Klimaschutz braucht funktionierende Märkte. Die Politik muss daher die Spielregeln ändern, damit Märkte Klimaschutzanreize bieten, anstatt wie bislang klimaschädliche Energieträger zu privilegieren.
In der Vergangenheit hat es immer wieder Anläufe gegeben, die Benachteiligung und Wettbewerbsverzerrungen durch die mangelnde Berücksichtigung der CO2-Kosten auf dem Strommarkt zu korrigieren. 1999 bei der ökologischen Steuerreform hat man dann aber statt CO2 die Endenergie; das heißt den Strom besteuert. Folglich gab und gibt es keinerlei Anreiz über die Stromsteuer in Richtung Wettbewerbsgleichheit zwischen kohlenstoffhaltigen und kohlenstofffreien Energieträgern. Da CO2 bis heute wenig kostet, kann der Markt seine Funktion nicht erfüllen, kostenoptimale Investitions- und Erzeugungsanreize zu bieten. Als Konsequenz lohnt es sich bis heute immer noch, kohlenstoffintensiv Strom zu erzeugen, obwohl Alternativen volkswirtschaftlich vorteilhafter sind.
Wenige Jahre nach der ökologischen Steuerreform wurde der Emissionshandel eingeführt. Aufgrund diverser Fehler bei der Ausgestaltung gab der Emissionshandel – inzwischen ETS – aber bis zur letzten Reform keine Anreize zur CO2-armen oder freien Energieerzeugung. Seit der letzten Reform im Jahr 2018 hat der ETS begonnen, erste Wirkungen zu entfalten. Der CO2-Preis hat sich auf 25 Euro pro Tonne CO2 etwa verfünffacht. Die Erzeugungspreise, insbesondere für Kohle haben sich erhöht. Kohlekraftwerke werden öfter heruntergefahren, die Preise an der Börse sind gestiegen, die Differenzkosten erneuerbarer Energien sind wiederum gesunken – mit entsprechend positiver Auswirkung auf die EEG-Umlage. Gleichzeitig sind in Europa und auch in Deutschland erste PPA-Projekte entstanden, die sich durch den Markt refinanzieren.
25 Euro die Tonne sind jedoch noch weit entfernt von den Einschätzungen der tatsächlichen CO2-Kosten, was zeigt, dass hier noch viel getan werden muss, damit der Markt die richtigen Preissignale entfaltet. Eine große Chance bietet jetzt die von der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündete Ausrichtung der europäischen Klimaschutzziele auf die Zielsetzungen des Pariser Klimaschutzabkommens. Sollten die Klimaziele der EU – wie vom EU-Parlament gefordert und der EU-Kommission vorgeschlagen – deutlich nach oben angepasst werden, müsste auch der europäische Emissionshandel reformiert werden. Hierfür müssten die Zertifikate deutlich stärker verknappt werden. Bei einer zusätzlichen spürbaren Verknappung der Zertifikate würden die CO2-Preise steigen. Dies verstärkt die oben beschriebenen positiven Effekte. Zudem würden PPAs würden für Investoren und Betreiber immer spannender. Das gilt sowohl für neue Photovoltaik-Anlagen als auch für Windparks, die aus dem EEG fallen und sonst wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt würden.
Sollte es gelingen, einen wirksamen Mindestpreis für CO2-Zertifikate einzuführen, hätten Investoren und Betreiber eine zusätzliche Sicherheit, was wiederum die Kapitalkosten reduzieren würde.
Bis der ETS die CO2-Kosten internalisiert, sollten nationale Maßnahmen die fortbestehende Wettbewerbsverzerrung ausgleichen. Dies kann durch eine nationale CO2-Steuerreform im Stromsektor oder durch einen Umbau der Stromsteuer gelingen. Es war nie verständlich, weshalb CO2-freie Energieträger mit der Stromsteuer in gleicher Höhe belastet werden wie kohlenstoffhaltige. Dies sollte dahingehend korrigiert werden, dass Strom aus erneuerbaren Energien von der Stromsteuer befreit wird. Stromhändler könnten dann sauberen Strom deutlich günstiger anbieten. Zugleich könnten Betreiber von Wind- und Solarparks höhere Zahlungen für den von ihnen erzeugten Strom erhalten. Dies gilt jedoch nur für Anlagen außerhalb des EEG, da EEG-Anlagen bereits eine Vergütung oder Marktprämie erhalten, die die Kosten abdeckt.
