmaßnahmen nötig – wir stehen jetzt vor der Herausforderung eines radikalen Umbaus unseres globalisierten Wirtschaftssystems.
Resilienz ist ein momentan vielzitierter Begriff in Zusammenhang mit der lokalen Wirtschaft, aber auch den Ökosystemen. Sie bezeichnet die Fähigkeit, Störungen, schwierige (Lebens-)Situationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Diese fehlt unserem System eindeutig. Aber wir können aus der aktuellen Krise viel lernen, brauchen nur den Mut, das Richtige zu tun und daraus etwas Neues, Widerstandsfähigeres und Nachhaltiges entstehen zu lassen.
Momentan scheint es noch, dass politisch nicht durchsetzbar ist, was richtig und notwendig ist, sondern nur das, was einem breiten Konsens entspricht, also mehrheitsfähig ist. Der Machterhalt und die Wiederwahl scheinen den Regierenden stets wichtiger zu sein als das Allgemeinwohl. Die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen, ist offenbar konsensfähig und rechtfertigt drastische Maßnahmen. Doch da geht noch mehr!
Sobald wir diese aktuelle Krise bewältigt haben, sollten natürlich viele Einschränkungen wieder aufgehoben werden. Was jedoch bleiben sollte, ist das Bewusstsein für eine drohende Gefahr durch den Klimawandel. Es sollte die Erfahrung genutzt werden, dass das Leben weitergeht, auch wenn der Konsum eingeschränkt ist – man muss sich nur arrangieren und sich gegenseitig helfen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt sollte zunehmen, gleichzeitig die Abhängigkeit von internationalen Warenströmen abnehmen. Beides führt, wenn es richtig umgesetzt wird, zu hohen CO2-Einsparungen.
Sind wir mal ehrlich: die Corona-Pandemie hat einen vielfach größeren positiven Impact auf den weltweiten CO2-Ausstoß als ein ganzes Jahr Freitagsdemonstrationen und politische Arbeit der Ökologiebewegung zusammen – machen wir etwas daraus!
Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im März 2020 inklusive der Veränderungen zum Vormonat (Stand 16.03.2020):
— Der Autor Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit über 20 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten auch Solarmodule und –wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Hallo, richtig Corona zeigt, dass Einschnitte ertragen werden. Die Klimakrise betrifft alle ist nur für viele noch nicht greifbar. Je später wir bezüglich Klimaschutz handeln, je teurer wird es. Den Artikel sollten sich sämtliche Verantwortliche zu Herzen nehmen. Liebe Frau Merkel, im Fall Corona hören Sie auf die Wissenschaft. Tun Sie das bitte auch beim Thema Klimakatastrophe.
Viele Grüße
Frank
Ein bißchen zu locker sehen Sie die Einschränkungen, die diese Krise den Menschen auferlegt, schon. Das Amüsierbedürfnis ist sehr unterschiedlich, und in einem freiheitlichen Staat sollten nicht moralinsaure Tugendwächter den fröhlicheren Gesellen ihre Maßstäbe aufdrücken können. Mich und zahlreiche freiberuflich tätige Musiker trifft es schon sehr, dass unser Karfreitagskonzert abgesagt wurde. Und dieses Konzert wäre noch ein relativ harmloses Amüsement gewesen, regionale Mitwirkende und Publikum, keine Lärmbelästigung für Nachbarn, politisch in vieler Hinsicht absolut korrekt. Die Kultur ist das, was das Leben schön macht. Bleiben wir doch dabei: Das individuell sehr unterschiedliche Leben wird akzeptiert so lange man damit anderen nicht über das gesellschaftlich akzeptierte Maß hinaus schadet. Und um diesen Schaden weiter zu minimieren bemühen wir uns um Effizienz, Kostenwahrheit und ein ständiges Hinterfragen, was jetzt akzeptabel ist.
Der Mensch ist leider weit davon entfernt, ein rationales Wesen zu sein. Menschen, die sonst tagelang keinen Fuß vor die Haustür setzen, rebellieren gegen Ausgangssperren, weil sie das Gefühl des Eingesperrtseins nicht aushalten. Sich mit solchen Fragen offen auseinanderzusetzen, auch das ist Kultur, und die Kultur ist das, was den Menschen zu dem macht, was er gerne wäre.
Sehr richtig. Für das Überleben der Kulturbranche habe ich momentan leider auch kein Rezept. Auch meine Tochter muss sich gerade auf mindestens ein halbes Jahr ohne Aufträge vorbereiten.
Ich fürchte aber, diese Krise ist nur ein milder Vorbote dessen, was uns in Zukunft noch erwarten wird, wenn nach Corona alles so weitergeht wie bisher. Jeder sollte daraus für sich, seine persönliche und unser aller Zukunft seine Schlüsse ziehen und sein Leben danach umgestalten, dass es ihn/ uns beim nächsten Mal vielleicht nicht ganz so hart trifft.
„Das individuell sehr unterschiedliche Leben wird akzeptiert so lange man damit anderen nicht über das gesellschaftlich akzeptierte Maß hinaus schadet.“
So ist es, JCW, und der Punkt ist nun bei Treffen möglicher Virus-Multiplikatoren (und das sind wir potentiell alle) überschritten.
Hier die Bremse einzuwerfen, bevor die Krematorien örtlich überlastet sind (siehe aktuell Italien), hat überhaupt nichts mit moralinsauren Tugendwächtern zu tun.
