Diesmal ist sie klar gegen die erfolgreichen jugendlichen Klimaproteste gerichtet, um sie einzufangen und so zu schwächen, dass sie die großen Geschäfte des fossilen/atomaren Wirtschaftsgefüges nicht ernsthaft gefährden können. Im Rahmen von Themenkampagnen übernimmt die Initiative neue soziale Marktwirtschaft Begriffe der Gegenseite („sozial“, „Gerechtigkeit“, „Energiewende“, „Klimaschutz“), und sorgt dafür, eine neue Assoziation zu den Begriffen in ihrem Sinn herbeizuführen. Beim Thema Klimaschutz heißt das: 2°C Ziel statt 1,5°C Ziel, Ausbremsen schneller, massiver Klimaschutzmaßnahmen für die Industrie, Verhindern einer CO2-Abgabe, Erdgas-Offensive, Emissionshandel statt schnellem Kohleausstieg.
INSM-Themenkampagnen werden umgesetzt durch dauerhaftes, intransparentes, flächendeckendes Platzieren und Erzeugen von Schlagzeilen in Print, TV, Funk und Internet über einen langen Zeitraum. Ergänzt wird dies durch Anzeigen- und Plakatkampagnen. Die Interessenorganisation der großen Konzerne stellt sich nach außen so dar, dass sie unbedingt Klimaschutz, Energiewende, soziale Gerechtigkeit etc. will, bewirkt mit ihren Vorschlägen aber immer genau das Gegenteil das, was der jeweilige Begriff ihrer Themenkampagne ist.
Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft ist die Tochtergesellschaft des Instituts der deutsche Wirtschaft (IW) Köln, was wiederum von den beiden Industrieverbänden BDI und BDA finanziert und kontrolliert wird.
Zur Erinnerung:
Die INSM war erfolgreich beteiligt, die politischen Beschlüsse zur Agenda 2010 oder Einführung der privaten Altersvorsorge vorzubereiten und hat federführend 2012 die Kampagne gegen die Erneuerbaren Energien entworfen und geleitet, die dann zu dem massiven Einbruch im Ausbau aller Erneuerbaren Energien in Deutschland und in der EU führte. Ihr Auftrag war, die Interessen der fossilen Wirtschaft gegen die schnell wachsende Konkurrenz der Erneuerbaren Energien und vor allem der Bürgerenergien zu schützen. 2017 hatte ich in einer 5-teiligen Serie Details zu den Methoden und Taktiken der INSM in der Anti-EEG Kampagne aufgezeigt.
Nun zeigt sich auf der Internetseite der INSM der erste Schritt der neuen Antiklimaschutzkampagne. In 12 „Fakten“ ist schön verpackt, dass der Klimaschutz natürlich notwendig ist und in denen auch das 2°C Ziel anerkannt wird. Kein Wort dazu, dass der Weltklimarat und viele andere Klimaforscher längst davor gewarnt haben, dass eine Erderwärmung um 2°C unerträgliche Folgen für große Teile der Weltgemeinschaft verursachen wird.
Die Interessen der Industrie werden in den „Fakten“ schön verbreitet, so gilt die Industrie plötzlich als bester Klimaschützer, die Verfehlung der schon ohnehin völlig unzulänglichen, deutschen Klimaziele wird bagatellisiert, die Erneuerbaren Energien wie immer als zu teuer und der Atomausstieg aus Klimaschutzgründen als verfehlt dargestellt. Natürlich wird der Emissionshandel in den Vordergrund geschoben, so wie von der fossilen Industrie in den letzten 30 Jahren auch schon, obwohl der Emissionshandel völlig versagt hat, einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Alles für den Laien gut in blendende Zahlen verpackt, so dass diese Argumentation wie immer ihre Wirkung nicht verfehlen wird und die verantwortungslose Antiklimaschutzpolitik von Minister Altmaier und Co. stützen wird.
Diesem Aufschlag mit den 12 Fakten zum Klimaschutz auf der Internetseite werden umfassende Maßnahmen folgen, um der Gesellschaft einzuhämmern, wie Klimaschutz (aus Sicht der klimazerstörenden Industrie, die sich nicht ändern will) zu machen sei. So wird dann der mediale Boden bereitet, damit Union und SPD es in Berlin leicht haben, die jugendlichen Proteste abzuwehren, weiter keinen Klimaschutz zu machen und am Besten die Fridays for Future Bewegung so einzubinden, dass sie geschickt marginalisiert wird.
Tina Ternus, Unterstützerin von Lobbycontrol, die schon in akribischer Kleinarbeit und intensiver Recherchearbeit die ungeheuerlichen Methoden der INSM 2012 aufdeckte, hat geschildert, wie sich die INSM-Kampagne aus ihrer Erfahrung wohl weiter entwickeln wird.
