Der Schweizer Bundesrat will den Strommarkt vollständig öffnen. Das teilte die Regierung der Alpenrepublik im Anschluss an ihre jüngste Sitzung mit. Als Begleitmaßnahme zur Marktöffnung sollen demnach die Investitionsanreize in die einheimischen erneuerbaren Energien verbessert und damit die Versorgungssicherheit gestärkt werden. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) soll jetzt eine Vorlage zur Anpassung des Energiegesetzes ausarbeiten und dem Bundesrat im ersten Quartal 2020 vorlegen. Wie der Bundesrat mitteilt, sollen im Zuge der Novelle die bisherigen Richtwerte für den Ausbau der Wasserkraft und anderer erneuerbaren Energien für 2035 als verbindlich erklärt werden. Dementsprechend sollen die derzeit bis 2030 befristeten Investitionsbeiträge bis Ende 2035 verlängert werden. Für die Zeit bis 2050 soll ebenfalls ein Richtwert bestimmt werden. „Sollte der effektive Zubau an erneuerbaren Energien den festgelegten Ausbaupfad zu stark unterschreiten, können im Rahmen des im Energiegesetz verankerten Monitorings zusätzliche Maßnahmen beantragt werden“, so der Bundesrat.
Im Solarbereich will die Schweiz den Wettbewerb verstärken, indem die bisher fixen Einmalvergütungen für große Photovoltaik-Anlagen neu durch Ausschreibungen festgelegt werden. Dabei soll jener Produzent den Zuschlag erhalten, der eine bestimmte Menge Solarenergie am günstigsten produzieren kann. Im Bereich Wasserkraft, die der Bundesrat als das Rückgrat der Schweizer Stromversorgung ansieht, sollen die Investitionsbeiträge für die Großwasserkraft verdoppelt werden. Bei neuen Wind-, Kleinwasser- und Biogasanlagen sowie Geothermie-Kraftwerken sollen ab 2023 die Einspeisevergütungen entfallen, statt dessen sollen sie bis 2035 neu Investitionsbeiträge beantragen und damit auch einen Teil der Planungskosten decken können.
Dem Photovoltaik-Branchenverband Swissolar zufolge bedroht die vorgeschlagene Marktöffnung den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Insbesondere dürfte der Rückliefertarif für unabhängige Produzenten sinken, was den wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen gefährdet“, so der Verband. Zudem seien die Pläne für die Photovoltaik diskriminierend. Für den Bau großer Photovoltaikanlagen seien schon heute die Investitionsanreize ungenügend, obwohl diese für die zukünftige Versorgungssicherheit von größter Bedeutung seien und Strom zu Preisen deutlich unter jenen anderer Technologien liefern können. Nun solle deren Bau nochmals komplizierter werden.
Laut Swissolar zeigen Erfahrungen aus dem Ausland, dass solche Ausschreibungsverfahren zu einem großen bürokratischen Aufwand führen, der praktisch nur von großen Energieversorgungsunternehmen bewältigt werden könne. Absolut unverständlich sei, weshalb die Förderbeiträge für die anderen Technologien nicht dem gleichen Verfahren unterstellt, sondern fix festgelegt werden sollen. Swissolar verlangt daher eine Gleichbehandlung aller Technologien und die Beschränkung des Ausschreibeverfahrens auf Anlagen ohne Eigenverbrauch mit einer Leistung über einem Megawatt. Zusätzlich brauche es eine erhöhte Einmalvergütung für Photovoltaik-Anlagen zwischen 100 Kilowatt und einem Megawatt ohne Eigenverbrauch, um das Potenzial auf Infrastrukturanlagen, Landwirtschaftsdächern und Lagerhallen erschließen zu können.
Wie Swissolar weiter mitteilt, wird der Strombedarf in der Schweiz in den kommenden 30 Jahren deutlich steigen. Wie der Verband auf Nachfrage von pv magazine erläutert, liegt der Schweizer Strombedarf im Moment bei 60 Terawattstunden pro Jahr. Davon stammen 20 Terawattstunden aus Atomkraftwerken und müssten daher durch Strom aus anderen Quellen ersetzt werden, weitere mindestens 20 Terawattstunden würden bis 2050 durch E-Mobilität und Wärmepumpen hinzukommen. Dieser zukünftige Strombedarf könne nur mit einem massiven Ausbau der Photovoltaik bewältigt werden, um eine stärkere Importabhängigkeit zu vermeiden. Allein auf den besonders geeigneten Dächern und Fassaden könnten 67 Terawattstunden mit Solaranlagen produziert werden. Um fristgerecht genügend Solarstrom zur Verfügung zu haben, müssten laut Swissolar jedoch jährlich 1500 Megawatt zusätzliche Photovoltaik-Leistung installiert werden – vier- bis fünfmal mehr als heute.
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“ Absolut unverständlich sei, weshalb die Förderbeiträge für die anderen Technologien nicht dem gleichen Verfahren unterstellt, sondern fix festgelegt werden sollen.“
Offensichtlich ist der Schweizer Bundesrat von div. Lobbyisten unterlaufen!