Es sind skurrile Zeiten, die wir aktuell erleben. Das ganze Jahr 2019 diskutiert die Energiewelt in Deutschland über Klimaschutz, CO2-Preis, Kohleausstieg, Mindestabstandsregeln für Windkraft und „Solar-Deckel“. Und kommt zu keinem oder zumindest für die meisten, zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
Und nun das: Der Corona-Virus (oder heißt er jetzt COVID-19?) macht möglich, was keine Greta Thunberg, kein Fridays-for-future (FFF) oder Scientists for future (SFF) bisher erreichen konnte: Die mutlose, zaghafte und zuweilen scheinbar angstgeplagte Bundesregierung fängt an, sich schneller als im Schneckentempo zu bewegen.
Zwar immer noch zaghaft, aber Tag für Tag mit immer schnelleren und teilweise schrilleren Tönen. Inzwischen jagt ein Krisengipfel den nächsten, fast täglich fühlen sich Innenminister, Gesundheitsminister und, ja, sogar die Kanzlerin, genötigt, etwas zur Lage der Nation zum Besten zu geben.
Parallelen zum Klimaschutz
Man kann davon halten was man will – die einen finden es komplett übertrieben, den anderen gehen die Maßnahmen nicht weit genug und vor allem nicht schnell genug. Eigentlich genauso wie beim Thema Klimaschutz.
Und, genauso wie beim Klimaschutz, läuft die Politik Gefahr, von der Realität links und rechts überholt zu werden. Die Lufthansa streicht 23.000 Flüge alleine bis nach Ostern. Das sind fast 600 Flüge pro Tag! Messen werden reihenweise abgesagt. Unternehmen stellen Ihre Arbeitsweise schlagartig um auf Home-Office. Meetings werden zu Video-Konferenzen. Der Ölpreis kollabiert und sinkt auf Rekordtiefen, die seit der Finanzkrise nicht gesehen wurden.
Das alles wird dafür sorgen, dass die menschgemachten und klimarelevanten Emissionen sinken.
Corona-Virus schafft das, was der drohende Klimawandel nicht schafft
Aus Angst vor etwas „vergleichsweise Harmlosen“ (Richard David Precht) sind plötzlich Dinge möglich, vor denen vorher eindringlich bezüglich Klimaschutz gewarnt wurde: Nur keine Verbote. Die Wirtschaft nicht überfordern. Geht alles viel zu schnell und ist zu radikal.
Plötzlich kann der Staat aber nun eingreifen, verbieten und klare Grenzen setzen – Maßnahmen, zu denen sich die Gesellschaft angesichts des deutlich bedrohlicheren Klimawandels nicht hinreißen lässt. Die Schlussfolgerung von Richard David Precht: „Die Leute haben mehr Angst um ihr Leben haben als um das Überleben der Menschheit“. Diese Meinung kann man teilen oder auch nicht. Aber es regt zumindest zum Nachdenken an.
Fakt ist: Wenn eine unmittelbare Bedrohungslage vorliegt, dann sind wir scheinbar in Lage, umfassend, schnell und auch mit drastischen Maßnahmen zu reagieren. Und: Die Kosten der Klimarettung steigen, je länger die Politik die Gegenmaßnahmen aufschiebt
Wasserstoff der (neue) Heilsbringer?
Fakt ist aber auch: Corona wird vergehen – früher oder später. Der Klimawandel aber nicht. Wir kommen also nicht umhin, gerade in dieser teilweise lebensbedrohenden Krise die Weichen für aktiven und wirksamen Klimaschutz zu stellen.
Da ist man dann schnell beim Wasserstoff. Scheinbar hat die deutsche Politik den Heilsbringer gefunden: Wasserstoff, in großen Mengen importiert. Dieser soll jetzt die Energiewende in Deutschland vollbringen, Klimaschutz als „grüner“ Wasserstoff inklusive. Der Wasserstoff als Lösung für alles. Es vergeht kaum ein Tag an dem man nicht in den Medien, auch sozialen Medien über die vielen Vorteile von Wasserstoff (H2) liest. Und wie überlegen doch auf Wasserstoff basierende Antriebe der „E-Mobilität“ wären.