Lesen Sie den Warnruf von Tina Ternus und wie sie mit ihrer langen detailreichen Erfahrung eine mögliche weitere Entwicklung der neuen Antiklimaschutzkampagne der INSM einschätzt. Ihre Einschätzung folgt aus der genauen Beobachtung mehrerer zurückliegender INSM-Kampagnen:
PHASE 1 (findet schon statt): Betonen des gewünschten Dialogs, Inhalte der Gegenseite werden noch weitgehend neutral wiedergeben und ausgesuchte Personen (z.B. Luisa Neubauer) zunächst noch mit eingebunden, gleichzeitiges Säen erster Zweifel plus am Rande das Diskreditieren ausgesuchter Akteure (Rezo und YouTuber). Ängste schüren in der Bevölkerung bspw. über explodierende Kosten (in der BILD mit gleichzeitiger Abstimmungsmöglichkeit).
PHASE 2: Langsam die öffentliche Meinung Stück für Stück in die eigene Richtung drehen: Zweifel verstärken über „prominente Köpfe“ der INSM und den Wirtschaftsrat der CDU. Dafür sorgen, dass mehr und mehr nur noch Argumente und Vorschläge der INSM medial aufgegriffen werden. Empörung schüren über explodierende Benzinpreise und Bezahlbarkeit. Artikel wie: „10 Gründe gegen eine CO2 Abgabe“, „die 12 Irrtümer der Jugend“, „Warum eine CO2-Abgabe, schnelle Energiewende & Elektromobilität scheitern wird“ mehren sich. Expertenrunden und aggressiver werdende Hetze („10 Mythen der Klimajünger“) platzieren den INSM-Standpunkt („Augenmaß“ beim Klimaschutz zum Schutz der betroffenen Industrie) als alleinige Wahrheit. Vorstellen der INSM-Agenda für Klimaschutz durch wirtschaftsnahe Professoren. Ggf. kommt auch wieder Atomenergie ins Spiel, Hans Werner Sinn als „prominenter Kopf“ der INSM argumentiert bereits in diese Richtung.
PHASE 3: Über einen Zeitraum von 2-4 Wochen zeitlich versetzt geschaltete INSM-Anzeigenmotive mit griffigen Slogans und bunten Bildchen in FAZ, WELT, Handelsblatt, WiWo, aber auch Süddeutsche, begleitet von Artikeln in den jeweiligen Printmedien, die die Inhalte der Anzeigenmotive wiedergeben. Tagungen und Veranstaltungen der INSM in Kooperation mit Handelsblatt, WELT o. WiWo, evtl. Plakataktion an Bahnhöfen und Bushaltestellen.
PHASE 4: Fast täglich gibt es neue Experten der Wirtschaftsinstitute, die die „12 INSM-Fakten“ deckungsgleich wiedergeben, auf die INSM-Agenda drängen und je eine Schlagzeile generieren. Es ballert Studien und Meinungsumfragen, der Ton wird aggressiver („emotional gesteuerte Klima-Hysterie“), Hetze gegen Akteure für CO2-Abgabe oder Energiewendler. Die Kids selbst werden wahrscheinlich nicht so aggressiv angegangen werden (Welpenschutz), aber kleingeredet, jovial belächelt, nicht ernst genommen werden. Gleichzeitig intensive Bemühungen der INSM, den ausgesuchten Politikern von CDU, SPD, FDP, (evtl. auch ausgesuchte GRÜNE?) den INSM-Lösungsvorschlag als Gesetzesvorlage schmackhaft zu machen.
PHASE 5: Experten, Studien, Meinungsumfragen in Print, TV, Talkshows nehmen inflationäre Ausmaße an, aggressives Bashing der Gegenseite, Wirtschaftsrat der CDU mit Vizepräsident Friedrich Merz stellt klare Forderungen, Formulierung Papiere, wie eine (Ausbrems-)Agenda 2030 des nächsten Jahrzehnts zum Klimaschutz aussehen kann.
PHASE 6: Die von der INSM eingebundenen Politiker von CDU, SPD, FDP (ggf. auch vereinzelte Grüne?) überzeugen weitere Parteikollegen.
PHASE 7: Wirtschaftsminister Altmaier bzw. das Kabinett formuliert ein Gesetz zur Klima-Agenda 2030, das zu über 90% den INSM-Forderungen bzw. denen der von Klimaschutzmaßnahmen besonders betroffenen Industrien entspricht.
PHASE 8: Trotz Protesten in der Bevölkerung, Debatten in Bundestag und Bundesrat wird der Kabinettsvorschlag mit nur leichten Veränderungen von der GroKo abgenickt.
Was ist zu tun, um die Macht der INSM-Kampagnen zu brechen?
- Es muss transparent und öffentlichkeitswirksam offengelegt werden, welche Akteure und, damit verbunden, welche Interessen hinter der INSM stecken. Die gezielte Kampagne gegen schnellen und wirksamen Klimaschutz muss als solche wahrgenommen und kritisch beobachtet werden.
Die deutsche Medienlandschaft muss sich differenzierter gegenüber solchen politischen Kampagnen positionieren und nicht, wie so oft, unhinterfragt wiedergeben, was Industrieverbände und die INSM ihr vorlegt. - Alle, die für echten und schnellen Klimaschutz kämpfen und wissen, dass dies nicht nur absolut dringend und notwendig, sondern auch technologisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, müssen genau diese Botschaften weiterhin in die öffentliche und politische Debatte einbringen.
