Im Januar stellte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) ihre Pläne vor, in den kommenden vier Jahren 500 Millionen Euro in den Aufbau und die Arbeit einer „Forschungsfabrik Batteriezelle“ investieren zu wollen. Sie beauftragte ein Expertengremium, einen geeigneten Standort auszuwählen. Das süddeutsche Ulm rechnete sich gute Chance aus, wegen seiner großen Forschungslandschaft, aber auch Industrienähe. Doch im Juni kam alles anderes: Karliczek verkündete, die „Forschungsfabrik Batteriezelle“ wird der der Universität Münster (MEET) in Nordrhein-Westfalen angesiedelt. Die Kritik an der Entscheidung, gerade aus Süddeutschland, war massiv.
„Der Spiegel“ hat nun nochmal genauer hingeschaut, wie es zu dieser Entscheidung kam. Zum einen sei augenfällig, dass der Wahlkreis von Karliczek in Ibbenbüren sei, das nahe Münster liegt. Mit den Fördersummen werden in der Region in den kommenden Jahren wohl 200 bis 300 neue Stellen geschaffen. Dem „Spiegel“ liegt ein Brief der Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen vor, in dem diese der Ministerin vorwerfen, ihre Entscheidung nicht allein aus forschungs- und innovationspolitischen Gesichtspunkten getroffen zu haben.
Karliczek habe daher kürzlich dem Bundestagsausschuss für Bildung und Forschung zahlreiche Dokumente zur Verfügung gestellt. Sie hat sich davon Transparenz und Entlastung von Vorwürfen versprochen. „Die Papiere erhärten den Verdacht, dass das Auswahlverfahren nicht sauber lief“, schreibt das Nachrichtenmagazin. So habe sich die Fraunhofer-Gesellschaft, die den Auswahlprozess begleitete, in ihrer ersten Analyse klar für Ulm ausgesprochen. Der Standort hatte nach den geprüften das beste Ergebnis, Münster lag dagegen eher im Mittelfeld, wie es in dem Bericht heißt.
In der Folge habe das Bundesforschungsministerium interveniert. Eine Nutzwertanalyse sei aus dem Ranking wieder herausgenommen worden. Damit enthielt die Auswertung keine Bewertung mehr. Das Bundesforschungsministerium verteidigt gegenüber dem „Spiegel“ diese Maßnahme, da die eingereichten Konzepte „mit unterschiedlicher Detailtiefe“ abgegeben worden seien. Die „bereinigte“ Fassung sei dann an die Gründungskommission gegangen, die aus acht Industrievertretern bestand, sowie vom Bundeswirtschaftsministerium und der Fraunhofer-Gesellschaft geleitet wurde. Sie habe keine offizielle Empfehlung an Karliczek abgegeben – zur Begründung gibt das Ministerium an, dass bei vielen Industrievertretern Interessenkonflikte vorlagen. Der kleinste gemeinsame Nenner sei gewesen, dass man allen Standorten die Eignung bescheinigte, berichtet der „Spiegel“ weiter.
Das Nachrichtenmagazin hat noch eine weitere Analyse des Forschungszentrums Jülich vorliegen. Darin schneidet Baden-Württemberg als Standort ebenfalls wesentlich besser ab als Münster. Auch die Auswertung sei vom Bundesforschungsministerium im Zuge der Entscheidung beauftragt worden, letztendlich sei sie aber bei der Wahl nicht eingeflossen.
Aus den internen Dokumenten des Ministeriums gehe nicht hervor, dass Karliczek persönlich in die Standortwahl eingegriffen habe, schreibt das Magazin. Sie habe sich sogar wegen der Nähe Münsters zu ihrem Wahlkreis als „befangen“ erklärt und die Entscheidung der zuständigen Fachabteilung im Bundeswirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer-Gesellschaft überlassen.
Dennoch verteidigt das Bundesforschungsministerium im Nachhinein die Wahl Münsters. Die Bewerbungen seien gleichrangig gewesen, daher seien Kriterien wie die Kompetenz der führenden Köpfe in den einzelnen Forschungseinrichtungen, die volkswirtschaftliche Bedeutung und das ökologische Konzept stärker gewichtet worden. Dabei sei letztendlich die Wahl auf Münster und MEET gefallen.
Die Skepsis bei den Experten sowie den politischen Konkurrenten bleibt dennoch bestehen. Letztere werden das Thema zumindest im Forschungsausschuss des Bundestages weiter mit Karliczek diskutieren und auf eine plausible Erklärung der Ministerin für die Standortwahl hoffen.
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