Am Vormittag des 20. September 2019 streikten und demonstrierten in Deutschland 1,4 Millionen Schüler und Ältere für mehr Klimaschutz. Am Nachmittag verpasste die Bundesregierung mit ihrem „Klimapaket“ den zuvor für ihr Engagement gelobten „jungen Menschen“ einen Schlag ins Gesicht, wie er gröber nicht hätte sein können und belehrte sie damit gleichzeitig darüber, was herauskommt, wenn man an „die Politik“ appelliert.
Doch angekommen ist diese Lektion offenkundig nicht. Von der sich soo radikal gebärdenden und auch dafür gehaltenen Extinction Rebellion über Friday for Future bis hin zu den Organisationen der erneuerbaren Energien adressiert man weiterhin „die Politik“, oder „diese Regierung“. Man spart nicht mit Kritik und Vorwürfen, richtet diese aber an die gleichen Stellen, von denen man außer Worten noch nie etwas Schönes erhalten hat – so, als ob es ausschließlich von diesen abhängen würde, ob etwas geschieht oder nicht.
Warum läuft man immer wieder gegen die gleiche Wand?
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass es eine positive Erfahrung mit der Politik gab: die Verabschiedung des „Ur-EEG“ 2000 durch die damalige rot-grüne Bundestagsmehrheit. Doch halt! Das war in Wirklichkeit nicht „die Politik“, das war eine Sternstunde der Menschheit: Zwei visionär in die Zukunft blickenden und gleichzeitig mit unverrückbarer Bodenhaftung und profunder Erfahrung im politischen Geschäft ausgestatteten Geistern (Hermann Scheer und Hans-Josef Fell) war ein Husarenstück gelungen.
Den wenigsten Bundestagsabgeordneten war bewusst gewesen, wofür sie eigentlich die Hand hoben. Als sie später erkannten, was sie da inauguriert hatten, taten sie alles, um es umzubiegen und möglichst rückgängig zu machen. Sigmar Gabriel (SPD) trat als Wirtschaftsminister bereitwillig in die Fußstapfen seines FDP-Vorgängers Philipp Rösler, der unter anderem durch Absenkung der Einspeisevergütung, Belastung von Eigenverbrauch und Mieterstrom mit der EEG-Umlage und Ausbaudeckelung den Abbau von 80.000 Arbeitsplätzen in der Photovoltaik-Branche eingeleitet hatte. Gabriel unterfütterte die Bremsmanöver noch mit einer üblen populistischen Rhetorik: Bislang hätten die erneuerbaren Energien „Welpenschutz“ genossen. Inzwischen seien sie aber zu „Jagdhunden“ herangewachsen, vor denen man sich in Acht nehmen müsse.
Diverse Organisationen der Energiewende wandten sich an die Bundestagsfraktion und alle möglichen sonstigen Parteikörperschaften der SPD: ob man sich denn nicht daran erinnern möchte, dass der weltgeschichtlich bedeutende Initiator der Energiewende, Hermann Scheer, SPD-Genosse war und ob seine Arbeit denn nicht weitergeführt werden sollte? Reaktionen blieben aus.
Offensichtlich stand die Partei geschlossen hinter der Politik Gabriels. Das von ihm vorbereitete EEG 2017, das sich von seinen Vorgängerversionen ausschließlich durch Verschlechterungen unterschied, wurde lediglich von Nina Scheer (Tochter Hermann Scheers) und ein oder zwei weiteren SPD-Abgeordneten abgelehnt.
In der Grünen-Partei gibt es wohl ein tieferes Verständnis der Energiewende, allerdings auch einen erheblichen Politikunterschied zwischen Oppositions- und Regierungsrolle. So hat das grün geführte Umweltministerium Schleswig-Holsteins gerade signalisiert, dass es ein LNG-Terminal in Brunsbüttel befürwortet.
Eine Handvoll Bundestagsabgeordnete (auch bei den Linken) haben verstanden, was die Stunde schlägt. Ihr politischer Einfluss ist leider verschwindend gering. Was sollen also Appelle, Forderungen und Vorwürfe an „die Politik“ bewirken? Sie verhallen in einem leeren Raum.