- Es muss endlich eine Aufklärungskampagne der Regierung für die wirklichen Klimaschutzmaßnahmen geben: 100% Erneuerbare Energien, 100% Biolandwirtschaft u.v.m.
Leider hat die Gesellschaft dabei bisher versagt, der INSM-Kampagne und damit den fossil/atomaren Wirtschaftsinteressen etwas entgegen zu setzen. Es wird Zeit, dass alle aktiv werden und nicht nur auf das Durchhaltevermögen von Fridays for Future hoffen. Diese alleine werden es nicht schaffen, den geballten, geldschweren Antiklimaschutzkampagnen der fossilen/atomaren Wirtschaft erfolgreich Widerstand zu leisten.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Ja ist es denn zu glauben? Da verbreitet jemand (der „Böse“) mit strategischem Geschick seine Sicht der Dinge, das würde mir (dem „Guten“) doch nie einfallen! Ich (der „Gute“) bin doch im Alleinbesitz der einzigen Wahrheit, Deutungshoheit war schon immer ausschließlich meine Sache! Wann kommen eigentlich die Horrormeldungen über den derzeitigen „kältesten Hochsommer seit Jahrzehnten“? Während es jede neue Höchsttemperaturmessung auf irgend einem Parkplatz in Castrop-Rauxel in die Tagesschau schafft, was natürlich nur mit dem menschlichen CO2-Ausstoß zusammenhängen kann, wird kein einziges Wort über die derzeitige vergleichsweise Kälte verloren.
Und so bringt man die Bevölkerung dazu gegen ihr eigenen Interessen zu stimmen. Nicht nur beim Klimaschutz, auch bei Hartz4 und wenn man den Blick etwas weitet auch für Trump, den Brexit, Bolsonaro usw. Gegen gut funanzierte, orchestrierte Kommunikationskampagnen die über nagative Campaigning ihre Gegner diskriminieren scheint zur Zeit kein Kraut gewachsen. Da die Menschen „emotional abgeholt“ werden haben diese Ideen ähnlich wie bei Religionen oder „alternativer“ Medizin mit der eigenen Identität verknüpft und besitzen damit wirksame Abwehrmechanismen gegen logische Argumente. Wäre alles nicht so schlimm wenn man damit nicht auch den Rest der Menschen (und Millionen Tierarten) mit in den Abgrund ziehen würde.
Hallo Carsten Rehmhardt!
Ganz so an den Haaren herbeigezogen ist das dann doch nicht.
Ich denke z. B. an die ständigen Kampagnen gegen die E-Mobilität.
Da wird nachweislich, zuletzt sogar vom Umweltbundesamt kritisiert, mit falschen Argumenten das E-Auto schlechtgeredet.
Dann muss man nur nachschauen aus welcher Ecke diese gezielten Falschmeldungen immer wieder kommen.
@ Rehmhardt; ist ja schon sehr sarkastisch, der vorgehende Beitrag.
Sind Sie auch als vorgesehenes Mitglied in der für die weitere Entwicklung des aufgezeigten voergesehen Zenarions nomniert? Dann viel Erfolg! Offensichtlich haben Sie sich doch zu früh zu Wort gemeldet!
Deckung, Deckung; Jungs, ich hab´s euch schon so oft erklärt!
Nein. Bitte Nichts für Ungut.
Idee:
Warum wird nicht eine wöchentliche Umfrage ins Leben gerufen, analog zu Parteien und Beliebtheitsgrad von Politikern, die eine Aussage über die Akzeptanz der politisch Agierenden hinsichtlich Intensität der eigenen Aktivität und auch Effektivität für den Klimaschutz zum Ausdruck bringen würde.
Forso oder Emid?? Wer wird bezahlen?
Wieso und durch welche Organisation finanziert bekommen wir ja wöchentlich das sog. Politbarometer im ZDF präsentiert? Durch unsere Rundfunkbeiträge? Jetzt wird es doch Zeit, eine Umfrage zum Klimaschutz einzufordern! Wer macht´s?
Thomas
Mir treibt es die Zornesroete ins Gesicht wenn ein Interessenverband Oelkessel als effizient und wirtschaftlich darstellt und gemeinsam finanziert auch noch eine Förderung anbietet. Das suggeriert etwas falsches, dumme Fallen darauf rein und verpesten möglicherweise noch lange unsere Umwelt.
Und jetzt wirds wohl noch 100 mal schlimmer wenn so ein Verband durch Strategie und Tricks nicht nur Bürger sondern Politiker verarscht. Es ist wohl zu befürchten dass unsere leider oft dummen und naiven Politiker reihenweise darauf hereinfallen. Aus welchem anderen Grund würde wohl sonst so viel Geld ausgegeben und eine derartige Kampagne initiiert.
Es ist dringende Aufklärung erforderlich die aber von den Medien die riesige Anzeigeneinnahmen generieren nicht kommen wird.
EIN BESONDERES LOB AN DIESEN VERLAG, EINER VON LEIDER WENIGEN MIT VERANTWORTUNGSBEWUSSTSEIN UND RUECKRAT
EIN BESONDERS HERICHES DANKESCHÖN.