Wasserstoff ist ein Energieträger – keine Primärenergiequelle
Was dabei nicht erwähnt wird: Wasserstoff ist kein Erdöl. Wasserstoff ist ein Energieträger, der aus Primärenergiequellen hergestellt werden muss. Genauso wie Strom. Auch (erneuerbarer) Strom kann in Wasserstoff umgewandelt werden. Mit entsprechenden Verlusten. Hinzu kommt: Wenn ich den Wasserstoff dann an Bord eines Brennstoffzellen (BZ) – Fahrzeugs wieder rückverstrome, dann entstehen weitere Verluste. Man benötigt in einem H2-BZ-Fahrzeug deshalb die doppelte Energie als in einem batteriebetriebenen Elektrofahrzeug, um 100 Kilometer zu fahren (über 30 Kilowattstunden vs. 16 Kilowattstunden). Wenn man die Verluste der Vorkette (Herstellung, gegebenfalls Verdichtung und Transport) einrechnet, kommt man schnell weit über 50 Kilowattstunden Strombedarf, um ein H2-BZ-Fahrzeug 100 Kilometer zu bewegen. Also um Faktor 3 schlechter als ein batteriebetriebenes Fahrzeug (16 Kilowattstunden vs. 50 Kilowattstunden).
Quelle: https://positionen.wienenergie.at/beitraege/grafik-strombedarf-erneuerbare-energie-fahrzeuge/
Hoffnungsträger „Synfuels“: Rettung des Verbrennungsmotors?
Fakt ist: Wenn wir den Klimawandel erst nehmen, und die Importabhängigkeit Deutschlands gegenüber fossilen Heiz- und Brennstoffen reduzieren wollen, führt an der (Teil-) Elektrifizierung des kompletten Verkehrs- und Transportsektors kein Weg vorbei. Denn aus Wasserstoff erzeugte Synfuels oder andere aus erneuerbaren Energien hergestellte Kraftstoffe sind noch einmal um Größenordnungen schlechter in der Effizienz als H2-BZ-Fahrzeuge. Wie in der Grafik zu sehen ist, werden dafür 6- bis 7-mal mehr Energie benötigt als bei einem batterieelektrischen Fahrzeug. Das bedeutet, ich bräuchte noch 6- bis 7-mal mehr Erneuerbaren-Erzeugungsanlagen, um dieselben Kilometer zurückzulegen.
Klimawirksamkeit: Batteriebetriebene E-Mobilität gewinnt
Die Forscher Brian Cox und Christian Bauer haben in einer groß angelegten Studie des Paul-Scherrer-Instituts (PSI-Studie) die Umweltauswirkungen von Personenwagen mit verschiedenen Antrieben verglichen. Zusätzlich zum Schadstoffausstoß im Betrieb wurden die Emissionen betrachtet, die bei der Herstellung jedes einzelnen Fahrzeugs anfallen. Die Forscher haben neben dem Status quo im Jahre 2018 auch ausgerechnet, welche Werte vermutlich im Jahr 2040 erreicht werden. So zeigt sich beispielsweise, dass bei den Erdgasautos der Zukunft mehr Einsparungen zu erwarten sind als bei Brennstoffzellen-Wagen. Klarer Gewinner, sowohl 2018 als auch 2040: Das batteriebetriebene Elektrofahrzeug.
Stromspeicher für E-Tankstellen
Aus wirtschaftlichen, energie- und klimapolitischen Gründen wird sich der Markt für Elektrofahrzeuge deswegen dynamisch entwickeln. Bereits im Januar und Februar diesen Jahres konnte man dies bereits an den Zulassungszahlen in Deutschland sehen. Deshalb sollte die Konzentration der Politik und Unternehmen nun vor allem auf der Förderung und Aufbau der Ladeinfrastruktur liegen, um den Markthochlauf zu flankieren. Dazu gehören insbesondere die stark gefragten Zuschüsse für Ladepunkte (Wallboxen) und Ladesäulen.
Außerdem planen viele Landesregierungen vermehrt die Nutzung intelligenter Ladeinfrastruktur. Was ausdrücklich und oft auch stationäre Batteriespeichersysteme mit einschließt. Selbst erzeugter Sonnen- oder Windstrom kann so gespeichert und flexibel für das E-Fahrzeug genutzt werden.
— Der Autor Dietmar Geckeler blickt auf knapp 15 Jahre Erfahrung in der Solar- und Speicherbranche zurück. Der Diplom-Ingenieur der Verfahrens- und Umwelttechnik machte sich nach mehreren Stationen in Entwicklung und Industrie vor drei Jahren selbstständig. Mit der Strategie- und Technologieberatung Denersol berät er seitdem Unternehmen aus der Energie- sowie Wohnungswirtschaft. Schwerpunkt sind innovative und dezentrale Energieversorgungslösungen und Geschäftsmodelle, sowie die dafür notwendigen Konzepte und Technologien. Weitere Informationen finden Sie unter www.denersol.de —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Bemerkenswert, wie einfach man es sich machen kann und den Wirkungsgrad zum allein seligmachenden Kriterium macht. Hat da jemand Hr. Diess von VW zu lange gelauscht?