In dem Maße, in dem in der Zukunft der Emissionshandel die ursprünglich vorgesehene Rolle übernimmt und die Kosten internalisiert, könnte dann künftig der Stromsteuerausgleich auch wieder zurückgefahren werden. Damit wäre auch sichergestellt, dass es keine zeitliche Lücke gibt, in der reihenweise ältere Windparks stillgelegt würden, die für den Klimaschutz dringend benötigt werden.
Marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen sollten auch in den anderen Energiesektoren; das heißt Wärme und Verkehr gelten. Hierzu gibt es inzwischen den sogenannten Nationalen Emissionshandel für Brennstoffe. Dieser wiederum ist eigentlich gar kein Emissionshandel, da in ihm in den nächsten Jahren nichts gehandelt wird. Stattdessen gibt es einen Festpreis von 10 Euro pro Tonne CO2. Aber 10 Euro pro Tonne CO2 als Einstieg werden keine Lenkungswirkung entfalten.
Zudem ist das Gesetz so gestrickt, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig ist. Folglich fehlt auch noch die Rechtssicherheit. Es wäre am einfachsten, eine CO2-Steuer im Rahmen der vorhandenen Energiesteuer aufzulegen. Ein Einstiegs-CO2-Preis in Höhe von 35 bis 45 Euro pro Tonne, gefolgt von weiteren Anhebungsschritten, dürfte bereits erste positive Signale entfalten. Wenn das Gesetz auch nur halbwegs den Anspruch haben sollte, etwas mit Emissionshandel zu tun zu haben, dann sollte der Anspruch sein, dass die Preishöhe mindestens den CO2-Preis des ETS abbildet. Das sind heute rund 25 Euro. 2021 dürfte der Wert höher liegen, wie hoch – das hängt wiederum davon ab, wie sich die Überlegungen in Brüssel zur Überarbeitung der europäischen Klimaziele und daraus abgeleitet für den ETS entwickeln.
Der Markt kann damit deutliche Anreize zum Gelingen der Energiewende und zum erfolgreichen Klimaschutz setzen. Dazu brauchen wir die passenden marktlichen Rahmenbedingungen. Je mutiger die Politik dabei vorgeht, desto wirksamer und kostenoptimierter kann der Markt seinen Beitrag leisten.
— Der Autor Robert Busch führt die Geschäfte des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft e.V. (bne) seit April 2005. Der gebürtige Kölner studierte in Münster, Würzburg und Speyer Rechtswissenschaften und begann seine Karriere in der Energiewirtschaft im Jahr 1999 als Justitiar der Ares AG. Als Mitglied der im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelten „Task Force Netzzugang“ half er, die Grundlagen für funktionierenden Wettbewerb auf den Energiemärkten zu erarbeiten – im Jahr 2002 noch ohne die Unterstützung einer Regulierungsbehörde. Von 2003 bis 2005 war Robert Busch Geschäftsführer der statt-werk GmbH. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Es war überhaupt nicht unverständlich, dass ab 1999 der Strom allgemein mit einer Steuer belegt wurde, und nicht selektiv der atomar-fossil erzeugte. Gleichzeitig wurde nämlich ein Einspeisevorrang für Erneuerbare eingerichtet, und damit findet die Verdrängung der fossilen Erzeuger automatisch statt, wenn die Einspeisevergütung kostendeckend ist. Die weitere Entwicklung – starke Kostendegression bei den Erneuerbaren, wurde zwar erwartet, aber nicht in dem Ausmaß, wie wir sie heute sehen. Auch die Möglichkeiten der Sektorenkopplung in Form von Strom für Wärme und Verkehr, wo die Stromsteuer zu einer Benachteiligung des Stroms führt, konnte man damals noch nicht in seiner Tragweite abschätzen. Worum es vor allem ging, war, grundsätzlich einen Anreiz zum Energiesparen zu bieten. Bei Einspeisevorrang für die Erneuerbaren bedeutet jede gesparte kWh eine gesparte fossile kWh. Das Sparen war freilich noch nie populär, schon gar nicht bei den Produzenten dessen, was gespart werden soll, also allen Kraftwerksbetreibern, seien sie jetzt fossil oder erneuerbar. Aber von einer höheren Warte gesehen bedeutet jede verbrauchte kWh auch verbrauchte Umwelt, auch wenn sie erneuerbar produziert wurde. Um durch das erwartete Überangebot an Strom, das wir in den letzten 20 Jahren hatten, den Stromverbrauch nicht explodieren zu lassen, war es durchaus sinnvoll, ihn mit einer Steuer zu belegen. Die Benachteiligung des Stroms in den Sektoren Wärme und Verkehr hätte man auch mit höheren Mineralölsteuern auf Kraft- und Brennstoffe ausgleichen können. Da hat sich die Politik allerdings schwer getan, insbesondere nach 2005, als Rot-Grün vorbei war. Es zeigt sich immer wieder: Die Lösung von vor 20 Jahren kann für die Gegenwart eine Krücke sein und für die Zukunft eine Katastrophe. Es wäre schön, wenn die Politik wieder mehr in die Zukunft gerichtet agieren würde, so wie dies zwischen 1999 und 2005 geschah, statt zu bremsen und hinterherzuhecheln, wie sie dies seit 2005 tut.
