Genügt das Klimaschutzprogramm 2030, um das für dieses Jahr gesetzte Klimaziel einer Minderung um 55 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen? Um das herauszufinden, hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Studie bei Prognos in Auftrag gegeben. Das Ministerium hat die Analyse nun veröffentlicht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms die Emissionen nur um 52 Prozent sinken lassen.
Das geht vor allem auf das Konto des Verkehrssektors. Die Prognos-Forscher erwarten, dass mit dem Klimaschutzprogramm 2030 die CO2-Emissionen im Verkehr auf 125 Millionen Tonnen sinken werden. Ziel sind jedoch 95 Millionen Tonnen. Damit werden gerade einmal 56 Prozent des Ziels erreicht. Im Gebäudesektor werden die Vorgaben zu 94 Prozent eingehalten. Die Energiewirtschaft und die Industrie sind mit 97 beziehungsweise 98 Prozent fast im Plan. Die Landwirtschaft kommt auf einen Zielerreichungsgrad von 82 Prozent. Sie trägt allerdings nur vergleichsweise wenig zu den Gesamtemissionen bei.
Darüber hinaus kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass die erneuerbaren Energien 2030 insgesamt 63 Prozent des Bruttostromverbrauchs decken werden. Das 65-Prozent-Ziel der Bundesregierung wird damit verfehlt.
Allerdings legen die Prognos-Forscher ihrer Kalkulation Annahmen zum Stromverbrauch zugrunde, die deutlich von denen anderer Experten abweichen. Geht die Prognos-Studie von 591 Gigawattstunden Bruttostromverbrauch aus, so nimmt das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) für 2030 einen Verbrauch von 683 Terawattstunden an. Ein aktuelles Szenario des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) kommt gar zu dem Ergebnis, dass die Nachfrage 2030 bei etwa 748 Terawattstunden liegen wird. Je mehr Strom 2030 verbraucht wird, desto stärker müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, um das 65-Prozent-Ziel zu erreichen.
„Das Gutachten von Prognos zeigt, das Klimaprogramm ist kein ‚Päckchen‘, sondern es ist ein substanzielles Paket“, interpretiert Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Studie. „Mit den Maßnahmen des Klimaprogramms können wir die Emissionsminderung, die wir uns für den Zeitraum von 1990 und bis 2030 vorgenommen haben, zu 95 Prozent erreichen. Mit der abgeschätzten Emissionsminderung von minus 52 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 liegen wir im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe.“
Ein vom Bundesumweltministerium beim Öko-Institut beauftragtes zweites Gutachten kommt im Kern zu ähnlichen Ergebnissen wie die Prognos-Studie. „Der Spiegel“ hatte die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie wie auch der von Prognos bereits vor einigen Tagen vorgestellt.
Arne Fellermann, Abteilungsleiter Klimaschutz beim Umweltverband BUND, sieht im Klimaschutzprogramm 2030 ein „klimapolitisches Versagen mit Ansage“. Anlässlich der beiden Gutachten fordert er die Bundesregierung auf, ihre Klimapolitik nachzusteuern. „Es ist peinlich wenn die Bundesregierung, die ab Mitte des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, im Klimaschutz hinterherhinkt. Sie muss jetzt nachlegen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen“, so Fellermann.
„Es ist völlig an der Realität vorbei und billige Regierungspropaganda, wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier das Verfehlen mit Ansage der deutschen Klimaziele als Erfolg verkauft“, kommentiert Lorenz Gösta Beutin, Energie- und Klimapolitiker der Bundestagsfraktion der Linken. „Zum einen sind die deutschen Klimaziele zu schwach für einen fairen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen und schon jetzt ein Verrat am globalen 1,5-Grad-Ziel. Zum anderen ist eine Zielverfehlung beim größten EU-Klimaverschmutzer fürs Klima immer fatal. Fünf Prozent am Ziel vorbei sind 36 Millionen Tonnen Klimagase am Ziel vorbei. 36 Millionen Tonnen Emissionen ist der jährliche Klimagas-Ausstoß von Ländern wie Slowakei oder Tunesien.“
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Leider!
Herr Altmeier rechnet offensichtlich, wie die meisten Volksvertreter, nur von einer zur anderen Legislaturperiode und auch ohne Garantie oder auch Haftung.
In 2030, wenn endgültig Bilanz gezogen werden sollte, wird Herr Altmeier nicht mehr im Dienst sein und eventuelle Fehlleistung seinen Nachfolgern(rin) zuschreiben.
Weiß jemand einen Ausweg?