Es ging alles so glanzvoll los. Fast genau vor einem Jahr eilte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nach Erftstadt-Liblar, um den ersten Solarradweg Deutschlands feierlich einzuweihen. Die Freude und Begeisterung über das Pilotprojekt mit der neuen Technologie waren allenthalben groß, währten jedoch nicht lange.
Das Berliner Start-up Solmove hatte die Module entwickelt und mit Unterstützung von Subunternehmen installiert. Rund zwei Drittel der Module auf dem Radweg waren zum Zeitpunkt der feierlichen Eröffnung angeschlossen und produzierten Strom, wie Solmove erklärt. Die Einspeisung und Messung des erzeugten Solarstroms ins Netz konnten jedoch noch nicht erfolgen, da der Zähler des Netzbetreibers fehlte. Dies sei von der Stadt Erftstadt versäumt worden und so konnte der Zähler erst im Februar 2019 installiert werden, sagt Geschäftsführer Donald Müller-Judex von Solmove im Gespräch mit pv magazine.
Doch es war erst der Auftakt einer ganzen Reihe von Ereignissen, die jetzt dazu führen werden, dass der Solarradweg demnächst wohl die Gerichte beschäftigen wird. Radfahrer können schon den Weg schon seit dem Frühjahr nicht mehr nutzen.
Bereits im März dieses Jahres traten die ersten technischen Probleme beim Solarradweg auf. Es hatte drei Tage geregnet und in der Folge stand die Testanlage teilweise unter Wasser. „Ein von der Stadt versprochenes Kiesbett fehlte, mit dem entlang des Weges das Wasser hätte abgeführt werden sollen“, sagt Müller-Judex. Nach dem tagelangen Regen seien dann 10 von 520 Anschlussdosen, die auf gleicher Höhe wie die Fahrbahn-Module montiert waren, heiß geworden und teilweise durchgeschmorrt, was Schwelbrände und Rauchentwicklung nach sich zog. Die Feuerwehr deckte den solaren Radweg daraufhin mit einer Folie ab, damit die Module keinen weiteren Strom mehr produzieren konnten, wie der Solmove-Geschäftsführer berichtet.
Ursachenforschung
Gleichzeitig begann die Ursachenforschung. Die Stadt Erftstadt beauftragte den TÜV Rheinland mit einem Gutachten und auch Solmove arbeitete mit den Prüfern zusammen, um Lösungen zu entwickeln, die in Zukunft solche Kurzschlüsse in den Modulen vermeiden soll. „Solmove hat daraufhin die Überarbeitung der Anschlussdosen vorgeschlagen und der Auflage der Stadt zugestimmt, den Verbesserungsvorschlag durch den TÜV Rheinland begutachten zu lassen“, so Müller-Judex.
Doch während des Optimierungsprozesses habe die Stadt über ihren Anwalt immer engere Fristen für die Mängelbeseitigung gesetzt. Mehrere Änderungen an der Anschlussdose wurden vom TÜV Rheinland geprüft, doch bis August gab noch kein finales Go, der eine Ausbesserung des Radweges erlaubt hätte. Ein erweiterter Verbesserungsvorschlag hätte noch sechs Wochen der Prüfung bedurft, doch damit hätte Solmove die dritte Frist zur Mängelbeseitigung seitens der Stadt, die bis zum 24. September lief, nicht einhalten können. Gesuche zu Gesprächen von Solmove über eine einvernehmliche Lösung seien von der Stadt wiederholt abgelehnt worden, sagt Müller-Judex.
Die Stadt Erftstadt wiederum ordnet das Geschehen etwas anders ein. So sei die vorgegebene Frist zur Mängelbeseitigung mehrfach verlängert worden. „Der Herstellerfirma wurden somit großzügig Zeit und Perspektiven gegeben, um die Mängelbeseitigungen vorzunehmen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Nach dem Verstreichen der letzten Frist bis zum 24. September sei Solmove „zum Rückbau seiner Leistungen bis zum 25.10.2019 aufgefordert“ worden. Man habe dem Berliner Unternehmen den Auftrag entzogen. Zum Hintergrund heißt es, dass sich die Stadt wünsche, den Weg wieder zu öffnen. Seit dem Frühjahr sei die für die Stadt so wichtige Wegstrecke für Radfahrer und Fußgänger gesperrt, die nunmehr einen Umweg in Kauf nehmen müssten.
