Wann erwarten Sie, dass man die ersten Perowskit-Solarmodule wird kaufen und sinnvoll einsetzen können?
Die Perowskit–Technologie entwickelt sich zur Zeit rasant. Ich könnte mir vorstellen, dass es in zwei bis drei Jahren soweit ist.
Es gibt sehr viel Grundlagenforschung an Perowskiten. Da ist natürlich auch das ISE dabei. Was ist Ihr Fokus in der Forschung an dem neuen Material?
Jan Christoph Goldschmidt: Als größtes Solarforschungsinstitut Europas arbeiten wir gleich an mehreren Sachen und wollen die ganze Bandbreite der relevanten Forschung abzudecken. Wir machen zum Beispiel Grundlagenforschung und entwickeln neue Materialien, zum Beispiel bleifreie Materialien, die umweltfreundlicher sind. Es gibt sehr viele verschiedene Arten Perowskite, das ist eher eine Materialklasse als ein Material, und die mit den besten Ergebnissen enthalten heute Blei. Wir arbeiten auch an angewandteren Themen, etwa Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen und entwickeln innovative Modulkonzepte, bei denen die Perowskite erst später in ein schon fast fertiges Modul eingefügt werden. Und wir arbeiten an der Charakterisierung, der genauen Messung der Eigenschaften von Perowskit und Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen. Wir decken also die ganze Bandbreite ab, wie wir das auch in der Silicium-Photovoltaik tun. Im Moment allerdings noch mit geringeren Arbeitszahlen. Aber das Gebiet wächst.
Was heißt mit geringeren Arbeitszahlen?
In der Silizium-Photovoltaik arbeitet fast die Hälfte der 1300 Mitarbeiter des ISE, an der Perowskit-Technologie rund 30, wenn ich auch die Studierenden mitzähle.
Konferenz: Raus aus dem Labor, rein in die Produktion
Am 24. und 25. Oktober diskutieren Experten in Hangzhou, China, die Markterwartungen und Herausforderungen beim Aufbau von Perowskit-Produktionslinien.
Der Veranstalter Smit Thermal Systems möchte die Perowskit-Community, die kristalline Silizium-Community und Investoren zusammenbringen, um die Chancen und Optionen für eigenständige Perowskit-Module sowie für Perowskit-Silizium-Tandem-Zellen zu diskutieren.
Redner sind untere anderem: GCL, Microquanta, EPFL, Solliance, PI Berlin, Oxford PV, Zhejiang University (Hangzhou), Chinesische Akademie der Wissenschaften.
pv magazine ist Medienpartner der Veranstaltung. In der englischsprachigen Ausgabe berichten Online und Print über den aktuellen Stand der Perowskitforschung.
Arbeiten Sie auch schon an der Produktionstechnologie?
Die Arbeit an der Produktionstechnologie ist gerade im Entstehen. Mit Oxford PV gibt jetzt ja die allererste Firma, die Perowskit-Silizium Tandemsolarzellen in die Produktion bringen. Aber bei den meisten anderen Forschenden auf der ganzen Welt geht es zumeist darum, möglichst effiziente und stabile Solarzellen mit der Materialklasse zu bauen. Die meisten Arbeiten finden noch auf kleiner Fläche statt. Wir machen jetzt erste Schritte, die Entwicklungen auf kleiner Fläche auf große Flächen zu übertragen. Wir haben den großen Vorteil, dass wir aus der Industrieerfahrung von der Siliziumphotovoltaik sehr viel Wissen haben, Prozesse schnell auf große Flächen zu bringen.
Was sind die neuen Modulkonzepte, die Sie erwähnt haben?
Das ist das sogenannte In-Situ-Konzept. Da werden zwei Glasplatten mit den Elektrodenmaterialien bedruckt und miteinander verbunden, so dass das Modul wirklich dicht ist. Der eigentliche Perowskit-Absorber wird dann durch kleine Löcher in dieses Modul gebracht. Dann muss man nur noch diese kleinen Löcher verschließen und erhält ein stabiles Modul.
Das heißt, Sie benötigen überhaupt keine Folien mehr, sei es EVA oder anderes Material?
Nein, dabei nutzen wir keine Folien mehr. Die Herausforderung ist natürlich, in diesen Modulen eine effiziente Perowskit-Solarzelle herzustellen.
Wie weit sind Sie, gibt es schon kleine Minimodule?