Wir sollten alles nur denkbare tun um derartige Unwahrheiten und Strategien offenzulegen und die Wirkung verpuffen zu lassen. Ich bin gerne bereit mich daran zu beteiligen. Wie wäre es zB. wenn jeder seinen Landrat…….. usw informieren würde, Anlage der obige Bericht. Wer hat weitere Ideen?
VG aus Bayern R. Bege
Zusammenfassung
Die Lobbyorganisation INSM setzt sich mit „12 Fakten zur Klimapolitik“ für einheitliche Emissionspreise ein, ohne jedoch eine präferierte Höhe zu präzisieren (https://www.insm.de/insm/themen/soziale-marktwirtschaft/12-fakten-zur-klimapolitik.html ). Damit soll erreicht werden, dass Maßnahmen mit CO2-Vermeidungskosten unter dieser Höhe durchgeführt, die mit höheren Kosten unterlassen werden sollen.
INSM nennt Beispiele für die große Spanne von [z.T.] gesetzlich geregelten CO2-Vermeidungskosten. An oberster Stelle der Beispiele stehen die EU-rechtlich bereits festgesetzten Anreize für CO2-sparsame Autos im Flottenverbrauch, für die ein Äquivalent von 475 Euro/Tonne angegeben wird (dies ergibt sich aus 95 Euro Strafe je Gramm/km Überschreitung des Bezugswerts gemäß Verordnung -EG- Nr. 443/2009 vom 23. April 2009, geteilt durch die resultierenden Mehremissionen auf 200.000 km Fahrstrecke eines Neuwagens). Ganz unten stehen die derzeit für die Entscheidung zwischen Kohle und Erdgasverstromung maßgeblichen 24 Euro/Tonne im ETS.
Nachdem Solarstrom von vielen Bundesbürgern präferiert wird, sind die INSM-Angaben für die CO2-Vermeidungskosten von Solarstrom von 415 Euro/Tonne ein naheliegender Anknüpfungspunkt für die Vereinheitlichung der Kosten zur Vermeidung je einer Tonne CO2.
Bei einem einheitlichen CO2-Preis von ca. 415 Euro/Tonne CO2 käme ohne jegliche Subventionen eine weitreichende Substitution der Stromerzeugung u.a. durch Photovoltaik zustande, einschließlich der Deckung von Kosten zur Speicherung für sonnenarme Zeiten mittels Power-to-Gas-Wandelung und Rückverstromung. Für Autofahrer käme es dadurch nur zu moderaten Preisanstiegen um ca. 1 Euro je Liter. Die INSM würde es sicherlich begrüßen, wenn Forderungen nach zusätzlichen Anreizen in der Autoherstellung leichter abgewehrt werden können, wenn die Klimaschutzziele bereits mit anderen, kostengünstigeren Maßnahmen erreicht würden.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist entgegen ihres Namens keine breite Bürgerinitiative, der jedermann als Mitglied beitreten kann, sondern ein v.a. vom Verband Gesamtmetall getragener Lobbyverband, der u.a. die Interessen der deutschen Autohersteller vertritt. Daher ist der Wunsch nach einer Lösung des Klimaschutzes, die weitere Maßnahmen zu Lasten der Autoindustrie vermeidet, stattdessen die Energiewirtschaft und die Haushalte in die Pflicht nimmt und vor allem den kostengünstigen Kohleausstieg über den Emissionshandel durchsetzt, naheliegend. Eine konkrete Aussage dazu, bei welcher Höhe der Emissionsvermeidungskosten eine Vereinheitlichung stattfinden solle, wohl irgendwo innerhalb der Spanne zwischen 24 und 475 Euro/Tonne, sucht man bei INSM indes vergeblich.
Zu den INSM-Aussagen in den einzelnen Abschnitten
Im ersten Abschnitt („Fakt 1“) warnt INSM vor einer Erwärmung von über 2 Grad, die möglichst durch „international abgestimmte Instrumente zur Emissionsreduktion“ vermieden werden soll. Im Pariser Abkommen wurde die Zielmarke allerdings auf 1,5 Grad Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau gelegt. INSM nennt als Bezugszeitpunkt die bereits eingetretene Erwärmung von 1,4 Grad seit 1881, allerdings ohne örtlichen Bezug. Üblicherweise wird ein geringerer Wert für die bisherige Erwärmung von knapp einem Grad angegeben, was u.a. durch spätere Bezugszeiträume bedingt sein könnte.
Zutreffend ist die INSM-Aussage in Abschnitt (bzw. „Fakt“) 1 und 2, dass „Deutschland im Alleingang den mit den Treibhausgasen verbundenen Klimawandel nicht aufhalten kann“ und „international abgestimmte Instrumente zur Emissionsreduktion“ benötigt werden. Durch das Pariser Abkommen ist genau diese internationale Abstimmung geschaffen worden, die einen Alleingang ausschließt. Dabei wurde vereinbart, dass die Nationen jeweils eigenständig handeln und ggf. unterschiedliche innerstaatliche Handlungsoptionen nutzen. Deutschland kann lediglich den eigenen Beitrag zur Klimaschädigung beendigen. Ein Alleingang Deutschlands ist indes schon deshalb nicht zu erwarten, weil Deutschland derzeit anderen Ländern beim Klimaschutz nachhinkt, wie etwa seit dem Jahr 2000 den USA (vgl. Abbildung in Abschnitt 2 INSM ) und in jüngster Zeit China beim Aufbau erneuerbarer Energien.