„Die Verwaltung bedauert es, dass dieser Test-Solarradweg im Rahmen des Förderprojektes ‚Infrastrukturring Liblar‘ nicht erhalten bleiben kann“, heißt es in einer Mitteilung vom Oktober weiter. Aktuell will sich die Stadt auf Anfrage von pv magazine nicht äußern, erklärt aber, dass man mit dem Fördergeber und dem Anwalt eine Erklärung vorbereite.
Der Fördergeber ist in diesem Fall das Bundesumweltministerium. Auch dort bedauert man die Entwicklung, wie ein Sprecher pv magazine sagt. Es sei ein „sehr ehrgeiziges und innovatives Projekt“, weshalb das Ministerium dieses seinerzeit auch für die Förderung ausgesucht habe.
Fördermittel aus dem Bundesumweltministerium
Erftstadt hatte sich 2017 an dem „Bundeswettbewerb Klimaschutz durch Radverkehr der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI)“ beteiligt. Der Solarradweg sollte rund 90 Meter lang und 2,5 Meter breit sein. Mit der rund 200 Quadratmeter großen Photovoltaik-Fläche sollten rund 12 Megawattstunden Solarstrom jährlich produziert werden. Der Projektantrag selbst umfasste mehr als den Solarradweg, der Teil des Vorhabens „Infrastrukturring Liblar – Wandel der Mobilitätsstruktur“ war. Insgesamt flossen rund 784.000 Euro aus der Initiative NKI als Förderung an die Gemeinde. Der Solarradweg als ein Teilprojekt des ‚Infrastrukturrings Liblar‘ wurde mit rund 102.000 Euro gefördert, wie der Sprecher des Bundesumweltministeriums erklärt.
Solmove sagt hingegen, es habe rund 70.000 Euro an Förderung von der Kommune erhalten. Wie Solmove-Geschäftsführer Müller-Judex ausführt, habe das Projekt insgesamt jedoch 500.000 Euro gekostet, wobei die übrigen Mittel bei Privatspendern eingesammelt worden seien.
Das Bundesumweltministerium hat nach eigenen Angaben als Fördergeber die Umsetzung des Projektes nur im Zuge von halbjährigen Statusberichten verfolgt. In diesen tauchten auch immer wieder Probleme rund um den Solarradweg auf, die sich noch jenseits der durchgeschmorrten Anschlussdosen bewegten. So habe die installierte Anzeigetafel zeitweilig nur die Zahl der passierenden Radfahrer, nicht jedoch die erzeugte Solarstrommenge angezeigt. Dies war auf den fehlenden Zähler zurückzuführen. Zudem heißt es von Seiten des Bundesumweltministeriums, dass für den Tauprozess im Winter Strom aus dem Netz entnommen werden musste, damit sich die Module erhitzen konnten. Zudem sei der Radweg immer wieder „Opfer von Vandalismus und Bränden“ geworden. Die beschädigten Solarmodule hätten danach zwar noch funktioniert, aber eben weniger Solarstrom produziert als vorgesehen.
Das Bundesumweltministerium hat nach eigenen Aussagen keinen Einfluss auf die derzeitige Auseinandersetzung zwischen der Stadt und Solmove, da es für das Projekt eine Zuwendung, aber keinen Auftrag gegeben habe. Es habe keine Einsicht in die Verträge und auch keinen Einfluss auf die Kommunikation zwischen Solmove und der Stadt. „Insofern können wir uns zum aktuellen Streit zwischen der Stadt und der Firma nicht äußern“, sagt der Sprecher.
