100 Prozent erneuerbare Energien. Ohne Wenn und Aber. Ohne Ausflüchte und Umwege. Dies ist das Ziel der im Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) engagierten Verbände und Unternehmen. Deshalb arbeiten wir dafür, die Energiesysteme über alle Sektoren hinweg und vollständig auf erneuerbare Energien auszurichten. Dabei sind die Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung gemäß des Pariser Klimaabkommens maßgeblich und entsprechend ambitioniert muss der Umbau des Systems erfolgen. Nicht nur Atom und Kohle, auch Erdöl und fossile Kraftstoffe und natürlich das fossile Erdgas werden dabei überflüssig. Dies geht schrittweise, wird aber vollständig sein.
Gerade der Anteil grüner Gase muss sehr schnell und deutlich steigen. Unter anderem deshalb setzt sich der BEE für eine ambitionierte CO2-Bepreisung im Strom- und Wärmesektor ein. Diese schafft einen fairen Markt für klimaschonende, erneuerbare Technologien und gibt den notwendigen Anreiz, schneller aus den fossilen Energieträgern auszusteigen, als dies heute der Fall ist. Klar ist auch, dass sich das System inklusive aller Infrastrukturen an die Erneuerbaren anpassen muss, nicht die Erneuerbaren an das System. Dadurch wird es dezentraler, klimafreundlicher und regionaler. Denn die regionale Wertschöpfung ist ein Schlüssel für die Akzeptanz der Erneuerbaren und eine riesige Chance, die Kosten für fossile Importe einzusparen.
Auch die Bundesregierung hat das Paris-Abkommen unterschrieben und sich zu einer vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 bekannt. Maßnahmen, heute die Investitionsentscheidungen dafür zu treffen, lassen hier aber auf sich warten: Klimaschutzgesetz, Kohleausstiegsgesetz, Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien durch Entfernung von Deckeln und Bremsen gehören dazu. Der BEE rechnet damit, dass es auch künftig Importe geben wird, gerade wenn es um flüssige Energieträger geht. Sein Szenario zur Umsetzung des 65 Prozent-Ziels für Ökostrom bis zum Jahr 2030 sieht vor, dass national produzierte, aber auch importierte synthetisch erzeugte Gase und Flüssigkeiten erneuerbaren Ursprungs (Power-to-Gas, Power-to-Liquids) zur Dekarbonisierung, vor allem der Industrie, gebraucht werden. Auch hierfür wird Infrastruktur in Häfen notwendig sein, deren Ausmaße aber heute noch nicht abschätzbar sind. Und natürlich muss sie den Bedürfnissen der Erneuerbaren entsprechen.
Völlig klar ist, dass der Import von durch Fracking gefördertem Erdgas nicht nur erhebliche Risiken am Ort der Förderung birgt, sondern auch die Klimabilanz des in Deutschland genutzten Erdgases radikal verschlechtert. Hierzu tragen unter anderem die massiven Methanemissionen des Erdgasfrackings bei, aber auch die nicht kohlenstofffreie Verbrennung hier in Deutschland. Die Erdgaswirtschaft sollte sich daher sehr genau überlegen, ob ihre Reputation mit dem Energieträger Erdgas zukunftsfähig ist. Und die Bundesregierung muss entscheiden, ob sie damit die Pariser Klimaschutzziele und die Ausbauziele für erneuerbare Energien einhalten kann. Für den BEE ist maßgeblich, dass die Energiewirtschaft über alle Sektoren hinweg so schnell wie möglich dekarbonisiert wird und fossile Energieträger durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Der in wichtigen Bereichen massiv ins Stocken geratene Ausbau muss schnell wieder beschleunigt werden.
Die Klimakrise braucht aktives politisches Handeln – keinen Stillstand und keine Bremsen. Deutschland muss beim Klimaschutz wieder an die Spitze zurück. Die Technologien haben wir. Das Know-how der Unternehmen und der Belegschaften steht bereit. Die Menschen im Land wollen die Energiewende, regional und bürgernah. Es geht darum, jetzt und heute zu handeln!
Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag ist eine Replik auf den ebenfalls heute veröffentlichten Kommentar von Christfried Lenz: Bundesverband Erneuerbare Energie hat zu LNG „keine Position“
— Die Autorin Simone Peter ist seit März 2018 Präsidentin des BEE. Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland bündelt der BEE die Interessen von 55 Verbänden und Unternehmen mit 30 000 Einzelmitgliedern, darunter mehr als 5 000 Unternehmen. Er vertritt auf diese Weise 316 600 Arbeitsplätze und mehr als 3 Millionen Kraftwerksbetreiber. Das Ziel: 100 Prozent Erneuerbare Energie in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr. Die promovierte Biologin war von 2013 bis 2018 Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und von 2009 bis 2012 Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes. Von 2012 bis 2013 war sie Mitglied des Landtags des Saarlandes als stellvertretende Vorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Davor arbeitete sie für die Vereinigung Eurosolar (2001-2004) und initiierte 2004 die Agentur für Erneuerbare Energien mit, deren erste Geschäftsführerin sie war. —
Die Blogbeiträge und Kommentare aufwww.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Liebe Frau Peter,
Sie bestätigen: „keine Position“ zu LNG – nur in mehr Worte gefasst.
Die Heilsversprechung (in Zukunft die LNG-Strukturen für grünes Gas nutzen) ist nicht glaubhaft. Andernfalls müssten jetzt die EE rapide ausgebaut werden, denn diese sind ja die Quelle für grünes Gas. Das geschieht aber nicht. Statt dessen rapider Erdgasausbau. – Siehe das niederländisch-deutsche Projekt in der Nordsee, und auch noch am Wattenmeer. Oder gerade jetzt in der Altmark. Heute habe ich erfahren, dass hier ein neues Aufsuchungsgebiet genehmigt wurde. – Dafür ist Geld da, aber nicht für EE und daher auch nicht für grünes Gas.