Ja, am ISE wurden schon die ersten Module gebaut. Die beste Einzelzelle, die mit dem in-situ Ansatz hergestellt wurde, hat einen stabilen Wirkungsgrad von 12,6 Prozent erreicht.
Eine der großen Herausforderungen für Perowskit-Entwickler ist die Stabilität . Wie weit ist man?
Da muss man tatsächlich genau hinsehen. Wenn wir von stabilen Solarzellen reden, dann meinen wir im ersten Schritt, dass wir diese Solarmodule oder die Solarzellen für einen langen Zeitraum, also Minuten bis Stunden, beleuchten können, ohne dass der Wirkungsgrad sinkt. Früher haben Perowskite die Angewohnheit gehabt, auch schon unter Licht zu degradieren. Bei den neueren Materialzusammensetzungen ist das besser und man sieht unter einfacher Beleuchtung keine Degradation. Der nächste Schritt ist, dass man auch Feucht-Wärme-Tests macht, wie sie in der IEC Norm vorgesehen sind. Man setzt die Solarmodule einer feuchten Wärme aus und misst dann regelmäßig den Wirkungsgrad, der sich möglichst nicht verschlechtern soll. In wieder einem weiteren Schritt muss ein Solarmodul viele weitere Tests bestehen muss, etwa Kälte-Wärme-Tests und mechanische Tests.
Und wie sind die Ergebnisse?
Alle diese Tests hat noch kein Perowskit-Modul bestanden, aber es gibt erste vielversprechende Ergebnisse. Mehrere Gruppen berichten zum Beispiel über erfolgreich bestandene Feucht-Wärme-Tests.
Wie hat man es erreicht, dass die Perowskit-Solarzellen im Vergleich zu früher stabiler geworden sind?
Ein Faktor ist die Wahl der Materialien. Dieses Bild, dass Perowskit-Solarzellen nicht besonders stabil sind, ist von Solarzellen geprägt worden, die Methylammoniu-Bleiiodid als Perowskit-Absorber nutzten. Das Methylammonium-Iodid ist sehr volatil, verdampft leicht und deshalb ist der entsprechende Perowskit ein sehr instabiles Material. Außerdem hatten diese Solarzellen eine Schicht aus Titandioxid. Wenn man das mit UV-Licht bestrahlt, kann das chemische Reaktionen auslösen. Nachdem diese beiden Materialien ersetzt worden sind, sind die Solarzellen deutlich stabiler. Als nächstes hat man dann Elektrodenschichten auf den Perowskitzellen abgeschieden, ein transparentes leitfähiges Oxid, und Pufferschichten, welche die Solarzelle vor Umgebungsluft und Sauerstoff schützen. Wenn man diese Solarzelle zusätzlich eingekapselt wie ein ganz normales Silizium-Modul erhöht sich die Stabilität weiter. Die Perowskit-Solarzellen profitieren davon. Noch mehr als Silizium-Solarzellen, weil sie eine gewisse Feuchtigkeitsempfindlichkeit haben.
Die Schwierigkeit ist also, dass Perowskite wasserlöslich und damit sehr feuchtigkeitsempfindlich sind?
Genau. Eine Silizium-Solarzelle kann ich problemlos über längere Zeit an der Luft betreiben, ohne dass sie dabei schlechter wird. Das ist bei einer Perowskit-Solarzelle schwieriger, aber man kann sie inzwischen gut einkapseln und die Feuchtigkeit aussperren. Man kann zusätzlich extra Schichtsysteme mit Atomic Layer Deposition abscheiden, die sehr wenig durchlässig für Wasser sind. Sie wird dadurch stabiler. Andere bauen eine fluoreszierende Substanz ein, die aus ultraviolettem Licht sichtbares Licht macht und die Perowskit-Solarzelle zusätzlich vor dem UV-Licht schützt. Es gibt eine Vielzahl von Ideen, aber es hat sich noch nicht ein Konzept durchgesetzt.
Wie lassen sich die Perowskitschichten herstellen?