@JCW
Volle Zustimmung.
Lassen Sie uns über ein Modell der möglichen zukünftigen Strompreisfindung reden:
Im Moment zahlt jeder Privatkunde unter dem Strich 28-30 €cnt/ kWh
Industrie liegt durch eine Ausnahmeregelung für das produzierende Gewerbe bei deutlich weniger; warum immer noch?
Es gibt Stromerzeugungskosten von
Atomstrom
Kohlestrom
PV-Strom
Windstrom
Wasserkraft
Biogasanlagen-Strom
Durchleitungs-Entgelte entsprechen der Leistung und Entfernungsskilometer
Habe ich jemand vergessen? Ah, Ja;
Altlasten der Gesamtmenge an EEG-Zulage, die eine begrenzte Zeit noch umzulegen wären.
Kosten für die Konstanthaltung der Netzfrequenz, genannt Regelenergie.
Speicherkosten, die bislang nirgendwo in Modellen auftauchen!!!
So jetzt!
Da der Staat aufgrund der Historie ja jede Menge in das Preisfindungsgefüge eingreift, sollte er besser auch komplett den Strompeis festlegen und auch jährlich verwalten!
Ein erster Ansatz wäre….z.B.20 €cnt/kWh für jeden Verbraucher; Privat und produzierendes Gewerbe. KEINE Ausnahme. Keine regionalen Unterschiede.
Vergütung für Stromproduzenten mit konstant-Mengen, wie Wasser odeer Bio-Gas, mit xxxx
Vergütung für Stromproduzenten mit volantiven Produnktionsmengen, wie PV oder Wind mit yyyy
Durchleitungsentgelte und Regelenergie…wie gehabt.
Der Staat zieht jährlich Bilanz. das ginge auch im Excel!
Wurde schon eine Hochschule mit der Entwicklung eines deratigen Konzeptes beauftragt?
Ich weiß; es ist sehr provokativ, aber…..
Letztendlich bewegen wir uns schon in diese Richtung. Die PV- und Windanlagen werden ausgeschrieben, Netzdienstleistungen auch. Auch die Höhe der Kraftwerksreserven, Stromkupplungen zum Ausland, alles wird staatlich vorgeschrieben. Was wir schon längst gebraucht hätten, wären Ausschreibungen für Speicher – Batterien-, Wärme- und Wasserstoffspeicher. Aber das würde den Kohle- und Kernkraftwerken noch schneller das Wasser abgraben, den Netzausbaubedarf reduzieren und die Ausbauhemmnisse für PV und Wind beseitigen. Das will unsere Regierung nicht. Und deshalb bremst sie.
Immerhin wurde jetzt beschlossen, die Vergangenheitskosten, die in der EEG-Umlage stecken, mindestens zum Teil aus den Einnahmen der CO2-Abgabe zu decken – das könnte mehr bringen, als die Stromsteuer. Und wenn die Einnahmen aus der CO2-Abgabe zurückgehen, weil tatsächlich weniger CO2 emittiert wird, dann sind hoffentlich auch die Vergangenheitskosten abgebaut. Wem wir das zu verdanken haben, habe ich nicht ermitteln können, aber sicher nicht Altmaier oder Merz. Letzterer weiß nicht einmal, wodurch Atom- und Kohlestrom ersetzt werden sollen. Die vielen Windräder und großen PV-Anlagen scheinen ihm noch nicht aufgefallen zu sein. Und auch, dass schon mehr als 40% des Stroms Erneuerbar produziert werden, scheint er nicht zu wissen. Aber Kanzler will er werden!
Nachsatz:
Ich vegaß die Aufschläge der div. Stadtwerke für Energieverteilungen und deren Verwaltungen.