Die Bundesregierung lässt sich viel Zeit, den von der Kohlekommission vorgelegten Fahrplan zum Kohleausstieg in geltendes Recht zu übersetzen. Doch selbst wenn der Ausstieg tatsächlich so kommt wie von der Kommission vorgeschlagen ist längst nicht sicher, ob dies tatsächlich dem Klimaschutz nutzt. Unter Umständen könnten die CO2-Emissionen in der Folge sogar steigen, fürchten Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Damit der Kohleausstieg wirklich etwas bringt für den Klimaschutz, müsse er mit einem CO2-Mindestpreis oder der Löschung von Emissionszertifikaten kombiniert werden, schreiben die Wissenschaftler in einer Analyse.
Warum ein Kohleausstieg ohne flankierende Maßnahmen kontraproduktiv sein könnte, erklärt das Team um den PIK-Forscher Michael Pahle so: Mit dem Abschalten von Kohlekraftwerken sinkt das Stromangebot – der Preis steigt. Damit wird es für verbleibende, nur zum Teil ausgelastete Kohlemeiler attraktiver, mehr Strom zu erzeugen. Zudem sinkt mit dem Ausstieg die Nachfrage nach EU-Emissionszertifikaten und damit auch deren Preis. Das mindert den Anreiz für Stromerzeuger im Ausland, ihren eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren, da sie sich nun billiger mit Zertifikaten eindecken können.
Die Forscher weisen darauf hin, dass auch die neu eingeführte Markt-Stabilitäts-Reserve im Europäischen Emissionshandel hier nicht hilft. Sie hat den Zweck, dem Markt Emissionszertifikate zu entziehen. „Aber dies passiert im Wesentlichen vor 2035 – und erst dann soll der Großteil der Emissionsreduktionen durch den deutschen Kohleausstieg erfolgen“, erklärt Christian Flachsland, Co-Autor vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). „Unter dem Strich kann der Emissionshandel, so wie er heute ist, nicht garantieren, dass der Kohleausstieg wirklich zusätzliche Emissionsreduktionen bringt.“
Daher plädieren die Forscher für die Einführung eines CO2-Mindestpreises. Je nach Szenario könne ein Preis von 30 bis 60 Euro pro Tonne im Jahr 2030 sicherstellen, dass die deutschen Klimaziele im Stromsektor erreicht werden. Um eine Verlagerung von CO2-Emissionen im EU-Zertifikatehandel ins Ausland zu verhindern, sollten Emissionsberechtigungen gelöscht werden. Dies könnte Deutschland allerdings bis zum Jahr 2050 ungefähr 19 Milliarden Euro kosten. Die Experten schlagen einen Automatismus vor, nach dem Zertifikate automatisch zur Löschung zurückgehalten werden, wenn ihr Marktpreis unter dem Mindestpreis liegt.
„Bereits wenn eine Pioniergruppe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und wenigen anderen einen solchen Mindestpreis einführen würde, könnte das ein wichtiger Schritt zu einem EU-weiten Mindestpreis sein“, betont Ottmar Edenhofer, Direktor von PIK und MCC sowie Co-Autor der Untersuchung. Die Kosten der Löschung von Zertifikaten würden auf mehrere Schultern verteilt. Unter Umständen könnte Deutschland hier sogar Einnahmen erwarten. „Der Mindestpreis ist eine Versicherung gegen die Unsicherheiten auf den Märkten – und damit letztlich auch gegen die realen Risiken des Klimawandels wie etwa immer mehr Extremwetter“, so Edenhofer. „Und er wäre eine Versicherung für die Politik, dass sie glaubwürdig bleibt. Wenn sie die Bepreisung so gestaltet, dass die Stromsteuer sinkt und insbesondere ärmere Familien Rückerstattungen bekommen, gewinnen am Ende alle.“
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„Lösung“ (von CO2 Zertifikaten) im Titel sollte wohl „Löschung“ heißen
Danke für den Hinweis, Herr Körblein. Wir haben es korrigiert.
Das Problem mit den Emissionszertifikaten ist, dass man dann bei der laufend notwendigen Reduzierung der Ausgabe auch wirklich hart bleiben müsste. Und da kennen wir ja unsere Politiker: Wenn es jahrelang feststand, dass Ferkel nicht mehr betäubungslos kastriert werden dürfen, wird die Frist schnell mal verlängert, wenn die Betroffenen keine Lust hatten, sich darauf vorzubereiten, und sich darauf verließen, schon eine Fristverlängerung erreichen zu können. Genauso wird es auch bei den Emissionszertifikaten laufen: Der Ausbau der Erneuerbaren wird behindert werden, dann stellt man fest, dass es keine Alternative zu den Kohlekraftwerken gibt, und dann bekommen sie auch ihre notwendigen Emissionszertifikate. Damit bleibt der Strompreis so niedrig, dass die Erneuerbaren nicht ohne garantierte Einspeisevergütungen am Markt bestehen können und auf die Gnade der Regierung angewiesen bleiben.
Eine CO2-Bepreisung würde schnell Waffengleichheit herstellen, und eine sichere Perspektive bieten. Wer die nicht will, lehnt die CO2-Bepreisung natürlich ab.
Die Behautung, das „alle gewinnen“, die glaubt doch keiner. Aber es werden richtigen gewinnen, und die richtigen verlieren: Gewinnen werden die, die wenig Energie verbrauchen und Energie regenerativ erzeugen. Verlieren werden die, die viel Energie verbrauchen und durch ihre Energienutzung CO2 emittieren. Diese Anlagen werden an Wert verlieren. „Und das ist auch gut so“.
Aha, da kennt sich jemand gut mit der Wirkung Mindestpreisen aus: “ …sicherstellen, dass die deutschen Klimaziele im Stromsektor erreicht werden.“
Wenn ich richtig gelesen habe, dann ist der CO2-Ausstoß pro erzeugter kWh um 38-40% (je nach Definition) schon 2018 erreicht worden.
Oder sollten wir uns besser auf eine „anständige“ Rezession freuen, damit es absolut noch etwas mehr werden kann?
Soll der Mindestpreis für alle Sektoren gelten oder nur für die Kohle-KW?
Rezession ist Unsinn. Konjunkturprogramm könnte man es auch nennen. EE sorgen für Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land. Vielleicht brauchen wir bald ein Konjunkturprogramm, wenn der Trampel so weitermacht.
Konjunkturprogramm möglicherweise, die Frage ist nur wo!
Und immer schön in Gesamtbilanzen rechnen. Aber man kann ja ggfs. noch die Stichtage frei wählen, wie hier so gerne praktiziert, und dann klappt alles nach Bedarf.
Es würde schon reichen, wenn die schädlichen Subventionen bei Kohle, Diesel, usw. ersatzlos gestrichen werden.