Eigene Souveränität entwickeln!
Wenn wir nicht zuschauen wollen, wie die Energiewende „kentert“ und die Klimaerwärmung sich in Richtung 5 bis 6 Grad auf den Weg macht, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen als Appelle, nämlich selber handeln.
Essgewohnheiten zu hinterfragen und zu verändern, gehört sicher auch dazu, aber der entscheidende Hebel für Klimaschutz ist der Umstieg auf die erneuerbaren Energien.
Die im Dezember 2018 vom EU-Parlament verabschiedete Richtlinie für erneuerbare Energien öffnet einer autonomen, durch Auflagen, Bürokratie und vielem mehr unbehinderten Eigenversorgung Tor und Tür. Leicht können dadurch Individuen oder Gruppen eine 100-prozentige Autarkie realisieren und von Konzernen ausgeheckte Versorgungsmodelle schlicht unterlaufen. Photovoltaik und Batterien machen‘s möglich! Wenn durch diese Tore nun auch sehr viele Menschen gehen – in eine freiheitliche, dadurch aber auch eigenverantwortliche Energieversorgung, könnte sich auch diese Richtlinie als Sternstunde erweisen.
Aber Eigeninitiative und eine gewisse Entdeckerlust sind unverzichtbar! Die durch Medien und immer mehr Bequemlichkeit ermöglichende Technikentwicklung verbreitete Lethargie muss durchbrochen werden. Dann könnten auch die auf deutschen Sparkonten parkenden Billionen in Bewegung geraten – für Klimaschutz und überhaupt für ein gesünderes Leben.
Vielleicht sollte auch nicht in jedem Fall der Stift zur Errechnung der Amortisationsfrist zu sehr gespitzt werden. Wenn wir uns einen schicken Sportwagen oder ein teures Schmuckstück kaufen, fragen wir auch nicht, wann es sich amortisiert. Solche Dinge amortisieren sich nicht, und dennoch geben wir Geld dafür aus, einfach weil wir sie gern haben wollen.
Vielleicht kommen wir mal drauf, dass es auch einfach etwas Schönes ist, ein stromerzeugendes Dach zu haben! Und amortisieren tut es sich obendrein, durch Einsparung von Stromkosten und viel mehr noch dadurch, dass es der Klimaerwärmung entgegen wirkt, was in Geldbeträgen gar nicht ausdrückbar ist. Bei der Frage „Amortisation oder Motivation?“ ist es vielleicht beides: schön und klug, sich für das Letztere zu entscheiden!
All dies sind Dinge, bei denen es in unserer Hand liegt, ob wir sie tun oder nicht. Hier gibt es keine Politik oder sonst jemanden, der aufzufordern wäre, etwas zu tun, sondern wir selbst sind der Souverän, der entscheidet, was geschieht und was nicht.
Die Politik in ihrer bisherigen Form wird es vermutlich noch eine Weile geben und es mag notwendig sein, sich mit ihr abzustimmen, aber Eines ist klar: wenn Teile der Bevölkerung beginnen, sich energetisch unabhängig zu machen, werden diese nicht mehr in der Rolle von Bittstellern, Protestierern, enttäuschten oder wütenden Protestierern auftreten, sondern als Verhandlungspartner mit einem auf Basis des selbst Erschaffenen sehr starken Selbstbewusstsein.
