Eigentlich wollte der Bundesverband Energiespeicher (BVES) seine Branchenzahlen wie in der Vergangenheit auf der Energy Storage Europe in Düsseldorf präsentieren. Doch nach der Absage der Konferenzmesse wich der Verband auf einen alternativen Pressetermin am Donnerstag in Berlin aus. Dabei kann der Verband viele erfreuliche Zahlen verkünden. So wachse der Speichermarkt in Deutschland kontinuierlich weiter. Der Umsatz der Energiespeicherbrache ist im vergangenen Jahr auf 5,5 Milliarden Euro gestiegen, wie Jörg Blaurock vom Beratungsunternehmen 3EC. Es hat die von Team Consult erhobenen Branchenzahlen evaluiert.
Die Umsatzerlöse der Energiespeicherbranche sind demnach um 10 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gestiegen. Für dieses Jahr wird ein weiterer Anstieg auf 6,0 Milliarden Euro erwartet. Dabei machen die Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland nach wie vor den größten Anteil aus, auch wenn es in Deutschland derzeit keine neuen Projekte gibt. Mit 1,3 Milliarden Euro haben Industriespeicher den zweitgrößten Umsatzanteil der Branche, wie aus den Zahlen hervorgeht. Es folgen Wärmespeicher und auf Platz vier das Heimspeicher-Segment mit 660 Millionen Euro erwirtschaftetem Umsatz 2019. Auch die Zahl der Arbeitsplätze ist 2019 um zehn Prozent auf 13.300 gestiegen und wird bis Ende 2020 auf 14.400 Jobs anwachsen, wie die Branchenzahlen zeigen.
Industrie und Gewerbe setzen zunehmend auf Speicher
Bei der Umsatzentwicklung der Groß- und Heimspeicher muss dabei berücksichtigt werden, dass die Preise für die Systeme weiter gesunken sind. Unter Großspeichern sind sowohl Industrie- und Gewerbespeicher sowie Großbatteriespeicher für Netzdienstleistungen subsummiert. Letztere verzeichneten aber eine Stagnation. Eigentlich würden nur noch bereits lange geplante Projekte realisiert und wenig neues komme nach, sagt Blaurock weiter. Urban Windelen, BVES-Bundesgeschäftsführer sieht die Ursache in den stark gesunkenen Preisen für Primärregelenergie. Lagen sie 2015 noch bei rund 5000 Euro die Megawatt bewegen sie sich seit 2019 in einem Bereich von nur noch 1000 Euro pro Megawatt. Dies mache einen wirtschaftlichen Betrieb solcher Großspeicher schwierig, sagt Windelen. Daher geht der Verband auch im kommenden Jahr von einem weiter sinkenden Anteil der Speicher für Netzdienstleistungen aus – von 13 Prozent 2019 auf noch 5 Prozent 2020. Insgesamt waren bis Ende 2019 in diesem Segment Speicher mit einer Gesamtleistung von 453 Megawatt installiert. Der BVES schätzt, dass es Ende 2020 eine kumulierte Leistung von 517 Megawatt sein wird.
182.000 Photovoltaik-Heimspeicher bis Ende 2019 in Deutschland installiert
Bei den Heimspeichern, die fast ausschließlich in Kombination mit privaten Photovoltaik-Anlagen installiert werden, sei auch weiterhin ein „beeindruckendes Marktwachstum“ zu verzeichnen. Bis Ende 2019 waren 182.000 Heimspeicher in Deutschland installiert und für 2020 werden 65.000 neue Systeme erwartet. Der Umsatz der Anbieter stieg auf 660 Millionen Euro und soll nach den Erwartungen in diesem Jahr dann 780 Millionen Euro erreichen. Auch wenn die Steigerungsraten groß sind, so sagt Windelen doch: „Gemessen an der Zahl der Haushalte in Deutschland ist es immer noch eine verschwindend geringe Zahl.“ Die kumulierte Leistung der Photovoltaik-Heimspeicher lag Ende 2019 dem BVES bei 680 Megawatt und könnte sich bis zum Jahresende 2020 auf 930 Megawatt Speichern. Die durchschnittliche Größe der installierten Speicher wird mit 3,75 Kilowatt angegeben. Diese Zahl habe sich gegenüber den Vorjahren kaum verändert, doch die Evaluation habe gezeigt, dass es immer mehr deutlich kleinere und größere Speicher installiert würden, sagt Blaurock. Im Mittelwert tue sich allerdings wenig.
Bei den Preisen auf Zellebene für die Speichersysteme erwartet Windelen noch deutlich Bewegung. Während Kostenoptimierungen bei anderen Komponenten wie der Leistungselektronik schon weitgehend ausgereizt seien, erwartet er auf Zellebene, dass die Preise von 150 bis 180 Euro pro Kilowatt im vergangenen Jahr auf weniger als 100 Euro pro Kilowatt in diesem Jahr sinken könnten.
Zugleich merkt er auch an, dass eine gewissen Marktkonzentration bei den Anbietern von Photovoltaik-Heimspeichern in Deutschland festzustellen sei. Zusätzlich bekämen die heimischen Hersteller zunehmend Druck von Konkurrenten aus Asien, vornehmlich China. Gerade kleinere Unternehmen hätten Schwierigkeiten, sich am Markt zu behaupten. Auch die zahlreichen Übernahmen und Einstiege von Großunternehmen bei deutschen Speicherherstellern sei ein Zeichen für die laufende Konsolidierung.
