Enttäuschung dominiert beim Bund-Länder-Kompromiss zum Kohleausstieg

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Grundsätzlich begrüßten Vertreter von Grünen und Verbänden, dass sich die Bundesregierung mit den Kohleländern auf konkrete Maßnahmen zum Kohleausstieg geeinigt hat. Immerhin liegt es knapp ein Jahr zurück, dass die Kohlekommission ihre Empfehlungen aussprach. „Zwar ist gut, dass der Kohleausstieg endlich vorangeht, doch leider bleibt die Übereinkunft hinter dem Kohlekompromiss zurück“, erklärten die Grünen-Politiker Anton Hofreiter und Oliver Krischer der Bundestagsfraktion. Immer wahrscheinlicher werde damit, dass Deutschland seine Verpflichtungen für die Pariser Klimaziele nicht erfüllen könne. „Mit dem aktuellen Vorstoß wird der Kohleausstieg weiter verzögert. Die Abschaltung der Braunkohlekraftwerke kommt viel zu spät. Die meisten werden erst ab 2035 stillgelegt, ein Viertel der Braunkohlekraftwerke soll sogar bis Ende 2038 am Netz bleiben“, kritisieren die Grünen-Vertreter weiter. Hofreiter und Krischer fordern von der Bundesregierung einen „ambitionierten Ausstiegsplan“, wobei vor allem schnell mit dem Kohleausstieg begonnen werde.

Auch die Grünen-Wirtschaftssenatorin aus Berlin, Ramona Pop, zeigte sich unzufrieden mit den Ergebnissen des Kohlegipfels im Kanzleramt. „In der Lausitz wird bis 2038 weiter gepestet. Die Klimaziele 2030 sind so nicht erreichbar. Es ist nicht nur unverständlich, sondern empört mich, dass mit Datteln jetzt noch ein Kohlekraftwerk sogar ans Netz gehen soll. Die Zukunft liegt in den Erneuerbaren, das sollte eigentlich heute Konsens sein“, sagte Pop.

Die Festlegung der Abschaltung der Kohlekraftwerke ist nur eine Seite der Medaille. Zugleich müssen erneuerbare Energien schneller ausgebaut werden, um die Kapazitäten zu kompensieren: „Mit Blick auf die Klimaschutzziele, die Modernisierung der Energiewirtschaft und des Industriestandortes Deutschland sind die jetzt festgelegten Schritte jedoch zu zaghaft. Das ist ein zögerliches Signal für ein Energiewende-Land“, erklärte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zum Kohlekompromiss.

„Wichtig ist es jetzt, dass das von der Kohlekommission nochmals bekräftige Ziel der Bundesregierung, erneuerbare Energien in der Stromversorgung bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern, jetzt rasch mit einem verlässlichen Ausbaupfad unterlegt wird“, so Peter weiter. „Ohne ambitioniertere Ausbaupfade für Wind-, Solar- und Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie, die kurzfristige Beseitigung der Deckel bei Photovoltaik, Offshore-Wind und flexibilisierter Biomasse sowie die Vermeidung neuer Hürden, wie pauschale Abstandsregelungen bei der Windkraft, droht eine Ökostromlücke in der Stromversorgung.“

Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), findet drastischere Worte: „Die sogenannte Einigung ist ein energie- und klimapolitischer Skandal. Die Bundesregierung hat in substanziellen Punkten den Kohle-Kompromiss missachtet. An Stelle von 3 Gigawatt sollen bis 2022 nur 2,8 Gigawatt Braunkohle stillgelegt werden.“ Zudem fehle ein stetiger Abschaltplan. So seien zwischen 2022 und 2025 gar keine Stilllegungen geplant. Die meisten Kohlekraftwerke sollen erst nach 2030 vom Netz. „Die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet heute noch einmal bestätigt – eine klimapolitische Blamage für die Bundesregierung und ein klarer Bruch mit dem Kohle-Kompromiss. Der gesellschaftliche Großkonflikt wird so nicht entspannt, sondern angefacht“, wie Bandt weiter kritisiert.

Bei Greenpeace kritisiert Geschäftsführer Martin Kaiser, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Gelegenheit verpasst habe, den Unternehmen langfristig Planungssicherheit zu geben und ein Signal zu senden, dass Deutschland angemessen auf die Klimakrise reagiert. „Schon die erste Überprüfung wird zeigen, dass Deutschland viel schneller aus der Kohle aussteigen muss und kann“, sagte er.

Auch Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, schaut über das Ende der laufenden Legislaturperiode hinaus. „Der vorgesehene Ausstiegsfahrplan wird sehr wahrscheinlich schon in der nächsten Legislaturperiode wieder zur Diskussion stehen. Was dauerhaft bleibt, sind vermutlich nur die vereinbarten Strukturhilfen für die betroffenen Regionen“, sagte Graichen mit der Begründung, dass mit dem Kompromiss die Diskussionen über den Kohleausstieg in Deutschland nicht beendet seien.

„Wir brauchen wieder mehr Mut für marktwirtschaftliche Ansätze in der Energiepolitik. Es ergibt keinen Sinn, Kraftwerksbetreibern 4,35 Milliarden für überwiegend alte Kohlekraftwerke zu zahlen, wenn Kohlekraftwerke bei einem funktionierenden Emissionshandel sowieso aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt werden müssen“, urteilt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne). Mit Blick auf die erneuerbaren Energien begrüßt der Verband die Bekräftigung des 65-Prozent-Ziels für 2030, die allerdings mit realistischen Annahmen zum Stromverbrauch verknüpft werden müssen. Außerdem tue die Politik derzeit zu wenig, um den Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Co. im erforderlichen Maßstab zu gewährleisten. „Insbesondere gilt es das Tempo bei der Photovoltaik deutlich zu erhöhen und die Windenergie schnell wieder auf die Ausbaupfade vor dem Einbruch zurück zu führen. Weitere Beschränkungen bei der Windenergie passen sicher nicht dazu“, sagt Busch. „Die Kombination von Wind- und Solarenergie mit Speichertechnologien eröffne große Chancen für den Strukturwandel der Kohleregionen.

Beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert man – analog zu den Empfehlungen – ein erstes Monitoring zum Kohleausstiegsprozess bereits für 2023, nicht erst 2026. Zudem würden weitere wichtige Entscheidungen gebraucht, um die Versorgungssicherheit und Kraftwerksstilllegungen zu gewährleisten. „Mit Blick auf die wichtige Rolle der Photovoltaik für das künftige Energiesystem Deutschlands gilt: Die Bundesregierung muss den 52-Gigawatt-Deckel endlich aufheben. Zugleich muss der Ausbau der umweltschonenden Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) endlich massiv beschleunigt werden“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Das Bundeswirtschaftsministerium müsse die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um die für den Erhalt notwendigen 17 Gigawatt an KWK-Anlagen auf Gas-Basis zubauen zu können.

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