Mit dem Kohleausstiegsgesetz soll der 52-Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik fallen

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Mit dem Kohleausstiegsgesetz scheint das Bundeswirtschaftsministerium nun auch die Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels bei der Solarförderung angehen zu wollen. Zumindest ist die Streichung im Referentenentwurf vorgesehen, der in dieser Woche bekannt wurde und der pv magazine vorliegt. Soweit so gut, herrscht doch große Unsicherheit in der Solarbranche und bei Endkunden, ob sie im Laufe des kommenden Jahres, wenn die Grenze von 52 Gigawatt voraussichtlich erreicht wird, noch eine Einspeisevergütung für neue Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt erhalten. Momentan sind in Deutschland rund 49 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert, die auf den Deckel angerechnet werden.

Doch es gibt Anzeichen, dass die Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels nicht einfach so durchgehen wird. So heißt es in der Gesetzesbegründung des Referentenentwurfs: „Der atmende Deckel soll für eine bessere Mengensteuerung bei den Degressionsschritten, die bei einer Überschreitung des Zielzubaus greifen, verschärft werden. Hierdurch bleibt auch bei Wegfall des 52-Gigawatt-Deckels eine effektive Mengensteuerung gewährleistet.“ Im Klartext heißt dies, dass die Einspeisevergütungen zukünftig noch schneller sinken könnten – immer abhängig vom realen Photovoltaik-Zubau. Aus gut informierten Kreisen erfuhr pv magazine, dass es dazu wohl nicht kommen wird, sondern einfach vergessen wurde, diesen Passus aus dem ersten Entwurf zu streichen.

Nach uns vorliegenden Informationen intervenierte der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) umgehend gegen diesen Versuch, eine Sonderkürzung mit der Abschaffung des Deckels zu erreichen. Schützenhilfe bekam er dabei wohl vom Bundesumweltministerium und SPD-Politikern, die dieses Ansinnen des maßgeblich von Teilen des Wirtschaftsflügel der Union vorangetriebenen Vorhabens, einen Riegel vorschoben. Im Entwurf ist in den enthaltenen Änderungspassagen für das EEG keine solche Anpassung des atmenden Deckels mehr enthalten.

Momentan werden Marktprämie und Einspeisevergütungen für die Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt Leistung monatlich um ein Prozent gesenkt. Die festen Einspeisevergütungen liegen je nach Art und Größe der Anlage zwischen 6,95 und 10,08 Cent pro Kilowattstunde. Analog dazu ist die Marktprämie jeweils 0,4 Cent pro Kilowattstunde höher. Nach Ansicht des BSW-Solar müssten mit Blick auf die generelle Anhebung der Ausbauziele im Zuge des Klimapakets – für Photovoltaik wird eine installierte Leistung von 98 Gigawatt bis 2030 angestrebt – der Degressionsmechanismus in diese Richtung angepasst und zumindest zeitweise eher entschärft werden. „Die vom Kabinett beschlossene Verdopplung der derzeit installierten Photovoltaik-Leistung wird nur erreicht, wenn die regulären jährlichen Ausbauziele im EEG zeitnah von derzeit 2,5 auf mindestens 5 Gigawatt im Jahr angehoben werden.“ sagte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, pv magazine. Der atmende Degressionsmechanismus sollte nach seiner Einschätzung zumindest für ein Jahr ausgesetzt werden, könne anschließend aber im Grundsatz beibehalten und entsprechend dem angestrebten Anteil von Systemen bis 750 Kilowatt Leistung nach oben verschoben werden.

BSW-Solar spricht sich für Anpassung des atemenden Deckels und schnelleren Zubau aus

Der BSW-Solar empfiehlt der Politik eine Aufteilung des abgeleiteten jährlichen 5 Gigawatt-Zubaus wie folgt: 3 Gigawatt sollten auf das Marktsegment bis 750 Kilowatt entfallen und 2 Gigawatt im Jahr auf Photovoltaik-Anlagen, deren Marktprämien-Berechtigung nach dem Auktionsmechanismus vergeben werden. Unbenommen davon wirbt der Verband weiterhin mit Nachdruck dafür, die Verdoppelung der installierten Photovoltaik-Kapazitäten bereits Mitte der 20er Jahre zu erreichen – nicht erst 2030. Dies erfordere eine Aufstockung der jährlichen Ausbauziele auf mindestens 10 Gigawatt. „Andernfalls klafft weiterhin eine Klimaschutzlücke, zu der infolge des notwendigen Atom- und Kohleausstiegs schon bald eine Stromerzeugungslücke hinzukommen würde“, erklärt Körnig.

