pv magazine: Vor zwei Jahren, am 25. Juli 2017, wurde das Photovoltaik-Mieterstromgesetz beschlossen. In den ersten knapp zwei Jahren sind bei der Bundesnetzagentur gerade einmal Photovoltaik-Anlagen mit rund 15 Megawatt Leistung für den Mieterstromzuschlag bei der Bundesnetzagentur gemeldet worden – dabei wären bis zu 500 Megawatt im Jahr gesetzlich möglich. Wie steht es um den Mieterstrommarkt aus ihrer Sicht?
Josef Baur (Foto): Es stimmt, dass bislang noch nicht eine Vielzahl an Projekten einen Mieterstromzuschlag erhalten. Aber was man jetzt mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit sagen kann ist, dass das Marktsegment Mieterstrom Bestand haben und signifikant wachsen wird. Wir haben bereits 500 Projekte im Bereich BHKW und Photovoltaik umgesetzt, in denen rund 25.000 Nutzer von Mieterstromlösungen profitieren. Und wir erleben, dass die Debatte rund um das Gesetz wichtige Impulse gegeben hat. Wir sind mit vielen Stadtwerken, Immobilienunternehmen und Energieversorgern im Gespräch, die Mieterstrom in ihrem Portfolio umsetzen wollen oder dies schon tun. Mit anderen Worten: Die Zahlen der Registrierung bei der Bundesnetzagentur spiegeln nur einen kleinen Teil dessen wider, was am Markt tatsächlich los ist.
Das heißt, Anlagen für Mieterstrom sind schon wirtschaftlich machbar?
Ja, so sehen wir das. Durch Mieterstrom werden Photovoltaik-Dachanlagen im urbanen Umfeld oft sogar erst wirtschaftlich. Aus über 100 von uns durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnungen ergeben sich klare Zahlen. Auf den Punkt gebracht: Mieterstrom erhöht die Rendite von Einspeiseanlagen im städtischen Mehrfamilienbereich um durchschnittlich drei bis sieben Prozent. Die höchste Attraktivität hat Mieterstrom für den Betreiber der Anlage, der dadurch hohe Überschüsse erzeugen kann. Und schließlich profitiert davon natürlich auch der Mieter – und wenn er an der Anlage beteiligt ist, sogar gleich doppelt.
Wie sehen Mieterstromprojekte in der Praxis aus?
Mieterstromprojekte im deutschen Markt basieren technisch gesehen nur zum Teil auf Photovoltaik. BHKW-Mieterstromprojekte gibt es schon länger und sie bieten mehr wirtschaftlichen Spielraum als Photovoltaik-basierte Modelle – obwohl sie keinen Zuschlag über das Gesetz erhalten. In den von uns durchgeführten Projekten hat sich jedoch deutlich gezeigt, dass sich BHKW-Mieterstrom und Photovoltaik-Mieterstrom optimal ergänzen lassen. Während die BHKW-Anlagen im Winter zu Einsatz kommen, bringen Photovoltaik-Anlagen insbesondere im Sommer hohe Leistungen. Wir empfehlen Anwendern, die Voraussetzungen am jeweiligen Objekt zu prüfen und dann zu klären, welche Kombination ideal ist.
Was braucht es, um Mieterstrom noch öfter in die Umsetzung zu bringen?
Klare, gesetzliche Regelungen und eine Begrenzung der Bürokratie ist sicherlich das eine. Aber aus unserer Sicht werden die kürzlich angekündigten Erleichterungen im Bereich Mieterstrom oder die neuen Regelungen in der Erneuerbaren-Energien-Richtline nur zum Teil helfen, die Kleinteiligkeit und Komplexität erfolgreich zu managen. Worauf es letztlich ankommt, ist Standardisierung, Prozesse und Expertise und genau da setzen wir an. Mit unserer White Label Mieterstromlösung können wir jeden befähigen Anbieter und Betreiber von Mieterstrom zu werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat für den Herbst eine Novellierung des Mieterstrom zugesagt. Glauben Sie, dass die Erleichterungen dort bereits festgeschrieben werden?
Ja, wir glauben, dass die Erleichterungen dort festgeschrieben werden. Dies wurde so angekündigt.
Die Politik ist das eine, aber es muss auch mehr Nachfrage geschaffen werden. Wer sind die entscheidenden Marktakteure für Mieterstrom?
Aus meiner Sicht gibt es zwei Haupttreiber, die Mieterstrom in die Breite bringen können: Zum einen die Energieversorgungsunternehmen und Stadtwerke, zum anderen die gewerbliche Wohnungswirtschaft. Erst wenn es diesen beiden Akteursgruppen gelingt, Mieterstrom hochgradig zu standardisieren und zu skalieren, werden wir für den Markt exponentielles Wachstum sehen. Die Schwierigkeit bei den Stadtwerken liegt nicht in der Komplexität, sondern eher bei den Abrechnungs- und Integrationsaufwänden für das Produkt. Im Bereich der gewerblichen Wohnungswirtschaft machen wir die Erfahrung, dass viele Akteure das Thema Mieterstrom als zusätzliche Wertschöpfungsquelle identifiziert haben. Die Herausforderung bei diesem Akteur liegt in der Wahl des geeigneten Betreibermodells.
Welches Modell wäre da am sinnvollsten?