„Das Amüsierbedürfnis ist sehr unterschiedlich, und in einem freiheitlichen Staat sollten nicht moralinsaure Tugendwächter den fröhlicheren Gesellen ihre Maßstäbe aufdrücken können.“
Genau diese Haltung wird dazu führen, dass es zu Ausgangssperren kommen wird. Nur werden die, welche sich dann in ihren Freiheitsbedürfnissen am meisten betroffen fühlen, leider nicht auf die Idee kommen, dass das eigene rücksichtslose Verhalten dafür mitursächlich ist.
Die Gefährdung demokratischer Entscheidungsfreiheit durch virusenthemmte TrittbrettfahrerInnen ist auszuschliessen.
Lieber Herr Ehrhardt,
ich habe das nicht bezogen auf die jetzt notwendigen Maßnahmen gegen die zu schnelle Corona-Ausbreitung. Im einer Uniklinik arbeitend bekomme ich sehr genau mit, was da auf uns zu kommt, und dass es auch so sehr unschön werden wird. Ich meinte es bezogen darauf, dass man aus dieser Krise doch lernen könnte, dass auch ein reduziertes Leben ganz gut funktioniert. Im Prinzip stimmt das zwar. Ich persönlich war noch nie außerhalb Europas, weil ich schon seit 30 Jahren Interkontinentalflüge zum Amüsement aus Umweltschutzgründen ablehne, und ich habe nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlt. Es läge mir aber völlig fern, das zum Maßstab für alle zu machen. Da lebe ich lieber in einem Staat, in dem jeder die Freiheit hat, seinen persönlichen Ausgleich von Amüsierbedürfnis und Umweltverbrauch zu finden. Ein gutes Hilfsmittel ist dabei die Kostenwahrheit. Wenn Flugbenzin nicht mehr steuerbefreit würde, wäre da schon mal was erreicht.
Na klar doch. Wir sollten die Situation nutzen und im Anschluss gleich das Paradies des Sozialismus wieder einführen hier…nicht!
Der Sozialismus ist tot – der ungezügelte Kapitalismus aber auch! Wie wäre es mit etwas Neuem, was den Realitäten von Mensch und Umwelt im 21. Jahrhundert besser entspricht?!
Tja eine ernüchternde Lehre aus der Coronakrise ist leider auch, dass die Menschen sehr begrenzt bereit sind, Lehren aus etwas zu ziehen, das sie nicht unmittelbar hier und jetzt betrifft. Solange das Virus nur in China, dann Südkorea und selbst Italien grassierte, wurde hier noch eifrig mit der Grippe verglichen und mögliche Einschränkungen wie Schulschließungen etc als sehr exotische, theoretische und weit entfernte Möglichkeit angesehen. Da müssen schon zuhause die Infiziertenzahlen eine deutlich exponentielle Entwicklung zeigen UND das Drama mit vielen Toten und überlasteten Krankenhäusern in Italien gleichzeitig ablaufen, um die Bereitschaft zu Einschränkungen zu schaffen.
Und auch jetzt gibt es noch genügend Unverbesserliche, die sich selbst von allen vernünftigen Maßnahmen ausgenommen sehen.
Zumindest hat die Politik hier eine sehr klare und eindeutige Haltung eingenommen, aber natürlich ist die große Herausforderung, die Menschen mitzunehmen – sowohl bei Corona als auch bei Klima
Hallo verehrter Herr Schachinger,
bravo, Sie bringen es auf den Punkt!!
Ich kann Ihren Ausführungen nur zustimmen.
Natürlich handelt es sich hier um gravierende Einschnitte
verursacht von der Angst vor einem Virus, nur in diesem Fall
trifft es uns alle unmittelbar und da schein handeln möglich.
Die Klimakrise ist dagegen kaum greifbar und schleichend
und trifft im Zweifel nur die Jugend.
Ich hoffe die Krise führt zu einem Umdenken…
Bleiben Sie gesund!
„Nicht nur ich sehe nämlich Parallelen in der Bedrohung durch das Virus auf der einen und den fortschreitenden Klimawandel auf der anderen Seite. Nur der Umgang mit der Krisensituation ist leider grundverschieden.“
Ähm, eher nicht: In beiden Fällen wird zu spät reagiert.
Der Corona-Virus hätte bei Maßnahmenbeginn Ende Januar durch beherzte Nachverfolgungs und Quarantäneanstrengungen vermutlich weltweit eingedämmt werden können, so wie es in China gelungen zu sein scheint. Das wäre weitaus kostengünstiger – menschlich wie auch wirtschaftlich – als die jetzt zu spät eingeleiteten Schutzvorkehrugen zur bloen Verlangsamung des weiteren Ausbruch, und wäre jetzt weitgehend zu Ende. Mit den stattdessen eingetretenem Ergebnis müssen wir monatelang (distancing) bzw. auf Dauer (Impfungen usw.) leben müssen.
Beim Klimawandel wird auch die Gelegenheit vertan, zuerst preiswerte Maßnahmen wie den Kohleausstieg zu ergreifen. Der nachträgliche Schutz gegen die Klimawandel (z.B. Dämme), die heute schon erkenbaren Folgen (z.B. Waldbrände in Australien), die künftigen Ausgleichsmaßnahmen (negative emissionen) und ggf. das Überschreiten der Tipping points werden weitaus teurer kommen.
Bei Corona ist der tipping point schon überschritten, da läuft alles im Zeitraffer.