Solmove lässt Kündigung gerichtlich prüfen
Doch wie geht es weiter? Erftstadt scheint der Rückbau der Solarmodule nun vor Gericht erzwingen zu wollen. Solmove seinerseits hat im November beim Landgericht Köln eine Klage auf Prüfung der Wirksamkeit durch die Stadt eingereicht, wie Müller-Judex erklärte. Er hält die Erwartungen der Stadt an die Teststrecke für überzogen. Gerade bei Pilotprojekten müsse man mit Schwierigkeiten in der Startphase rechnen.
Wenn das Ende des solaren Radwegs wohl weniger schillernd als seine Einweihung sein wird, so sagt Solmove-Geschäftsführer Müller-Judex dennoch: „Wir haben bei diesem Projekt ganz viel gelernt.“ Alle Erkenntnisse würden in die künftige Produktentwicklung einfließen. Und mittlerweile hat das Berliner Unternehmen auch schon ein weiteres Testfeld gefunden: Die ersten Module sind unlängst auf dem Parkplatz einer stillgelegten Zeche im Ruhrgebiet installiert worden.
Fraunhofer ISE sieht großes technisches Potenzial für Photovoltaik an und auf Straßen
Beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme sieht man das enorme Potenzial, was sich für die Photovoltaik aus der Doppelnutzung von Flächen ergibt. Das technische Potenzial für Photovoltaik in Kombination mit der Verkehrsfläche Straße schätzen die Freiburger Wissenschaftler auf 58 Gigawatt in Deutschland, wobei hier natürlich nicht nur Wege und Straßen selbst, sondern auch weitere Flächen wie Lärmschutzwände eingerechnet sind.
Martin Heinrich, der am Fraunhofer ISE das Thema Solarwege betreut, glaubt mit Blick auf das Projekt in Erftstadt auch, dass es sich um „lösbare Probleme“ handelt. Es gebe noch Herausforderungen bei der technischen Entwicklung. In Erftstadt habe es wohl daran gelegen, dass die Anschlussdosen bei den Solarmodulen, die an den Ecken installiert waren, nicht richtig eingekapselt gewesen seien. Daher habe das Wasser eindringen und die Kurzschlüsse verursachen können. Es hätte einfach noch mehr Tests und etwas Zeit für die Technologieentwicklung bedurft, so seine Einschätzung.
Und auch Solmove-Geschäftsführer Donald Müller-Judex hält den Fehlschlag in Erftstadt – der sich in eine Reihe mit ähnlichen Erfahrungen in anderen Ländern stellen lässt – mitnichten für das Ende seiner Technologie. Wenn alle Erfinder beim ersten Rückschlag aufgegeben würden, gebe es keinen Fortschritt.
Allerdings hofft er immer noch darauf, dass der erste Solarradweg in Deutschland erhalten bleiben wird. „Wenn Solmove nicht den Fehler beseitigen darf, sondern nun die ganze Anlage abreißen soll, dann ist nichts gewonnen, aber viel verloren. Es wäre schön gewesen, eine reale Chance zu bekommen, die Anlage zu überarbeiten und in Betrieb zu nehmen“, sagt Müller-Judex.
Das letzte Wort darüber werden nun wohl aber die Richter haben.
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Als Projektbeteiligter stimmt mich diese Entwicklung besonders traurig, denn die technischen Herausforderungen waren grundsätzlich beherrschbar. Die Drainage war von vorne herein ein großes Problem, wofür viel Aufwand getrieben werden musste. Obwohl bei der Umsetzung nicht alles nach Plan verlief, wäre das Ergebnis wohl akzeptabel gewesen, hätte es nicht die genannten Probleme bei der Verkapselung der Anschlussdosen gegeben. Schade, dass diese Ereignisse nun alles zu überschatten drohen.
Die Module „müssten“ im Übrigen nicht, wie im Artikel dargestellt, abgetaut werden. Vielmehr handelte es sich bei der Abtaufunktion um einen zusätzlichen Benefit der eingesetzten Wechselrichter. Es sollte erprobt werden, ob der Winterdienst eingespart werden kann, wie viel Energie dafür mindestens aufgewendet werden muss und welche Steuermechanismen einen sparsamen Betrieb besonders begünstigen. Die elektrische Beheizung von Auffahrten oder Bürgersteigen ist in manchen Regionen durchaus üblich, erfordert aber den Einbau einer Flächenheizung unter den Belag. Bei der Solarstraße ist die Funktion schon integriert.