Die extreme Rohstoffabhängigkeit von Batterien? Einfach mal komplett ignoriert. Die dringende Notwendigkeit, Stromübeschüsse im Netz auch für längere Zeitabstände zu speichern? Komplett unterschlagen.
Ob er Geckeler es will oder nicht, Wasserstoff kommt – und wenn er nicht in Deutschland kommt, dann kommt er nach Deutschland.
Wasserstoff als Saisonalspeicher wird nach derzeitigem Stand der Technik sicher kommen. Der Wirkungsgrad ist aber entscheidend, wenn es darum geht, die Umweltauswirkungen so gering wie möglich zu halten. Deshalb wird der Verkehrsbereich darauf setzen, so viel wie möglich Energie mit möglichst geringen Verlusten umzusetzen, und das bedeutet eben Batterien oder Stromleitungen an den Straßen. Wobei ein Batteriewechselsystem (s.u.) es auch durchaus ermöglichen würde, bspw. im Winter Module zu verwenden, in denen auch ein kleiner Wasserstofftank mit Brennstoffzelle (oder Gasturbine) Fahrstrom und Heizwärme bereitstellt. Der Vorteil von Wechselmodulen ist eben die Technologieoffenheit. Der gleiche Vorteil führt dazu, dass auch die Batteriechemie nicht festgelegt ist. Das Argument der Rohstoffverfügbarkeit für Li-Ionen-Akkus erweist sich damit als allenfalls vorübergehendes Phänomen.
Nach gegenwärtigem Stand der Technik wäre aber genauso denkbar, dass Hochtemperaturspeicher aus Stahl im Winter die Dunkelflaute überbrücken, mit gutem Wirkungsgrad Strom bereitstellen und die Abwärme in Wärmenetzen verteilen. Das würde allerdings bedingen, dass die Windkraft hierzulande bis auf den letzten möglichen Standort ausgenutzt wird. Auch eine Kombination aus Wasserstoff, importiert und selbst erzeugt, und diesen Wärmespeichern wäre auf Netzebene ohne weiteres denkbar. Im Verkehrsbereich wäre ein solcher Flickenteppich an Technologien (Batterie, Wasserstoff, Fahrdraht) eher schwierig. Der Verkehrsbereich wird umso besser laufen, je weniger Einzellösungen es gibt, so wie heute die Beschränkung auf zwei oder drei Kraftstoffarten plus der elektrisch fahrenden Bahn.
Lieber (Hr.?) Sebastian, danke für Ihr Feedback zu dem ich wie folgt Stellung beziehen möchte:
– Weder wollte ich es mir einfach machen noch ist die Grundaussage meines Artikels, dass es einzig und alleine um „Wirkungsgrad“ geht. Was ich anprangere ist die undifferenzierte Auseinandersetzung mit Wasserstoff (Staatssekretär Bareiß: Die wohl wichtigste „Energiequelle“ – was er nicht ist auf der Erde) und die nicht sachgemäße Einordnung desselben mit allen Vor- und Nachteilen.
– Ich zitiere u.a. eine Studie der Schweizer EMPA, die die Klimawirksamkeit der Antriebe (ganzheitlich) im Jahre 2018 und 2040 systematisch untersucht hat. Auch hier hat der hohe Wirkungsgrad im Betrieb natürlich einen großen Enfluss, aber es fließen eben auch die Fahrzeug- als auch die Batterieherstellung sowie der Energiebedarf dafür in die Betrachtung mit ein.
– Ich benötige Hr. Diess nicht als „Einflüsterer“ da ich bereits Elektrolyseure und Brennstoffzellen sowie Batteriespeichersysteme selbst entwickelt und getestet habe als Hr. Diess noch die „Oberaufsicht“ über den Einkauf von Komponenten für Verbrennungsmotoren bei BMW hatte. (vor 2010).
– Zur „extremen“ Rohstoffabhängigkeit von Batterien ist folgendes zu sagen:
1. Ist dies kein Phänomen alleine von Akkus für Elektroautos sondern gilt vor allem portable Li-Ionen-Akkus, also Handys, Tablets, Laptops, e-bikes etc. Diese haben beispielsweise einen vergleichsweise deutlich höheren Kobaltanteil.
2. Sinkt der Anteil an Kobalt seit Jahren kontinuierlich (NMC 622, dann NMC 811 und bald weniger als 10 % auf der Kathode), TESLA ist bereits mit Ihren NCA-Kathoden 80 – 90 % sein. Stand heute werden Cobalt, Kupfer, Aluminium als teuerste Materialien rückgewonnen. Die 3 größten recycler arbeiten hier an aktuell 2 sehr vielversprechenden und energiereduzierten Recyclingverfahren.