Es gibt es eine ganze Bandbreite an Methoden, die untersucht wird. Man kann die Schichten zum Beispiel ähnlich wie bei anderen Dünnschichttechnologien aufdampfen. Das findet in einem Vakuum statt. Man verdampft gleichzeitig oder nacheinander die Materialien, aus denen sich der Absorber aufbauen soll. Eine andere Möglichkeit ist, diese Verdampfungsprozesse mit einem nass-chemischen Prozess zu kombinieren. Man dampft dann zum Beispiel das Bleiiodid oder das Cäsiumiodid auf und bringt im Anschluss mit einem nass-chemischen Prozess etwa Formamidinium Iodid Bromid dazu. Der nass-chemische Prozess kann mit einem Tintenstrahldrucker oder mit einer Sprühbeschichtung durchgeführt werden. Man kann auch alle Schichten drucken. Bei den Drucktechnologien werden wiederum etliche Varianten untersucht. Außer dem Tintenstrahldrucker das Slot-Die-Coating, auf Deutsch Schlitzdüsendruck, und das Blade-Coating, auf deutsch die Rakelbeschichtung.
Was ist eine Rakel-Beschichtung?
Man verstreicht das Material mit einer Rakel, so ähnlich wie wenn Sie auf einem Brot mit einem Messer die Butter verstreichen.
Wie sehr hängt die Stabilität von der Herstellungsmethode ab?
Dazu gibt es noch keine systematische Untersuchung und es ist noch nicht klar, was die Beste Methode ist. Viele arbeiten daran und die einen bekommen es gut hin, die anderen weniger gut. Grundsätzlich würde ich sagen: Je besser bei Kristallqualität ist, desto stabiler ist auch das Material, weil es dann weniger Defekte gibt. Defekte können dazu führen, dass sich in einem Material noch etwas umordnet.
Wie kann man heute schon abschätzen, dass Perowskite am Schluss so viel billiger sein werden wie eine kristallines Silizium-Modul, so dass sich der ganze Aufwand lohnt?
Man kann es abschätzen, aber genau weiß man es natürlich noch nicht, weil noch niemand eine Fabrik in der richtigen Größe gebaut hat. Die Abschätzung hängt sehr von den anderen Parametern wie dem Wirkungsgrad und der Lebensdauer ab, die man annimmt. Wenn man vergleichbare Werte wie bei einem Silizium-Modul erreichen würde, also 19 Prozent Wirkungsgrad und 25 Jahre Lebensdauer, dann wäre ein Perowskit-Modul in der Tat billiger als ein Silizium-Modul heute. Dann ist eine der Fragen, wie lange braucht die Perowskit-Technologie, bis sie so weit ist. Dauert es bis ins Jahr 2025, dann gibt es eine gute Chance, dass sie dann wirklich billiger sind. Allerdings müsste die Produktion am unteren Ende des Bereichs realisiert werden, den die Kostenschätzungen ergeben. Wenn man am Ende am teureren Ende ist und die Silizium-Technologie so schnell billiger wird wie bisher, wird es knapp. Perowskite sind also kein Selbstläufer, aber man kann sich gut vorstellen, dass sie billiger werden.
Was ergeben denn die Kostenabschätzungen konkret?
Es gibt bereits einige Veröffentlichungen dazu. Unsere eigenen Abschätzungen dazu veröffentlichen wir demnächst, daher will ich nicht zu sehr vorgreifen. Aber es ist absehbar: Würden die gleichen Wirkungsgrad- und Lebensdauerwerte erreicht, wären Perowskit-Module sehr wahrscheinlich günstiger. Es hängt aber auch von den restlichen Systemkosten am. Wenn meine ganze Installation und die Fläche viel kostet, würde es sich lohnen, Perowskit-Silizium Tandemsolarzellen zu nutzen. Derzeit liegen Kostenschätzungen von anderen Gruppen bei 30 Dollar pro Quadratmeter, Silizium-Solarmodule liegen bei zirka 50 Dollar pro Quadratmeter. Aber wir glauben, die Kosten genauer abschätzen zu können. Darüber können wir nächstes Jahr sprechen.
Die Kostenangabe pro Quadratmeter ist ja ungewöhnlich
Ja, das macht man, weil man eben noch nicht wissen kann, welchen Wirkungsgrad man erreichen wird. Man weiß aber ungefähr, welche Materialien man benötigt und was die Prozesse kosten.
In Europa hört man viel von Oxford PV. Es gibt aber auch etliche andere Unternehmen, die daran arbeiten und die Resultate veröffentlichen. Das chinesische Startup Microquanta hat einen bestätigten Wirkungsgrad von 17,25 Prozent auf einer Fläche von 16 mal 16 Quadratzentimetern erreicht. Das heißt, es gibt auch andere Unternehmen als Oxford PV, die beeindruckende Ergebnisse haben?