— Der Autor Christfried Lenz war unter anderem tätig als Organist, Musikwissenschaftler und Rundfunkautor. Politisiert in der 68er Studentenbewegung, wurde „Verbindung von Hand- und Kopfarbeit“ – also möglichst unmittelbare Umsetzung von Erkenntnissen in die Praxis – zu einer Leitlinie seines Wirkens. So versorgt er sich in seinem Haus in der Altmark (Sachsen-Anhalt) seit 2013 zu 100 Prozent mit dem Strom seiner PV-Inselanlage. Nach erfolgreicher Beendigung des Kampfes der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“ engagiert er sich ganz für den Ausbau der Erneuerbaren in der Region. Als Mitglied des Gründungsvorstands der aus der BI hervorgegangenen BürgerEnergieAltmark eG, wirkte er mit an der Realisierung einer 750 Kilowatt-Freiflächenanlage in Salzwedel. Lenz kommentiert das energiepolitische Geschehen in verschiedenen Medien und mobilisiert zu praktischen Aktionen für die Energiewende. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Das gefällt mir: Die Schönheit der PV-Anlage auf meinem Dach erkennen!
Und damit eine 100%-Autarkie realisieren .ist noch viel besser. Aber hier natürlich auch ohne Anbindung ans öffentliche Netz, welches nur von den „Räubern, Wegelagerern und Erpressern“ betrieben werden. Sonst kommt noch einer von denen auf die Idee für irgendwelche Vorhaltungen Geld zu verlangen. Es gibt ja noch Nachbarn und eine private flexible Not-Leitung ist schnell über den Zaun geworfen.
Und da die deutschen Haushalte für ca. 25% des deutschen Stromverbrauches stehen, also hier für weniger als 1/4 der der 760 Mio. energiebedingten CO2-Emissionen, sprich max. 180 Mio. t Co2, wissen wir, dass wir viel Gutes fürs globale Klima tun. So wäre der letztjährige globale CO2-Anstieg nur noch rd. 800-900 Mio. t gewesen.
Und dass viele in großen Mehrfamilienhäusern wohnen ist sicher ein Vorteil, da gibt es zwar weniger PV-Fläche pro Kopf, aber dafür viele Nachbarn, die gerne helfen!
Und die Nachbarn helfen gerne, egal ob lokal oder international, man braucht nur ein Vorbild!
So wie das Vorbild XR! Deutschland braucht halt Farbe: nach RAF eben die GAF-wie wir aktuell sehen-, nach rot kommt eben grün?
Die Regierung so wie es aussieht hat überhaupt kein interesse das Klima zu verbessern auf unserer Erde oder irgendetwas besser zu machen . Steuern erhöhen oder irgendwelche Sachen (KZZ oder ähnliches) teuerer zu machen provitiert nur der Staat und ich denke das der Staat das eine nur im Kopf hat Geld Geld Geld und das noch mehr in die Staatskasse kommt und die Politiker fahren weiter dicke Autos ,Merkel fliegt dauernd durch due Gegend .Das Klima so wie es aussieht interessiert unser Staat überhaupt nicht die wollen nur kassieren . Die denken nur ans Geld! Unser Staat so wie aussieht ist voll für die Katz!!!
Petersen
naja! Ganz so schwarz würde es jetzt nicht bezeichnen, aber etwas Wahres bleibt immer hängen!
Wie wär es mal mit dem in Vergessenheit geratenen persönlichen co²-Berater.
Welchen co²-Footprit wird von jedem Einzelnen erzeugt?
Wo liegt das Mittelmaß und was wäre akkzeptabel??
Was kann jeder von uns tun, um den Foot-Print zu reduzieren?
NICHT IMMER DIE ANDEREN!
jetzt wird es interessant.
Thomas.
Wir sollten nicht so tun, als ob es nicht jedem einzelnen auch um sein Geld geht, das er für den
Erhalt unseres Klimas investiert. Ab 2022 biete ich mein seit 2001 mit PV vollgepacktes Dach
– 6,6 kwp – nach 20 a EEG-Förderung an , d.h. den pro a gewinnbaren Strom von 4.800 kwh, daß er nicht in die Krallen von irgendwelchen fossilen Gewinnhayen gerät. Habe mich nach Hermann
Scheer bei weiteren Inv. in 20 a beteiligt.
Was mir fehlt: wie schützen wir solche direkt aus der Sonne gewonnene Energie vor dem Zugriff
von fossilen Energiekonzernen, die sich dann auch noch der Hilfe der Politik erfreuen?
Wolfgang Kirstein