– Die dringende Notwendigkeit, Stromübeschüsse im Netz auch für längere Zeitabstände zu speichern?
Erstens sehe ich diese „dringende“ Notwendigkeit noch nicht (gestützt durch zahlreiche Studien). Im Moment reden wir von wenigen Stunden im Jahr und aktuell 60 % EE haben werden, dann wird das sicherlich wichtig werden.
Das war aber einafch nicht Thema meines Artikels.
Im gegenteil sehe ich Wasserstoff bei EE-Anteilen > 70 % dann als notwendig an. Jedoch ist es sinnvoller, mit diesem H2 dann zunächst „grauen“ Wasserstoff direkt zu ersetzen, was direkt zu CO2-Einsparungen führt. Z.B. In der Stahlherstellung oder in der Düngemittelherstellung.
Danach wäre es dann energiesystemisch sogar sinnvoller, den H2 wieder in einem KWK-Anlage mit hohem Wirkungsgrad rückzuverstromen (90 % und mehr) und damit wieder Strom und Wärme zu erzeugen, die direkt im Gebäudesegment zu CO2-Einsparungen führt.
Gleichzeitig erlaubt dies eine saisonale Speicherung von Solarstrom und eine Rückverstromung, die energiesystemtechnisch dann (bei Ladung eines E-Autos und Verwendung im Wärmebereich) direkt wieder CO2-Einsparungen bringt und direkt fossile energieträger einspart. Mit höherem Nutzen für das energiesystem.
Also ja – Wasserstoff wird benötigt. Aber erst später und wenn dann um direkt fossile Brennstoffe zu ersetzen.
Eine interessante Parallele zwischen Corona- und Klimakrise ist, dass die Wissenschaft schon zu Maßnahmen rät, bevor die Katastrophe sichtbar ist, und solche – bei Corona – auch entsprechend ergriffen werden. Es wird auch sichtbar werden, dass derjenige, der beherztere Maßnahmen früher ergreift, weniger Probleme bekommt.
Der wesentliche Unterschied ist, dass die Maßnahmen bei Corona als vorübergehend erscheinen, für das Klima aber zu einem dauerhaften Umbau unserer Energieversorgung führen sollen. Wegen des vorübergehenden Charakters fällt es der Politik leichter, Verzicht einzufordern, und es regt sich kaum Protest. Vielleicht springt der Funke aber über: Nachdem man davon profitierte, in der Corona-Krise rechtzeitig auf die Wissenschaft gehört zu haben, wird das auch bei der Klimakrise leichter einzufordern sein. Wichtig ist, zu beobachten, wie unterschiedlich Menschen auf den Shutdown reagieren. Manche leiden furchtbar unter der Langeweile, weil sie den Kontakt zu anderen, das Bad in der Menge, brauchen wie die Luft zum Atmen. Andere sind froh, dass sie mal aus dem Hamsterrad aussteigen können, das schöne Wetter genießen, ein Buch lesen, Gesellschaftsspiele mit den Kindern, oder was auch immer, was sie eigentlich für das gute Leben halten, wovon sie im Alltag aber immer abgelenkt werden.
Um das batteriegetriebene Elektroauto praxistauglich nicht nur als Zweitwagen zu machen, sollte man endlich ein Batteriewechselsystem entwickeln. Der Bund sollte die Firma StreetScooter von der Post aufkaufen, das System entwickeln lassen, die Post wird Referenzkunde sein und dann wird es zum öffentlichen Standard gemacht. Wechsel-Batterien sind schnell gewechselt, müssen nicht energiedichteoptimiert sein, können einer langen Lebensdauer zu liebe immer schonend langsam geladen werden, und diese Ladung kann auch noch netzdienlich erfolgen. Je nach Nachfrage für Verkehr und Netz können sie sogar Strom zurückspeisen. Der Austausch am Fahrzeug muss im Normalfall von einem programmierten Roboterarm durchgeführt werden. Bei den gegenwärtigen Akkus sind etwa 100kg/100km rumzuheben. Der Egoismus der Autohersteller, die alle hoffen, der Apple unter den Autos zu werden, hat bisher verhindert, dass ein entsprechendes System für alle entwickelt wird, deshalb muss der Staat tätig werden.
Lieber JCW, ein interessanter Gedanke mit den Batteriewechselstationen.