Ja, das ist tatsächlich ein sehr guter Wert, auch in dem Vergleich was es sonst auf solchen Flächen für Ergebnisse gibt. Man sollte bedenken, vor nicht allzu langer Zeit gab es auch noch Silizium-Module, die nur 18 Grad Wirkungsgrad hatten. 17,25 Prozent sind nicht mehr so weit davon entfernt. Die Frage ist, welche Materialien sind dabei verwendet worden, wie ist die Stabilität und wie ist der Wirkungsgrad im tatsächlichen Betrieb.
Ich möchte noch einmal auf das Thema Blei zu sprechen kommen. Die meisten Silizium-Module enthalten heute auch Blei im Lot, mit dem die Zellen kontaktiert werden. Warum wird der Bleigehalt bei den Perowskiten kritischer gesehen?
Im Perowskit-Absorber liegt das Blei in einer wasserlöslichen Form vor. Wenn ein Modul kaputtgeht und es darauf regnet, kann das Blei ausgewaschen werden und in den Boden gelangen. Bei einem Silizium-Modul passiert das nur, wenn der Regen mit einen deutlich anderen PH-Wert hat. Das ist deutlich unwahrscheinlicher.
Wie viel Blei ist in den PErovskitzellen enthalten?
Weil die Schichten sehr dünn sind, ist die Menge des Bleis ziemlich gering. Wenn das in den Boden kommen würde es die natürliche Bleikonzentration zwar merklich erhöhen, aber nicht um Größenordnungen. Es wird zwar sehr viele Solarmodule geben, so dass eine größere Menge an Blei in die Umwelt freigesetzt werden könnte. Aber das wäre immer noch weniger als das, was wir jetzt an Blei in die Umwelt freisetzen, indem wir Kohle verbrennen. Trotzdem, weil wir eine ökologische Technologie wollen, wollen wir das eben auch so gering wie möglich halten.
Glauben Sie, dass die Technologie auch dann eine Chance hat, wenn es nicht gelingt, das Blei zu ersetzen?
Wahrscheinlich schon. Wahrscheinlich gibt es auch einen Markt, wo das Blei die Anwender nicht stört. Aber es ist ein zusätzliches Risiko für die Technologie. Sie könnte von Verboten betroffen sein, oder von mangelnder Akzeptanz bei Käufern. Es ist daher sehr sinnvoll, an bleifreien Alternativen zu forschen.
Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass Sie das Blei ersetzen können?
Ich halte es für möglich, dass das Blei ersetzt wird. Aber ob das wirklich mit der gleichen Effizienz geht, wissen wir erst, wenn wir das ausführlich untersucht haben. Man muss sich immer wieder eines klarmachen: Die ganze Perowskit-Entwicklung hat vor ungefähr zehn Jahren begonnen. Davor hatte noch niemand auf dem Schirm, dass es ein neues Photovoltaikmaterial geben kann, das so tolle Eigenschaften hat. Früher hat man gedacht, man kennt eigentlich alles, was es gibt. Und die Perowskite haben gezeigt: Nein, es ist tatsächlich möglich, auch noch ein ganz neues Material zu finden, mit dem man tolle Solarzellen bauen kann. Und ich glaube, diese Erkenntnis muss man mitnehmen, wenn man jetzt über bleifreie Alternativen nachdenkt. Es gibt noch viele Materialien, die man noch gar nicht richtig untersucht hat und die auch tolle Eigenschaften haben können. Ich glaube, dass es auch solche gibt, die keine giftigen Eigenschaften haben.
Gibt es schon Veröffentlichungen zu Ergebnissen mit bleifreien Materialien?
Ja, unglaublich viele. Die meisten Wirkungsgrade sind unter 10 Prozent. Der höchste Wirkungsgrad von bleifreien Perowskiten liegt bei ungefähr 13 Prozent.
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es gibt kein uv-licht. nur uv-strahlung. diese ist aber für den menschen i. d. r. nicht sichtbar, im gegensatz zu licht.
Wie kann man heute schon abschätzen, dass Perowskite am Schluss so viel billiger sein werden wie eine kristallines Silizium-Modul, so dass sich der ganze Aufwand lohnt?
es muss richtig heißen: billiger ALS