In Abschnitt 3 zitiert INSM eine Prognose des Bundesumweltministeriums, wonach Deutschland bei gegenwärtiger Politik 2020 „seine selbstgesetzten Klimaziele um 8 Prozentpunkte“ des Bezugswerts von 1990 verfehlen“ würde. Bezogen auf die auch international abgestimmte Emissionsobergrenze für 2020 ist das eine Überschreitung um 13 Prozent.
Als besten Weg, (auch) dieses Ziel für 2020 trotzdem noch zu erreichen, wird in Abschnitt 5 der Emissionshandel genannt. Daneben hat sich Deutschland aber noch zu zwei weiteren Klimaschutzzielen für 2020 verpflichtet, nämlich zu einer Erhöhung der Energieeffizienz und zu einem Mindestziel für den Anteil erneuerbarer Energien. Diese können indes durch ähnliche, marktwirtschaftliche Mechanismen verfolgt werden. INSM nennt außerdem ein überholtes Klimaschutzziel für 2050.
In Abschnitt 4 konzentriert sich INSM auf die „85 Prozent aller Treibhausgasemissionen [die] hierzulande … durch die Umwandlung von Energieträgern in Strom und Wärme“ entstehen, und an denen die Industrie 1990 und unverändert 2017 mit 18% direkt beteiligt war. An den mit weiteren 15% beitragenden, nicht-energetischen Emissionen ist die Industrie indes ebenfalls beteiligt, z.B. bei der Erzeugung fluorierter Kohlenwasserstoffe und bei chemischen Reaktionen wie der Reduktion von Eisenerz zu Roheisen, bei denen der Sauerstoff des Eisenerzes im Rahmen der Umwandlung in CO2 freigesetzt wird.
Als drittem klimaschädigenden Beitrag ist der Industrie ihr Anteil an den Emissionen der Energiewirtschaft zuzurechnen, die mittelbar durch den Stromverbrauch der Industrie entstehen. Die energieintensive Industrie bezieht infolge von Freistellungen geringere Anteile EEG-geförderten Stroms als Haushalte, und nur selten anderen Ökostrom. Daher könnten der Industrie durchaus die Hälfte oder mehr der energiewirtschaftlichen Emissionen zuzurechnen sein, die v.a. bei Stromerzeugung entstehen.
In Abschnitt 5 nennt INSM CO2-Vermeidungskosten von 415 Euro/Tonne bei Photovoltaik-Solarstrom, und warnt vor einer Marktverzerrung durch unterschiedlich hohe CO2-Preise.
Bei „ einem Erdgas-GuD-Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 60 % [werden pro kWh] 0,33 kg Kohlendioxid“ freigesetzt [https://www.volker-quaschning.de/datserv/CO2-spez/index.php]. Ein einheitlicher CO2-Preis von 415 Euro/Tonne verteuert dessen Stromerzeugung also um 13,7 Cent/kWh. Zusammen mit den Kosten für den Erdgasverbrauch und das eigentliche Kraftwerk würde die Stromerzeugung aus Erdgas dann gut 20 Cent/kWh kosten. In EEG-Auktionen wurde Solarstrom bereits für ca. 5 Cent/kWh angeboten, er wäre also bei direkter Nutzung in Stunden mit Sonnenschein stets gegenüber GuD wettbewerbsfähig. Wenn Erdgas-GuD-Kraftwerke infolge des CO2-Preises einen Kostenpreis von gut 20 Cent/kWh erreichen, kann Solarstrom aber vermutlich auch nachts und im Winterhalbjahr mithalten, einschließlich aller Kosten für Batteriespeicher und Umwandlungsverluste für Power-to-Gas und die Rückverstromung. Bei einem einheitlichen CO2-Preis von 415 Euro/Tonne kann Solarstrom also voraussichtlich auch während Dunkelflauten die Energieversorgung ohne Subventionen decken.
Solarstrom ist die bevorzugte Energieform vieler Bundesbürger. Deshalb ist eine Orientierung der CO2-Preise an den Emissionsvermeidungskosten von Photovoltaik ein naheliegender Bezugspunkt. Dabei sind weder die historischen Kosten von PV-Strom relevant noch die Marktwerte und Kosten von PV bei gegenwärtigen Marktanteil, sondern die Kosten in dem angestrebten Energiesystem, die für (indirekt genutzten) Solarstrom die künftig notwendigen Speicherungskosten beinhalten.
Die Forderung der INSM, dass wir uns „darauf konzentrieren, dort CO2 zu reduzieren, wo es kostengünstiger ist“ würde also bei einem CO2-Preis von 415 Euro/Tonne zügig zu einer Stromversorgung mit erneuerbaren Energien führen. Teure „Brückenlösungen“ für Erdgas-GuD-Kraftwerke, für die mitunter Subventionen gefordert werden, würden vermieden.