Die Idee dazu ist auch nicht neu, vor relativ langer zeit hatte sich daran bereits ein US-amerikanisch-israelisches Start-up (Project better place) sogar in Zusammenarbeit mit einem großen Automobilhersteller (ich glaube es war Renault) versucht. Allerdings meines Wissens dann im Jahre 2013 in die Insolvenz gerutscht und nach fast 1 Mrd. Dollar Investition alle Wechselstationen stillgelegt.
Auch das Forschungszentrum Next Energie in Oldenburg hatte eine solche Batteriewechselstation entwickelt.
Was nach wie vor fehlt war/ist ein funktionierendes Geschäftsmodell. Wie so oft liegt / lag es nicht daran, dass die Technik nicht da war oder nicht mitmachte.
Neben dem fehlenden Geschäftsmodell sind es des Weiteren strukturelle (Autoindustrie ist nicht bereit, sich auf einen übergreifenden Standard zu einigen, der notwendig wäre) sowie sozio-ökonomische Barrieren (mein „eigenes Auto“) sowie rechtliche Themen (Garantien, etc.) die ein solches Modell bisher nicht möglich gemacht haben.
Außer der Corona-Virus und seine Auswirkungen lehren uns eines besseren, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass bei der aktuell organisierten Wirtschaft und aufgrund des Widerstands der Autoindustrie dieses Modell erfolg haben könnte, vor allem auch deutschlandübergreifend.
Man darf nicht vergessen, dass der größte Automobilmarkt der Welt in Asien liegt und nach anderen Lösungen verlangt.
Die gescheiterten Projekte bisher waren einfach zu früh dran. Das ist wie die Firma Palm, die einen Handcomputer schon in den 80ern entwickelt hatte, aber es fehlten ein paar Rahmenbedingungen (leistungsfähige Batterien, Mobilfunknetz und Internet) um ihn so einschlagen zu lassen wie es 2007 dem iphone beschieden war.
Jetzt sind diese Rahmenbedingungen für ein Batteriewechselsystem da: Es gibt den erklärten politischen Willen auf E-Mobilität umzusteigen, die Autohersteller sind jetzt auch bereit dazu, diesen Willen umzusetzen. Es gibt Batterien, mit denen ein solches System umgesetzt werden kann.
Wie immer gibt es das Henne-Ei-Problem. Deshalb wird sich so ein System erst im Kleinen (Lieferfahrzeugflotten, Nahverkehrsunternehmen) etablieren müssen um dann als zusätzliches Gimmick auch für den Individualverkehr die fest eingebauten Batterien zu ergänzen. Da wir es eilig haben, kann das gar nicht schnell genug gehen. Jahrelanges Abwarten, die Entwicklung mehrerer inkompatibler Systeme, und dann ein mühsamer Standardisierungsprozess: Möglichst viele dieser Stufen sollten durch ein konsequentes staatlich getriebenes Entwicklungsprogramm übersprungen werden. Das gute ist: Es gibt kein Entweder-Oder. Auch mit Wechselakkus bestückte Autos werden natürlich an einer Ladesäule geladen werden können. Auch wenn das Ausland nicht gleich mitzieht, kann man auch mit einem Wechselakku-Auto dorthin fahren, ist dann nur so einschränkt, wie mit den heutigen festeingebauten Akkus. Man ist dort auf das Laden an Ladesäulen angewiesen, während man dort, wo es Akkuwechselstationen gibt, die Wahl hat. Das Bessere wird sich durchsetzen und Deutschland könnte ganz an der Spitze stehen. Nur die Partei, die für sich die größte Wirtschaftskompetenz beansprucht, die ist damit beschäftigt, den Fortschritt aufzuhalten wo es geht, und ihr Partner in der Groko hängt noch konservativer an den alten Strukturen: Die Garantie dafür, dass Deutschland immer weiter zurückfällt.
Danke für den guten Artikel.
Kleine Ergänzung: laut cleanenergypartnership.de dort unter FAQ, werden 55 kWh elektrische Energie benötigt, um ein ein Kilogramm Wasserstoff über die Elektrolyse herzustellen. Mit der nötigen Kompression auf über 700 bar werden also rund 60 kWh Strom gebraucht, um ein kg Wasserstoff in einen Autotank zu pressen. Nicht 31 kWh. Damit fährt ein FCEV knapp 100 km weit. Ein BEV (18 kWh/100 km, incl. Ladeverluste) fährt damit über 300 km weit.