Eher noch ein Nischendasein im Speicherbereich verzeichnen Wasserstoff und Power-to-Gas. Der Umsatz lag nach der Erhebung im Auftrag des BVES im vergangenen Jahr bei 120 Millionen Euro und wird in diesem Jahr bei 160 Millionen Euro erwartet. Dabei handele es sich hauptsächlich um die Reallabore, Inselprojekte und einige kleinere privatwirtschaftliche Anlagen. „Es ist noch ein sehr politisch getriebenes Geschäft. Es gibt noch keinen Markt für solche Anwendungen“, sagte Windelen. Dies sei auch ein grundlegender Fehler der geplanten Wasserstoffstrategie. Sie sei nicht darauf angerichtet, einen Markt zu schaffen, so der BVES-Bundesgeschäftsführer. Bei den Reallaboren handele es sich vornehmlich um Projekte auf der grünen Wiese. Die Elektrolyseure seien nicht ins System eingebunden. „Wir werden Wasserstoff perspektivisch als Langzeitspeicher brauchen, nicht jedoch in den nächsten Jahren“, so Windelen weiter. Den geplanten Export großer Mengen Wasserstoff, etwa auf Afrika, sieht er eher skeptisch. Es sei unklar, wie er transportiert werden solle. Dafür müsse es sichere Lösungen geben. Auch diese sieht er nicht in den nächsten vier bis fünf Jahren.
Bezüglich der aufgekommenen Wasserstoff-Debatte merkte Windelen an, dass dadurch die Gefahr drohe, dass die zweite Phase der Energiewende komplett übersprungen wäre. Nach dem Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Co. müsse es jetzt zunächst um die Systemintegration der Erneuerbaren geben. Dafür müssten die Speicher in den Fokus gestellt werden, noch nicht Wasserstoff oder Power-to-X-Technologien. Die Energiespeicher seien auch mit Blick auf die angestrebte Sektorenkopplung von zentraler Bedeutung, sagt Windelen.
Momentan steht das deutsche Energierecht der Ausbreitung von Speichern allerdings weiter diametral entgegen. „Das deutsche Energierecht kennt keine Speicher“, kritisiert Windelen. Daher würden sie zu stark mit Abgaben und Steuern belastet, die etwa für jeden Letztverbrauch an den Sektorengrenzen erhoben werden. Dabei sei es wichtig, Speicher endlich als vierte Säule im Energierecht zu etablieren, fordert Windelen seit langem. Doch an der Regulatorik habe sich in den vergangenen Jahren diesbezüglich leider nichts geändert. Windelen setzt jedoch einige Hoffnung in die EU-Vorgaben der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie, die die Bundesregierung noch nicht in nationales Recht umgesetzt hat, aber Erleichterung für den Betrieb von Speichern bringen würden. „Wir brauchen ein ‚kWh-Schengen‘, damit jede Kilowattstunde frei zwischen den Sektoren fließen kann und ohne dass jedes Mal Abgaben und Steuern fällig werden“, sagt der BVES-Geschäftsführer.
Noch kein neuer Termin für die Energy Storage Europe
Noch läuft auch die Suche nach einem Ausweichtermin für die Energy Storage Europe mit der Messe Düsseldorf, wie Windelen erklärte. Es sei derzeit noch völlig offen, ob dieser in diesem Jahr noch sein werde, wie Windelen sagt.
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Das mit dem „kWh-Schengen“, mit frei fließendem Strom, halte ich für die falsche Strategie. Die Speicher können nur dann von Durchleitungsgebühren befreit werden, wenn sie die Leitungen entlasten. Die Pumpspeicher tun das nur zum Teil, weil sie oft abseits der Erzeugungs- und Verbrauchszentren liegen, und damit wirklich die Leitungen doppelt belasten. Die Netzspeicher müssen so platziert werden, dass sie eine gleichmäßigere Auslastung der Leitungen ermöglichen, und damit die Investition in Netzausbau verringern. Das kann dann die Begründung dafür sein, sie von Netzgebühren zu befreien. Wenn sie von den Übertragungsnetzbetreibern betrieben werden, würden diese Netzgebühren ohnehin nur von der rechten in die linke Tasche wandern und wären damit kein Hinderungsgrund mehr.
Der Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch wird hauptsächlich über die Steuerung von Elektrolyse und Rückverstromung (oder was man jetzt als Langzeitspeicher haben wird) erfolgen. Auch diese Anlagen können das durch intelligente Platzierung so machen, dass die Leitungen entlastet werden, aber für die Kurzzeitspeicher wird noch genug zu tun sein.
Im Augenblick muss der gespeicherte Strom noch mit Regelenergie aus Gaskraftwerken konkurrieren. Hier wird man auf die Dauer den CO2-Preis so weit anpassen müssen, dass auch das fossile Gas aus dem Markt gedrängt wird, so wie heute die Kohle.
Von der gegenwärtigen Regierung wird da, was die regulatorischen Rahmenbedingungen und die Marktsteuerung angeht, nichts Positives zu erwarten sein, weil die nur damit beschäftigt ist, die Energiewende so weit wie möglich zu verzögern. Speicher wären aber ein Treiber, im Sinne dieser Regierung also kontraproduktiv.