Für Strom aus Biomasse nennt INSM Vermeidungskosten von 252 Euro/Tonne. Dies bezieht sich vermutlich auf eine im Grundsatz gleichbleibende Bandlieferung, wie bislang im EEG gefördert. Der bei einem CO2-Preis von 415 Euro/Tonne resultierende Kostenpreis von gut 20 Cent/kWh für Erdgas-GuD-Strom würde indes nur für begrenzte Zeitanteile des Jahres zum Tragen kommen. Strom aus Biomasse ist daher nur dann wettbewerbsfähig, wenn eine Speicherung der Biogaserzeugung für genau diese Zeiten mit wenig direkter Wind- und Solarstromnutzung erfolgt. Die Speicherkosten müssen dann den genannten 252 Euro/Tonne noch hinzugerechnet werden. Die saisonale Speicherung von Bioenergie ist preiswerter als bei Solarstrom, da der Umwandlungsschritt in Gas bzw. Methan entfällt. Damit wäre plausibel, dass auch Biomasse vergleichbare Vermeidungskosten zwischen 400 und 500 Euro/Tonne erreicht, wie sie für PV (415 Euro/Tonne) und für PKW (475 Euro/Tonne) angegeben werden.
In der Grafik zu Abschnitt 5 gibt INSM auch die Grenzkosten von ca. 24 Euro/Tonne CO2 an, die derzeit im Emissionshandel für den Wechsel zwischen Kohle zu Erdgas maßgeblich sind. „Mit marktwirtschaftliche[n] Instrumente[n] wie dem ETS könnten wir uns darauf konzentrieren, dort CO2 zu reduzieren, wo es kostengünstiger ist“, heißt es dort. Dies ist eine kaum versteckte Aufforderung, mit dem Kohleausstieg nicht länger zu warten, sondern die Anstrengungen darauf zu konzentrieren, diese kostengünstige Maßnahme zügig umzusetzen.
Bei einem für die PV-Stromversorgung ausreichenden CO2-Preis gemäß INSM-Angaben würde zuerst der Kohleausstieg erfolgen, dann der Erdgasausstieg bei der Stromerzeugung tagsüber und zügig auch ein Erdgasausstieg mit für die Nacht gespeicherten Solarstrom erfolgen. Diese zeitliche Abfolge wäre bei einem über z.B. 5 bis 10 Jahre gestreckten Anstieg ähnlich wie bei einem abrupten Anstieg des Emissionspreises auf 415 Euro/Tonne, weil der Aufbau der Kapazitäten eine gewisse Zeit benötigt.
Der Sprit für Fahrzeuge würde sich bei einem Emissionspreis von 415 Euro/Tonne um ca. einen Euro verteuern. Die Gesamtkosten der PKW-Nutzung würde das meistens um weniger als ein Fünftel erhöhen. Das kann von den meisten Autofahrern sehr leicht durch den Wechsel in die nächstniedrigere Fahrzeugklasse zu kompensiert werden – oder durch die Anschaffung eines Elektroautos – oder wäre jedenfalls für die meisten bezahlbar.
Die Strafe für die Verfehlung der „CO2-Regulierung im Straßenverkehr“ (Pönale beim Flottenverbrauch) liegt nach INSM-Angaben mit umgerechnet 475 Euro/Tonne CO2, und damit in einer ähnlichen Größenordnung wie die Vermeidungskosten bei PV-Strom. Dieser Wert ergibt sich bei einer Fahrleistung von 200.000 km in der Nutzungszeit des Neuwagens. Der Anreiz bezieht sich ausschließlich auf das in-Verkehr-bringen neuer Autos; für die Nutzung der Autos wurden bislang keine vergleichbaren Anreize eingeführt. Diese Strafe würde bei einer Einrechnung entsprechender CO2-Preise in den Spritpreis vielleicht gar nicht zum Tragen kommen: Mit einem erhöhten CO2-Preis, der auch den Spritverbrauch verteuert, kann erreicht werden, dass sich die Autonachfrage in Richtung sparsamerer und elektrischer Modelle entwickelt, womit die von der EU bislang festgesetzten Grenzwerte der Flottenverbrauchs dann ohnehin unterschritten würden, mithin gar keine Strafen zu Lasten der Hersteller anfallen würden. Die Autoindustrie, die sich ohnehin auf batteriebetriebene Neufahrzeuge umstellen muss, hat ein gewisses Interesse daran, dass Autofahrer durch erhöhte Spritpreise dazu motiviert werden, sich einen sparsameren Neuwagen zuzulegen, statt durch die Umlage der CO2-Pönalen auf den Kaufpreis vom Neuwagenkauf abgehalten zu werden.
Der Klarstellung halber ist darauf hinzuweisen, dass die „CO2-Regulierung im Straßenverkehr“ nur bei höheren Flottenverbrauch zum Tragen kommt, während der Anreiz bei Unterschreitung des Bezugswerts auf Null fällt, und dass diese CO2-Regulierung besonders die deutschen Premium-Hersteller betrifft, die die INSM finanziell unterstützen.
