Gestern tagte das Bayerische Kabinett zum Klimaschutz. Seit Tagen tritt Ministerpräsident Markus Söder mit verschiedenen Vorschlägen an die Öffentlichkeit und zeigt Aktionismus für den Klimaschutz. Offensichtlich haben die Stimmenverluste bei der Wahl zum Europäischen Parlament gewirkt.
Die alles entscheidende Frage ist aber, sind die von Söder vorgelegten Klimaschutzmaßnahmen auch tragfähig, um wirksamen Klimaschutz zu erreichen? Beantworten kann man diese Frage nur, wenn man die Dimension des heutigen Klimanotstandes begreift, der die Weltgemeinschaft bereits erfasst hat. Nicht nur in Bayern sterben die Wälder, der Meeresspiegel steigt unerbittlich, in weiten Teilen Afrikas und Asiens weiten sich die Wüsten aus und Millionen von Menschen verlieren jetzt schon ihre Lebensgrundlage. Das Ganze geschieht bei 1,1 °C Erderhitzung. Jede weitere Emission von Treibhausgasen, egal auf welchem reduzierten Niveau wird den Notstand weiter massiv verschärfen.
Nur noch das Ziel von Nullemissionen bis 2030, verbunden mit starken Kohlenstoffsenken, kann diese Entwicklung vielleicht noch aufhalten. Daher sind die Vorschläge Söders ausschließlich an diesem Ziel zu messen. Da die Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle ca. 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen ausmacht, ist das Umstellen auf 100 Prozent erneuerbare Energien die alles entscheidende Maßnahme, um Nullemissionen zu schaffen. Ohne das kann es keinen Klimaschutz geben.
Will Söder also 100 Prozent erneuerbare Energien in Bayern umsetzen? Macht er Vorschläge, die die – von der CSU in Bayern und Berlin mit zu verantwortende – Blockade gegen den Ausbau der Erneuerbare Energien endlich beenden? Schlägt er eine Politik vor, die 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 erreicht?
Mitnichten!
Genau bei der Beendigung der Ausbaublockaden der Erneuerbaren Energien sind Söders Vorschläge vollkommen unzulänglich. Die 10H Regelung, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Windkraftausbau in Bayern schon seit 2015 massiv eingebrochen ist, will er nicht beseitigen. Etwa 400 Windkraftgenehmigungsanträge gab es in Bayern im Jahr 2013. Sie sind dann 2017 und 2018 auf weniger als 10 zusammengebrochen. Nun will Söder jährlich 50 Windkraftanlagen in den kommenden zwei Jahren in den bayerischen Staatsforsten bauen lassen. Viel zu wenig, angesichts bestehender Notwendigkeiten. Ob diese Notwendigkeiten aber tatsächlich jemals erreicht werden können, ist höchst fraglich, denn zur Abschaffung der Ausschreibung und Rückkehr zur EEG-Einspeisevergütung hat sich Söder nicht geäußert. Auch die Anzahl von PV-Freiflächenanlagen will er zwar moderat erhöhen, aber die im EEG aufgebauten Hemmnisse, die den PV-Ausbau in Deutschland und Bayern auf sehr niedrigem Niveau – im Vergleich zu Anfang des Jahrzehnts – halten, insbesondere den Wechsel zu Ausschreibungen, will er nicht wirklich beseitigen. Zum Ausbaustopp bei Wasserkraft, Geothermie und Bioenergie hat er sich gar nicht geäußert.
Das notwendige Ziel, eine Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien ist demnach in Söders Klimaschutzvorschlägen so gut wie gar nicht vorhanden. Was zeigt, dass er die wichtigste Klimaschutzmaßnahme nach wie vor nicht angehen will. Weiterhin sind ihm die fossilen Wirtschaftsinteressen rund um Erdöl und Erdgas zu wichtig, z.B. die der Automobilkonzerne oder wenn es um Siemens‘ Geschäft mit Erdgasturbinen geht. Lediglich zum Kohleausstieg bis 2030 äußert er sich offensiv, kein Wunder, da in Bayern fast keine Kohlekraftwerke stehen und auch kein Kohlebergbau stattfindet.
Da ist es kein Wunder, dass er lediglich das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 vorschlägt. Das bedeutet ja, dass weit über 2040 hinaus in großem Stile Emissionen aus dem Verbrennen von Erdöl und Erdgas in Bayern möglich sein wird und nur die Emissionen an anderer Stelle durch Kohlenstoffsenken kompensiert werden sollen.
Auch andere Vorschläge klingen erst mal gut, sind bei näherem Hinsehen aber ähnlich unzulänglich. Die Verdreifachung des Ökolandbaus auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bis 2030 heißt im Klartext, dass weiterhin auf 70 Prozent der Fläche intensive Landwirtschaft betrieben werden soll, mit giftigem Glyphosat und klimaschädlichem Mineraldünger.