Eine Solaranlage gleicher Größe auf einem Dach erzeugt mindestens die doppelte Menge an Strom.
Warum baut man über dem Radweg nicht einfach ein Dach, das würde die Effizienz verdoppeln.
Hier werden Gelder in Forschungsgebiete investiert, die schon bauartbedingt niemals rentabel sein können, da eine geneigte Solarfläche immer die doppelte Menge zu einer flach liegenden erzeugt, da kann man technisch erfinden was man will.
Dazu kommen die Verluste durch die Schutzschicht. Es ist schon witzig, dass man ausgerechnet den Strommesser ‚vergessen‘ hat.
Geständert neben der Autobahn, aufgeständert über der Autobahn, macht alles Sinn, aber auf den Solarzellen rumfahren oder laufen ist ein Fehlschlag mit Ansage.
PS: Tut mir leid, das mein erster Post so negativ rüberkommt, aber das ist verbranntes Geld und erinnert mich an Growian, den man damals auch nur gebaut hat, um zu zeigen, dass Windkraft nicht funktioniert.
Ansonsten gute Arbeit hier.
Jedes der Pilotprojekte in verschiedenen Ländern war ein absoluter Reinfall. In Frankreich haben die ne Strasse ausgestattet die Autos haben dann die fallenden Blätter in die Oberfläche eingebracht und die Stromproduktion veringert. Zudem gingen die Dinger sehr schnell kaputt weil die Oberfläche den Belastungen nicht gewachsen war. In China war die Teststrecke sofort kaput. Erst dachte man das die Solarzellen gestohlen wurden aber man hat die Bruchstücke neben der Strasse gefunden. In Holland wurde über den Solarradweg irgendein zeug aufgebracht aufgrund von Schäden. In den USA brach ein Feuer aus und die Elektrizitätsproduktion war lächerlich gering.
Es ist kaum verständlich warum man Solarpanels auf den Boden tun sollte wo Leute drüber gehen oder fahren. Die Effektivität der Stromproduktion ist deutlich niedriger und die Kosten das halbwegs stabil und widerstandsfähig zu machen deutlich höher als bei konventionellen Solaranlagen. Warum sollte man das machen ? Weniger effizient und teuerer dazu noch wesentlich kurzlebiger. Es gibt mehr als genug Flächen um Solarpanels drauf zu machen. Die ganze Idee ist nicht durchgedacht. Wenn das Ziel wirtschaftliche Energieproduktion ist dann kann das Konzept nicht aufgehen. Weil es immer besser und billiger ist die Solarkollektoren irgendwo auf nem Feld oder Dach aufzubauen.
Ich fass es nicht das Fraunhofer ISE diesen Stumpfsinn von Solarstraßen unterstützt. Das Konzept ist ein reiner Schildbürgerstreich.
Hallo ich habe seit 20 Jahren eine PV Anlage auf dem Dach und diese ist der letzte „Schrott“ wenn ich aus einer Flasche von 200 Quadratmetern 12 Megawattstunden Strom in Jahr erzeugen kann, dann würde ich sofort meine ganze Dachfäche mit diesern Solarzellen zu ausbauen! Mir ist allerdings nicht klar wie man ein vielfaches an Energie aus der Anlage bekommt als die Sonne einbringt? Bitte helfen Sie mir!
@Otto Mayershofer
12 MWh sind nicht unrealistisch, woher kommt der Unmut?
ein Modul mit 1,7qm kann mittlerweile 400 Watt erzeugen, bei 200 qm wären das 47 KWp.
47KWp erzeugen im Jahr laut „https://www.solarserver.de/pv-anlage-online-berechnen/“ 180° Süd und 30° Neigung 54732KWh also fast 58MWh, bei 200qm.
Die Welt könnte so einfach sein, wenn man in der Lage wäre einen Taschenrechner zu bedienen, statt den Unmut aus dem Bauch herauszukalkulieren.
Mit freundlichen Grüßen Floki