Und welches Land wird wann zu 100% mit EE versorgt sein und darüber hinaus einen derartigen Überschuss an erneuerbarer Energie produzieren, dass es diesen in Form von grünem Gas oder Flüssigkeiten exportieren kann??? Denn wenn es exportiert, ohne selber auf 100% EE zu sein, macht das klimapolitisch ja keinen Sinn!
Eine ehrliche und echte Wende zu den erneuerbaren Energien ist wichtiger als ein spannungsfreies Verhältnis zur Regierung! Kohleersatz durch Erdgas und LNG macht jede Hoffnung auf die Begrenzung der Klimaerwärmung zunichte.
Bitte lauschen Sie auf Ihre innere Stimme!
Herzliche Grüße,
Christfried Lenz
Dass der Zubau bei uns zu niedrig ist, aber höher sein könnte, darüber braucht man sich sicher nicht zu streiten.
Bei der Produktion von grünem Gas wird im übrigen viel darüber nachgedacht, dies in den Sonnengürteln (Sahara, arabische Halbinsel etc.) der Erde zu tun. Richtig: Die sollten parallel auch selber unabhängig von fossilen Energieträgern werden. Sonst scheitern solche Projekte wie ehedem Desertec. Dort waren zu egoistische Manager am Werke, die mit dem Kopf durch die Wand wollten, und statt auf Zusammenarbeit auf die Macht des Geldes setzten.
Aber warum halten Sie es für so illusorisch, dass diese dünn besiedelten Länder auch selbst auf Erneuerbare umsteigen? In den Emiraten und in Saudiarabien ist man doch schon fleissig dabei.
Antwort an JCW (30.08. 19:40 Uhr)
Die Hoffnung, die auf eine spätere Nutzung der jetzt neu zu bauenden Erdgas-Strukturen durch grünes Gas gemacht wird, ist aus mehreren Gründen trügerisch:
1.) Der Klimawandel lässt uns gar keine Zeit, dem Umstieg auf 100% EE noch eine fossile Energie vorzuschalten.
2.) Die Energiekonzerne tätigen derzeit auf viele Jahrzehnte kalkulierte Investitionen in Erdgas-Förderung, -transport und -verarbeitung. Nicht nur bei North Stream und LNG, sondern auch vor unseren Haustüren in Deutschland. (Hierbei müssen sie sich nicht wie die EE mit gesetzlich verankerten „Fußangeln und Widerhaken“ auseinandersetzen, sondern werden im Gegenteil von den Bergämtern zuvorkommend bedient.) Die Geldgeber sind an der um Gewinne vermehrten Rückzahlung ihrer Einlagen interessiert. Sie werden nicht diejenigen sein, die erwartungsfroh auf die Entwicklung der EE im Sonnengürtel der Erde schauen, um das Erdgas möglichst bald durch grünes Gas abzulösen.
3.) Die in Deutschland bereits vorhandene Gas-Infrastruktur mit ihren Leitungen, Kavernen- und Porenspeichern reicht aus, um den gesamten Energiebedarf des Landes für ca. 3 Monate abzudecken. Dieses gewaltige für grünes Gas zur Verfügung stehende Volumen würde den bei einer 100%igen EE-Versorgung anfallenden Langzeitspeicher-Bedarf weit übertreffen. Es besteht also gar kein Anlass, das Volumen für Gas-Speicherung noch mehr zu vergrößern.
Außerdem gibt es gute Gründe, statt grünem Methan-Gas das flüssige grüne Methanol als Langzeitspeichermedium zu wählen (siehe hierzu das „Positionspapier“ https://www.pv-magazine.de/2019/07/24/buendnis-will-lng-plaene-stoppen-und-geld-in-erneuerbare-und-speicher-umleiten/).
100% EE sind zweifellos das Ziel, der Weg dorthin führt aber tatsächlich besser über Investitionen in Erdgaspipelines als über neue Braunkohletagebaue. Erdgaspipelines sind nämlich auch mit Methan aus EE nutzbar, Braunkohletagebau ist einfach nur doof…
Wie der Strommix diesen Jahres bereits zeigt, könnte Gas die Kohle kurzfrisitg ablösen. Das wäre immerhin schonmal ein Schritt Richtung „weniger CO2“, auch wenn fossiles Erdgas eingesetzt wird.
Auch für die Vorhaltung von gesicherten Kapazitäten müssen die Gaskraftwerke positioniert werden, und das wird nicht ohne passende Speicher und Leitungen gehen. Mithin kann ich den Gasleitungen mehr Sinn abtrotzen, als den angeblich benötigten Stromtrassen.
Denn: Wenn 100% EE, auch im Wärmesektor, erreicht werden sollen, müssen wir große Mengen Energie überregional austasuchen können. Im Sommer ist die dezentrale Stromerzeugung mit PV einfach und weitgehend gesichert und geheizt werden muss nicht. Im Winter wird es ein Nord-Süd-Gefälle geben und sowohl Strom als auch Wärme muss in den Süden. Hier sollte aber tatsächlich dann auch gespeichertes Gas aus der Sommer-EE zum Einsatz kommen, natürlich in dezentralen KWK-Anlagen, damit die Abwärme schonmal zum Heizen genutzt werden kann. Also Brennstoffzelle im Keller.
Das bei einem solchen Umbau der Energieversorgung das Erdgasnetz ertüchtigt werden muss, halte ich nicht für abwegig…