Die Offensive zur Aufforstung entpuppt sich ebenfalls als zu schwach. So sollen statt den bisher geplanten 25 Millionen Bäumen nun 30 Millionen in den nächsten fünf Jahren in den Staatsforsten gepflanzt werden. Viel zu wenig, angesichts des begonnenen Waldsterbens in Bayern.
Sein Vorschlag zur Aufnahme des Klimaschutzes ins Grundgesetz ist angesichts des herrschenden Klimanotstandes notwendig und längst überfällig. Sofort kann er die grüne Initiative Thüringens im Bundesrat unterstützen. Eine neue Offensive zur Aufnahme des Klimaschutzes in die bayerische Verfassung verbunden mit der Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien lässt Herr Söder aber vermissen. So hat er in Bayern den Vorschlag zu einer Aufnahme von Klimaschutz in die Bayerische Verfassung im Frühjahr nur halbherzig aufgriffen, indem er den gleichzeitigen Volksbegehrensvorschlag zur Umstellung der bayerischen Energieversorgung auf 100 Prozent erneuerbare Energien nicht unterstützte. Die Initiative des Volksbegehrens „Klimaschutz in die Verfassung“ sammelt daher weiter Unterschriften, um die Staatsregierung zu stärkerem Klimaschutz zu bewegen.
Söders Klimaschutzpolitik ist nicht glaubwürdig, da er die mit der CSU in Deutschland und in Bayern eingeführten Ausbaublockaden gegen die Erneuerbaren Energien nicht beseitigen will. Selbst die Süddeutsche Zeitung spricht daher vom Blendwerk Söders beim Klimaschutz.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Mir erscheint das als Kampf gegen Windmühlen, wenn man immer gegen die Ausschreibungen wettert. Damit wird man nicht ernst genommen. Im Bereich der PV waren und sind die Ausschreibungen doch sehr erfolgreich: Die Preise sind so weit gesunken, dass in der Direktvermarktung schon gelegentlich höhere Preise erzielt werden, und damit keine Ausgleichszahlungen aus dem EEG-Fonds mehr notwendig sind. Die Ausschreibungen sind regelmäßig überzeichnet, nur die ausgeschriebenen Kontigente sind zu niedrig. Die Ausschreibungsmengen sollten also kontinuierlich erhöht werden, bis man an die Grenze stößt, wo es nicht mehr genug Gebote gibt, oder wo es das Netz überlasten würde.
Im Bereich der Windkraft wollte man diesen Erfolg wiederholen, hat aber die Ausschreibungsbedingungen nicht in der erforderlichen Weise an die schwierigeren Planungsumstände angepasst. Man kann da natürlich Absicht unterstellen, ich glaube aber, es war auch ein Gutteil Blödheit dabei. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man grundsätzlich von den Vorteilen, die die Ausschreibungen prinzipiell bringen können, und bei der PV gebracht haben (Überförderungen vermeiden, Ausbau so wirtschaftlich wie möglich), wieder verzichten will. Deshalb wäre es sinnvoller, konstruktiv an der Modifikation der Ausschreibungsbedingungen für die Windkraft mitzuarbeiten, statt so in Fundamentalopposition zu gehen. Damit tut man der Sache einen Bärendienst. Die Lösungen von vor 20 Jahren (garantierte Einspeisevergütung ohne Kontingentierung) wird für große Anlagen sicher nicht mehr wiederkommen, die Zeit ist vorbei, und das ist auch gut so.
@JCW: sie haben mit ihren Ausführungen recht und Herrn Fell Ausführungen finden in den großen Medien ja auch schon seit langem keine Beachtung mehr .
Ich frage mich immer wieder, warum die Ausschreibungen als das große Problem dargestellt werden! Das Problem ist vielmehr, dass gar nicht genug Genehmigungen erteilt werden, und die ausgeschriebene Kapazität somit gar nicht erreicht wird. Die letzten 5 Ausschreibungen wurde IMMER der maximal zulässige Höchstwert vergeben. Das Problem liegt also nicht in der zu geringen Vergütung, sondern in der Genehmigungspraxis. Hier sind insbesondere zwei Hemmnisse zu verzeichnen: 1. Die Flugsicherung und 2. Der Naturschutz. Fast jedes Windkraft-Projekt wird vom NABU beklagt, weil sich in der Nähe von so gut wie jedem Windparkprojekt äußerst seltene Horste von Großvögeln wie Rotmilan, Schwarzmilan, See-, Fisch,- oder Schreiadler, Wiesenweihen oder Schwarzstörchen befinden. Die größten Kohlelobbyisten sind zur Zeit die Naturschutzverbände. Eine traurige Wahrheit….!