Ja, es ärgert die Wasserstofffreunde, dass die schlechte Energieeffizienz diese Technik ins Abseits stellt. Bernd Buchholtz, Wirtschaftsminister SH, macht sich über die „All-efficiency-league“ lustig und Andreas Rimkus, SPD-MdB, zuständig für Elektromobilität, hielt mir genervt entgegen: „Kommen Sie mir nicht mit der Effizienz-Keule.“
Das ist keine akademische Haarspalterei. Wir brauchen für den deutschen Pkw-Bestand als FCEV 423 TWh grünen Strom. Wir (DE) haben aktuell (2018) aber nur 225 TWh hergestellt. Woher also sollen weitere 423 TWh herkommen?
Die sollen aus dem aktuell abgeregelten Strom kommen? Das waren 2018 5,4 TWh (Quelle: Bundesnetzagentur). Damit können wir also 1,3 % der deutschen Pkw als FCEV betreiben. Eben weil diese Technik so ineffizient ist. Sie ist energetisch ein Fass ohne Boden.
Der Akku hat so viele problematische Rohstoffe? Ja, hat er teilweise. Wie auch die Akkus für Handys, Laptops oder die Brennstoffzelle. In jeder Brennstoffzelle eines Toyota Mirai stecken 30 Gramm Platin. Mobilität ist nicht ohne Umweltbelastung zu haben, auch nicht mit einem (Aluminium-)Fahrrad.
Würde man ihrer Argumentation folgen, dann dürfte es keine Photovoltaik in Deutschland geben – zu geringer Wirkungsgrad. In Afrika ist die Effizienz viermal höher. Der Wasserstoff wird zum größten Teil auch gar nicht in Deutschland produziert werden, sondern in sonnenreichen Regionen. Saudi Arabien wird Solarstrom für 1 Cent pro Kilowattstunde herstellen. Wir bekommen also Strom quasi geschenkt. Wen interessiert da die Effizienz? Rohstoffverbrauch und Kreislaufwirtschaft werden in Zukunft die viel entscheidenderen Themen sein.
@Sebastian
Nun, das ist ziemlicher Blödsinn. In keinem Land der Erde wird PV viermal mehr Strom produzieren als in Deutschland?! Mehr als 2.000 kWh/ kWp p.a. ist in keinem Land der Welt möglich (können Sie gerne mal ausprobieren?)! Zum Vergleich: Freiflächenanlagen in Deutschland können über 1.100 kWh/ kWp p.a. produzieren, u.U. sogar mehr. Zudem ist es äußerst unwahrscheinlich, dass PV-Module unter so extremen klimatischen Bedingungen wie z.B. in Saudi-Arabien genauso lange halten wie in Deutschland?!
Berücksichtigen Sie noch die Verluste durch die Herstellung und den Transport … und der importierte Wasserstoff wird verglichen mit direkt genutzten Strom aus einer PV-Anlage in Deutschland kostenmäßig IMMER im Nachteil sein.
Lieber Vanelius, danke für die sinnvolle Ergänzung. In der Tat bin ich mit der Grafik im Nachinein auch nicht einverstanden bzw. nicht glücklich darüber, da Sie den WTW beim H2/BZ-Fahrzeug zu positiv zeichnet und die komplette Vorkette der H2-Herstellung und -Transport außer Acht lässt.
Um 100 km mit einem H2-/BZ-Fahrzeug (welches übrigens auch ein elektrisch angetriebens Fahrzeug mit Elektromotor und kleinerer Batterie ist) , sind in der Regel um 1 kg Wasserstoff notwendig (33 kWh Energieinhalt). Wie Sie richtig ausführen, landet man dann, sofern dieser mittels Strom über elektrolyse hergestellt wird bei gängigen Elektrolyeuren bei ca. 55-60 kWh Stromeinsatz pro kg Wasserstoff, (Verluste bei Kompression und Kühlungschon einberechnet).
In Zeiten des Versuchs der aktuellen Bundesregierung, durch Solar-Deckel (PV) und Mindestabstandsregeln (Wind) den Ausbau erneuerbarer Energien systematisch abzuwürgen, gibt es neben dem „Effizienz“-Argument dann noch ganz praktische Argumente, warum wir bei Ziel einer vollständigen Defossilisierung und Solarisierung nicht in der Fläche auf H2 für den Verkehrssektor setzen können.
20% Ladeplätze vernichten 20% Dauerparkplätze, die aber weiterhin zu 100% nach dem Laden gebraucht werden.
Ort der vorgeleisteten Ladeplätze und Ort der Wohnung von potentiellen Akkuautokäufern stimmen nicht überein.
Wer läuft mehrmals hin und her, besonders wenn er abends nicht gleich einen freien Ladeplatz in akzeptabler Nähe findet. Trotz Appsteuerung wo parkt er solange, wird der Ladeplatz auch pünktlich freigemacht?Stress über Stress. Jenseits von Häuslebesitzern stoppt die Akkumobilität. Und die besetzen öffentliche Ladeplätze bei jeder Gelegenheit als Parkplätze durch Scheinladen.