Eventuell ist ein unausgesprochenes Ziel der INSM-Initiative, bei einem erhöhten CO2-Preis heute diskutierte Maßnahmen im Autoverkehr vermeiden zu können, die nach Einschätzung mancher Autofahrer mit noch höheren CO2-Vermeidungskosten als 415 oder 475 Euro/Tonne verbunden wären, wie einem Tempolimit auf Autobahnen oder der „Reichweitenangst“ im denkbaren Fall einer forcierten Umstellung auf Elektroautos.
Fortsetzung:
In Abschnitt 6 räumt INSM ein, dass nur ein kleiner Teil der Klimaschutz-bezogenen Investitionen der Industrie für bessere Energieeffizienz und geänderte Nutzung fossiler Energien eingesetzt wurde. Vielmehr flossen diese 2,8 Mrd. Euro „vor allem in die Nutzung erneuerbarer Energien“. Dies belegt, dass die Industrie kaum noch in fossile Energiesysteme investiert, deren Zeit bald abgelaufen sein kann.
In Abschnitt 7 konstatiert INSM, dass die bisherigen „Schritte hin zum emissionsneutralen Wachstum, also der Entkoppelung von Wachstum und Emissionen, … noch lange nicht [ausreichen]“. Nachdem INSM CO2-Preise als Instrument des Klimaschutzes favorisiert, kommt das erneut einen Aufruf zu höheren CO2-Preisen gleich.
In Abschnitt 8 kritisiert INSM die Verfehlung der Ziele beim Netzausbau; tatsächlich wurden aber auch die Ziele des EEGs für den Zubau erneuerbarer Energien verfehlt, und das deutsche EU-Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2020 ist akut gefährdet.
In Abschnitt 9 beklagt INSM die gestiegenen Steuern und Abgaben auf Strom, die meist proportional zum Stromverbrauch in kWh erhoben werden. Mit einem einheitlichen Emissionspreis von z.B. 415 Euro/Tonne würden diese automatisch weitgehend entfallen (EEG-Umlage) oder sollten ersetzt werden (Stromsteuer, Konzessionsabgabe).
In Abschnitt 10 geht INSM auf dem „importierten CO2-Ausstoß“ ein. „Die Umweltstandards sind keinesfalls in allen Ländern gleich hoch. Bei der Produktion von z. B. Stahl, Aluminium, Autos, Maschinen, chemischen Erzeugnissen entstehen in anderen Ländern zum Teil deutlich höhere CO2-Emissionen. … eine einseitig verschärfte Klimapolitik führt zu Standortverlagerungen hin zu Regionen mit niedrigeren Umweltstandards.“ Während die deutsche Industrie derzeit in großem Umfang Kohlestrom nutzt, werden neue Standorte für Schwerindustrie hauptsächlich in Ländern mit viel Wasserkraft bzw. mit gutem Solarenergiepotential errichtet. Ein Teil der deutschen Emissionen ist also auf den Warenexport und die damit verbundene „Hereinholung“ von Energieverbrauch und Emissionen zurückzuführen, die erst durch den niedrigen CO2-Preis bei der Kohleverfeuerung in Deutschland wirtschaftlich wurde.
In Abschnitt 11 heißt es „Deutschland kann hier wichtige Impulse für die internationale Gemeinschaft setzen, zum Beispiel bei einer Stärkung und Ausweitung eines Emissionshandelssystems“, wobei eine „Stärkung“ mit höheren Emissionspreisen einher geht.
In Abschnitt 12 nennt die INSM den „Weg zur Klimaneutralität … eine Marathonstrecke, d. h., wir müssen unsere Kraft gut einteilen.“ Dies bedeutet aber auch, dass die Strecke nicht rechtzeitig geschafft wird, wenn anfangs ein Schläfchen eingelegt wird bzw. wenn die verfügbaren Reserven – in Form des kumulierten Emissionsbudgets für 1,5 oder 2 Grad – zu früh verbraucht werden.
Weiterhin warnt INSM davor, dass „einseitig die Wirtschaft in Deutschland mit hohen Kosten für den Klimaschutz belastet“ wird. Nachdem die höchsten angegebenen Vermeidungskosten in der Autoindustrie bereits festgesetzt wurden, kann das als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden, neben der Wirtschaft auch die Verbraucher – einschließlich der Heizölkunden und der Benzinverbraucher – mehr in die Pflicht zu nehmen.
Vergleich mit UBA und Fridays for Future
In der „Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung von Umweltkosten – Methodische Grundlagen“ hat das UBS die „pure Zeitpräferenzrate gleich Null gesetzt“ und angenommen, „dass die Grenznutzenelastizität des Konsums gleich eins ist und dass das künftige wirtschaftliche Wachstum durchschnittlich 1 Prozent beträgt“ (Seite 32). Damit rechtfertigt es die Abzinsung von in der Zukunft auftretenden Schäden mit einem Prozent p.a. (preisbereinigt).
Andererseits räumt das UBA ein: „Bei gesamtwirtschaftlichen Bewertungen besteht unter Fachleuten Einigkeit darüber, dass eine niedrigere Diskontrate als in betriebswirtschaftlichen Bewertungen angesetzt werden muss.“ (Seite 30). Bei betriebswirtschaftlichen Bewertungen ist derzeit von einem negativen Nominalzins der EZB auszugehen, der einem noch niedrigerem Realzins entspricht. Zudem ist es gängige Praxis, dass für risikoreiche Investitionen eine höhere Rendite gefordert wird, für risikomindernde Handlungen (wie Klimaschutz) hingegen eine niedrigere Rendite angemessen ist.