Unseres Ermessens nach macht es für die Wohnungswirtschaft viel Sinn, selbst Lieferant zu werden. Der Bedarf für die Wohnungswirtschaft liegt also im Enabling als Lieferant. Für Wohnungsbau- und Energiegenossenschaften wiederum öffnet sich durch Mieterstrom eine neue Einnahmemöglichkeit. Und schließlich können Kontraktoren ihre Einnahmen und zugleich ihre Akzeptanz bei den Bewohnern durch günstige Strompreise erhöhen. Diesen unterschiedlichen Akteuren mit ihren verschiedenen Bedürfnissen kommen wir entgegen, indem wir die Prozesse von Anfang an flexibel und digital abbilden. Dadurch ergibt sich ein hohes Maß an Standardisierung, was die Durchführung der jeweiligen Projekte immens erleichtert. Mieterstrom wird auf diese Weise für jeden der Akteure attraktiv.
Was spricht aus ihrer Sicht für Mieterstrom?
Jede Gruppe hat eigene gut begründete Motive. Stadtwerken und Energieversorgern empfehle ich, ein Angebot Mieterstrom im Versorgungsgebiet zu haben, weil sonst der Wettbewerb ins Stammgebiet eindringt und große Versorgungseinheiten wegnimmt. Dies kann einen langfristigen Verlust von Endkundengruppen bedeuten. Mit Mieterstrom hingegen bleiben Stadtwerke und Energieversorger bei den Verbrauchern präsent. Die Wohnungswirtschaft hat mit Mieterstrom die Chance, Immobilien zu Kraftwerken zu machen und so zusätzliche Wertschöpfung zu generieren. Damit können sie unabhängig von einer Einspeisevergütung werden, oder sogar über Ladesäulen zur Elektromobilität beitragen. Genossenschaften wiederum können den Bewohnern von Quartieren mit Mieterstrom die grünste und regionalste Form von Strom zu Verfügung stellen – den vom eigenen Haus. Sie generieren so zusätzliche Wertschöpfung und steigern die Attraktivität ihrer Immobilie.
Was wünschen Sie sich zum zweiten Geburtstag des Mieterstromgesetzes?
Eine Erhöhung der Förderung ist hier nicht der entscheidende Faktor. Vielmehr kommt es auf die rechtlichen Rahmenbedingen an, die klar fixiert werden werden sollten. Ein Stichwort wäre beispielsweise räumlicher Zusammenhang. Hier sollte es klare Regeln geben, was räumlicher Zusammenhang genau bedeutet. Wichtig wäre außerdem die Größenbeschränkung für Kundenanlagen aufzuheben, durch die derzeit noch Mieterstromprojekte beeinträchtigt werden.
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Der Mieterstrom soll bewirken,daß Mieter auch von der Energiewende profitieren sollen ?
Da passt es aber nicht zusammen, daß sie die volle EEg Abgabe, auf den so genannten Eigenverbrauch leisten müssen,
Wärend Solarbetreiber, den auf dem eigen Dach erzeugten Eigendverbrauch z. T.
keine bezw verminderte EEG Agaben leisten müssen .
Ich schließe mich, da nicht aus )
Zumal die EU die Besteuerung , und Abgabenlast von eigend erzeugten Stom in BRD abgemahnt hat!!
So wie das Mieterstrommodell zur Zeit gestrickt ist, hat es den
Anschein, daß es in wirklichkeit, gar nicht gewollt ist ??
Vielen Dank für die interessante Berichterstattung Besteht die Möglichkeit Mieterstrom von unserer Ortsansässigen Biogasanlage (BHKW) zu beziehen. Es werden bereits ca. 20 Haushalte über ein Nahwärmenetz versorgt. Das Netz wurde durch eine GBR der 20 Gesellschafter finanziert und soll nochmals erweitert werden. Nun meine Frage. Ist es möglich Mieterstrom von der Biogasanlage zu beziehen und wenn ja wie? Welche Förderung gibt es zur Nahwärmenetz erweiterung?
Die Schweizer machen das ganz einfach! Was hinter dem Zähler ist kann jeder machen wie er will.!
Die unbürokratischste Lösung ist eigentlich, dass man JEDE PV-Anlage als Volleinspeiseanlage ins Netz baut, und jeder seinen Strom von einem Anbieter seiner Wahl aus dem Netz bezieht. Das Konstrukt des Eigenverbrauchs verkompliziert die Lieferbeziehungen nur unnötig. Es führt zur Rosinenpickerei für die, die davon profitieren können, und der Rest, der aus technischen Gründen nicht die Möglichkeit hat, bezahlt mit höheren Strompreisen. Da Strom ein Element der Daseinsvorsorge ist, ist eine solche Ungleichbehandlung eigentlich nicht akzeptabel. So wie der Staat die Pflicht hat, die Stromversorgung sicherzustellen, so hat er auch das Recht, für möglichst gleiche Bezugsbedingungen für alle zu sorgen.
Nur wenn man mit der hier präsentierten Lösung der Kombination von PV+BHKW eine komplette Autarkie erreicht oder sogar netzdienlich einspeist und bezieht, dann sollte man das Recht haben von staatlichen Ansprüchen befreit zu sein, oder gar für Netzdienstleistungen bezahlt zu werden.