Natürlich ist eine Sprossenleiter effizienter. Pro Energieeinsatz 100% Höhengewinn, um hoch oder tief in eine Höhle zu kommen. Und trotzdem benutzen wir investitionsteurere und unterhaltungsteurere Treppenhäuser und Fahrstühle. Sprossenleiter bringts auf längere Sicht nicht und ist ein Holzweg obwohl inzwischen aus Metall 🙂 ml
Ich weiß ja nicht, auf welchen praktischen Erfahrungen mit Elektromobilität Ihre Äußerungen fußen. Ich habe jedenfalls in jetzt knapp 7 Jahren E-Mobilität mit rund 125.000 km derlei Erfahrungen nicht gemacht. Der Akku wird gelegentlich dort geladen wo das Auto ohnehin länger steht: bei der Arbeit, zu Hause, beim Sport, beim Einkaufen oder sonstwo. Es gibt inzwischen über 30.000 öffentliche Ladepunkte in Deutschland. Aktuelle Reichweiten von bis zu 600 km (WLTP) schaffen große Flexibilität.
In den vergangenen Tagen habe ich mehrfach lange Schlangen an Tankstellen gesehen bis auf die Straße zurück, weil die Spritpreise plötzlich fielen. Wie schön, dass ich nicht mehr zur Tankstelle fahren muss
@ Sebastian. Zitat: „Würde man ihrer Argumentation folgen, dann dürfte es keine Photovoltaik in Deutschland geben – zu geringer Wirkungsgrad.“
Da übersehen Sie etwas. Effizienter Einsatz eines Gutes (hier: grüner Strom) ist immer dann wichtig, wenn es sich im ökonomischen Sinne um ein knappes Gut handelt. Und grüner Strom ist ein knappes Gut. Wir haben viel zu wenig davon.
Bei der Umwandlung von Sonnenlicht in Strom spielt Effizienz dagegen keine Rolle, weil Sonnenlicht kein knappes Gut ist. Es hat deshalb auch keinen Preis („die Sonne schickt keine Rechnung“) aber einen hohen Wert (ohne Sonnenlicht kein Leben auf der Erde). Die Sonne scheint nach menschlichen Maßstäben noch unendliche Zeit.
Dass die Effizienz der PV in Afrika viermal höher ist als hier, bezweifele ich. Pro Stunde Sonnenschein wird vermutlich sogar weniger elektrische Arbeit produziert, weil die Paneele viel heißer und damit ineffizienter werden. Die Sonne scheint hier im Sommer bis zu 15 Stunden – das gibt es nirgendwo in Afrika.
Aber davon abgesehen, möchte ich die Abhängigkeit von dubiosen Ländern beim Erdöl-Import nicht nahtlos fortsetzen beim Wasserstoff. Marokko und Ägypten (von Libyen und Algerien ganz zu schweigen) sollten zunächst mal selbst von Kohle und Öl weg kommen und auf PV umsteigen.
Eines geht aber auch immer wieder vergessen:
Wenn der Strom wieder zur Batterie raus kommt, ist er deutlich teurer als bei der Einspeisung. Ich muss nämlich den Batteriepreis auf die über die Lebensdauer abgegebenen kWh abschreiben.
Genau aus diesem Grund habe ich ja bei meiner Photovoltaik-Anlage keinen Batteriespeicher. Die kWh würde mich nur schon für die Speicherung etwa 10 Cents pro kWh kosten.
Wenn ich also mit grossen Batterie für 10’000.- Euro 200’000 km fahre, dann kommen nur schon für die Speicherung 5 Cents pro km, bzw. 5 Euro pro 100 km dazu.
Ebenfalls aus diesem Grund sind BEV mit kleinen Batterien in jeder Hinsicht (Kosten, CO2) sehr viel effizienter als BEV mit grossen Batterien. Und für universel verwendbare BEV besser eine ‚kleine‘ Batterie für ca. 150 – 200 km und ein Range Extender (heute Benzin, künftig hoffentlich H2).
Wasserstoff – Wirkungsgrade
Solange unsere Energieversorgung in der Hauptsache auf Kohle und Öl beruht sind große Anstrengungen zur Verbesserung der Wirkungsgrade selbstverständlich sinnvoll. Fossile Energieträger müssen aus begrenzten Vorräten gefördert werden und belasten die Umwelt massiv. Deshalb sollten zumindest die Verluste durch schlechte Wirkungsgrade so gering als möglich sein.