Die gegenwärtig niedrigen Zinsen sind u.a. eine Folge der demografischen Dividende, mit starken Bevölkerungsanteilen im erwerbsfähigen Alter in den alten Industrieländern und Ländern wie China. Sie möchten Rücklagen für die Altersversorgung bilden und sind z.T. verzweifelt auf der Suche nach wenigstens etwas besser rentierlichen Anlagen. In dieser Situation erscheint eine Abzinsung von zukünftigen Schäden unangebracht – vielmehr wäre eine Investition in Form von weniger Emissionen in die Atmosphäre (und ggf. erhöhtem Emissions-Restbudget in der Zukunft) eine sehr wünschenswerte Weise, einen Teil der Sparbereitschaft zu absorbieren.
Das UBA gibt per 2016 Klimaschädigungskosten von 640 Euro/Tonne CO2 an, die es dann auf lediglich 180 Euro/Tonne abzinst (Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung von Umweltkosten – Kostenansätze, Seite 9). Seitdem sind die Preise bis Mitte 2019 um ca. 5% gestiegen, und drei Jahre Abzinsung (um je 1% p.a.) vergangen, so dass heute abgezinst mit rund 210 Euro/Tonne zu rechnen wäre. Auch der nicht abgezinste Wert von 640 Euro/Tonne ist um den allg. Preisanstieg von ca. 5% auf rund 700 Euro/Tonne zu erhöhen. Bei einer ebenfalls denkbaren Aufzinsung (um Negativzinsen) käme ein noch höherer Wert heraus.
Die Initiative Friday for Future hatte die Forderung nach einem CO2-Preis von 180 Euro/Tonne erhoben, und sich dabei auf die UBA-Zahlen für 2016 berufen, ohne den zwischenzeitlichen Anstieg des allgemeinen Preisindexes zu berücksichtigen. Warum gerade die junge Generation die eigene Zukunft abzinst, bleibt schleierhaft.
Die INSM-Zahl von 415 Euro/Tonne für PV wäre jedenfalls komfortabel etwa in der Mitte zwischen den beiden vom UBA verwendeten Zahlenwerten.
Vergleich mit Prof. Quaschning und Josef Fell
Der in Grundzügen zutreffende Faktencheck von Prof. Volker Quaschning https://volker-quaschning.de/artikel/Fakten-INSM/index.php übersieht einige positive Aspekte, die in dem INSM-Papier zwischen den Zeilen gelesen werden können – die Zahlen von 415 Euro/Tonne (PV) und 475 Euro/Tonne (PKW-Neuwagen) sind jedenfalls wichtige Bezugswerte. Sicherlich würde eine Vereinheitlichung auf diesem Niveau nicht von allen Verbandsmitgliedern mitgetragen werden, aber dieses Framing ist hilfreich.
Der Ex-Abgeordnete Hans-Josef Fell und Tina Ternus, Unterstützerin von Lobbycontrol erwarten, dass sich die INSM künftig konkret gegen „eine CO2-Abgabe, schnelle Energiewende & Elektromobilität“ aussprechen wird https://www.pv-magazine.de/2019/07/16/neue-insm-kampagne-will-die-starke-klimaschutzbewegung-der-jugend-aushebeln/?utm_source=Bibblio&utm_campaign=Internal . Damit würde sie die eigene Argumentation für einheitliche CO2-Vermeidungskosten Lügen strafen.
Ich denke, man kann in guter Judo-Tradition einige Argumente dieser Organisation aufgreifen und durchaus für mehr Klimaschutz einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Falkenhagen
Zu diesem Thema hat das Team von Transparenz TV auch eine spannende Sendung produziert:
TROJANISCHES KLIMASCHUTZPFERD DER INSM
https://www.youtube.com/watch?v=rzV63oK_S_8&feature=youtu.be
Vielleicht interessiert es ja jemanden 😉
Ganz üble Lobbyisten-Methoden sind das! Gut dass Fridays for Future heute in Berlin und Köln mit ihren lautstarken Demos darauf aufmerksam gemacht haben!
Statt sich immer damit zu befassen, wer denn nun was gesagt und wer womit unrecht hat, sollten wir uns vielleicht lieber damit befassen, was notwendig und vernünftig und was überhaupt wirksam sein könnte, um vielleicht doch noch das Allerschlimmste zu verhindern?
Ich habe dazu mal das hier geschrieben – vielleicht interessiert es ja jemanden:
https://unruheraum.de/2019/06/28/8-massnahmen-die-einen-neustart-ermoeglichen/
»Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun,
aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden,
dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben
und es gar keine Klimaerwärmung gibt,
dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt,
dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann,
dass die Flüsse nicht mehr giftig sind,
dass Autos weder Krach machen noch stinken und
dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen.
Da würden wir uns schön ärgern.«
(aus dem Buch »Känguru Apokryphen« von Marc-Uwe Kling)