Die Anhebung der Ausbauziele ist in dem Kohleausstiegsgesetz noch nicht zu finden, zumindest nicht für Photovoltaik und Windkraft an Land. Dafür findet sich ein weiterer Passus im Referentenentwurf, wonach die Einspeisung neuer Photovoltaik-Anlagen begrenzt werden soll: „Zudem sollen alle neuen Solaranlagen, die nicht vom Netzbetreiber ferngesteuert abgeregelt werden können, ihre Einspeisespitze am Netzverknüpfungspunkt auf 70 Prozent der maximalen Einspeiseleistung kappen. Dies soll die Netze entlasten.“ Für Betreiber, die nicht auf Eigenverbrauch setzen, könnte dies damit eine zusätzliche Kürzung der zu erwartenden Vergütung darstellen.

Verordnungsermächtigung für Neuordnung der Netzausbaukosten vorgesehen

Einen weiteren kritischen Punkt gibt es für Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen in dem Gesetz bezüglich der Netzausbaukosten. So will sich das Bundeswirtschaftsministerium eine Verordnungsermächtigung genehmigen. In der Solarbranche bestehen Befürchtungen, dass damit die Netzausbaukosten stärker auf die Betreiber der Photovoltaik- und Windkraftanlagen umgewälzt werden sollen. Nach Einschätzung des BSW-Solar ist dies jedoch nicht tragbar, solange Eigen- und Direktverbrauch von Solarstrom mit der EEG-Umlage belastet werden. Erst wenn dieses Passus fällt, könnte man über eine faire Verteilung der Netzausbaukosten nachdenken, so dadurch Prosumer-Investitionen in Photovoltaik-Anlagen nicht behindert werden. Mit einer Verordnungsermächtigung könnte das Bundeswirtschaftsministerium jedoch vorbei an Bundestag und Bundesrat seine eigenen Vorstellungen umsetzen. „In einer so zentralen Frage der Energiewende wird sich der Bundestag einen derartigen Freibrief nicht gefallen lassen“, zeigt sich Körnig hier zuversichtlich.

Was in dem Kohleausstiegsgesetz auch nicht zu finden ist, sind die neuen Vorgaben aus der Erneuerbaren-Richtlinie der EU. Diese muss die Bundesregierung bis 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Nach Informationen des BSW-Solar plant die Bundesregierung dies im Zuge einer „umfassenderen EEG-Novelle“ zu tun, die für das erste Halbjahr 2020 zu erwarten sei. Dort könnten dann auch eine Konkretisierung der Erneuerbaren-Ausbauziele und avisierte Nachbesserung für Photovoltaik-Mieterstrom enthalten sein.

Unklar ist jedoch, ob dieser Zeitplan so aufgeht. Denn wegen des sich verschärfenden Streits um die Abstandsregelung für die Windkraft hat das Kabinett auf Drängen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Verabschiedung des Entwurfs zum Kohleausstiegsgesetzes am 18. November erst einmal von der Tagesordnung gestrichen. Eine Kabinettsverabschiedung im Dezember scheint derzeit noch machbar, aber ist keineswegs sicher. Wie schnell Bundestag und Bundesrat dann über den Gesetzentwurf entscheiden, ist ebenfalls nur schwer absehbar.

Carsten Körnig sagt mit Blick auf die Politik: „Im Bundeskabinett gilt die Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels endlich als unstreitig. Eine Umsetzung ohne Abstriche im Bundestag ist mehr als überfällig. Sie war für dieses Jahr versprochen, um die Investitionssicherheit in der Photovoltaik-Branche sicherzustellen.“

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