Die Prioritäten verändern sich aber wenn erneuerbare Energien die entscheidende Rolle bei der Energieversorgung erreichen sollten. Sonne scheint und Wind weht ob wir sie nutzen oder nicht und es sind alle Voraussetzungen vorhanden um damit jeden gegenwärtigen und zukünftigen Energiebedarf zu decken.
Priorität hat dann nicht mehr das Energiesparen um jeden Preis, sondern die sinnvolle Kombination der vorhandenen Technologien um für die Produktion und Speicherung der e.E. nur möglichst reichlich vorhandene und unschädliche Rohstoffe zu nutzen. Dass grüner Wasserstoff als Speichermedium dabei eine wichtige Rolle spielt, kann aus heutiger Sicht als sicher gelten.
Sonne und Wind sind in der Tat unendlich vorhanden und Effizienz spielt deshalb bei der Umwandlung der Sonnenstrahlung/des Windes in Strom keine Rolle. Das daraus entstehende Produkt, CO2-freier Strom, ist aber nur begrenzt vorhanden, im ökonomischen Sinne eine knappes Gut und hat deshalb einen Preis. Im Gegensatz zu Sonne und Wind. Die kosten nichts.
Erfreuliche und erfrischende Diskussion. Ja, aber.
Lassen Sie und das Thema bitte mal von der anderen Seite aufrollen.
Als Fahrer einer herkömmlichen Limousine finde ich es jedesmal nervtreibend, bei sinkendem Stand des Brennstoffes die Reserve an dem Display angezeigt zu bekommen; „Ihre Restdistanz beträgt 100 kM“. Schweißtreibend!
Jeden oder nur jeden zweiten Abend das Vehikel an die Steckdose bringen zu müssen stelle ich mir gerade etwas nerfig vor. Nicht jeder Autohersteller bietet, wie Tesla, 500 kM Reichweite eines Stromers an.
Wie von R.Martin richtigerweise angemerkt, ist das Thema der Ladeplätze gerade in Mietwohnungsbau oder auch Eigentumswohnungen nicht wirklich geklärt und zu Ende gedacht.
Vanellus bemerkt bestätigenderweise, dass es mitlerweile über 30.000 Ladeplätze im öffentlichen Raum geben würde. Für eine auf Elektrifizierung basierende Flotte in „D“ bräuchten wir bei mehr als 40 Mio.Fahzeugen eine geringfügig größere Menge….
Der aktuelle Status für den Ausbau von verfügbarer Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum reflektiert bei jedem potentielle E-Autokäufer, letzendlich nur mit der Ladestation an seinem Einfamilienhaus kalkulieren zu müssen.
Wechselbatterieen werden schon seit einiger Zeit diskutiert.
Eigentum, Pfandsystem, oder auch Leasing. Ja, eine schonendere Ladung für E-Netz und auch der eigentlichen Zellen wäre möglich.
Allerdings werden auch diese je nach Gebrauch und Anforderung altern. Ich sehe im Moment kein Geschäftsmodell, nach dem jemand eine Wechselstation an der Autobahn aufbauen sollte.
Um die größten Bedenken der beschränkten Reichweite werden vermehrt Hybridfahrzeuge angeboten. Leider sind das größtenteils bisherige Serienmodelle der Autohersteller, denen noch huckepack ein E-Motor und eine gewichtige Batteriepackung verpasst werden.
Auch das erhöte Gewicht wird massgeblich zur (Nicht)-Effizienz von E-Mobility und sonstigen eventuell negativen Fahreigenschaften beitragen.
Wasserstoff wäre aus meinem Blickwinkel heraus die bestmöglich Alternative für den Brennstoffersatz Verkehr. Für den Verbraucher so gut wie keine Änderung.
Solar und wind basierte Erzeugung von Wasserstoff hört sich doch ersteinmal ganz vernüftig an. Die abgeregelte Menge an Windstrom von TWh/a 5,4 , wie von Vallenus erwähnt, reflektiert den jetzigen Zustand, der auf ein Stomnetz ohne wirkliche Speichermasse oder interagierende Stromverbraucher basiert; muss ja nicht so bleiben. Es wäre möglich ein in die wasserstoffproduzierende Installation hinein athmendes System zu entwickeln, welches auch noch von dem Vergütungssystem der regelenergie getragen werden könnte. Ja das ist jetz ein wenig Viel!
Wirkungsgade sind bei erneuerbaren Energie-Recourcen nur eine Frage der Scalierung der Inverst-Kosten beim Design der Anlagen; nicht der lfd. Kosten.
Es wär wiklich schade, wenn wir all diese Gedanken außen vor lassen würden.