pv magazine: Als die österreichische Regierung im April 2018 ihr Klima- und Energiestrategie „#mission2030“ vorstellte, war Aufbruchstimmung in Österreichs Photovoltaik-Branche zu spüren. Nun ist die Regierung nach nur gut einem Jahr am Ende, wie ist die Stimmung der Branche jetzt?
Vera Immitzer (Foto): Ja, vor einem Jahr hat die österreichische Regierung vielversprechende Maßnahmen verkündet, die in den nächsten Jahren im Detail ausgearbeitet und schlussendlich umgesetzt werden sollten. Einer der wichtigsten Punkte hierbei war sicherlich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, mit dem bis 2030 die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbaren Strom ermöglicht werden sollte. Hier war man auch gut unterwegs und wir konnten gemeinsam mit dem Ministerium gute Überlegungen anstellen. Nun stehen alle Erneuerbaren vor unvollendeten Tatsachen und einer absolut unklaren Situation für das nächste Jahr. Anstatt der Aufbruchsstimmung herrscht Enttäuschung über das Nicht-Handeln der ‚verbleibenden Regierung‘.
Welche Folgen hat es, dass weder das versprochene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz noch das 100.000 Dächer- und Speicherprogramm in eine gesetzliche Form gegossen wurden?
Für das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz hätte noch vor dem Sommer ein Entwurf präsentiert und bereits im Herbst ein Beschluss im österreichischen Parlament fallen sollen. Gleiches gilt für das 100.000 Dächerprogramm. Vorerst ist alles auf ‚Bitte Warten‘ gesetzt und wir verlieren nun wertvolle Zeit, bis diese Punkte von der neuen Regierung wieder aufgenommen werden. Dabei ist es so wichtig, dass der bereits mehrfach angekündigte aber auch dringend notwendige Ausbau-Boom starten kann. Der Branche droht, durch nun ausbleibende Unterstützung, ein Markteinbruch von bis zu 30 Prozent, der durch ein Notpaket überbrückt werden muss.
Ihr Verband Photovoltaic Austria hat darauf hingewiesen, dass verschiedene Solarförderungen nur bis zu diesem Jahr befristet sind. Können Sie das nochmal konkretisieren, welche das sind und wie sich das konkret auf die Marktentwicklung in den kommenden Jahren auswirken wird?
Das Problem ist, dass zwei wichtige Förderschienen nur noch in diesem Jahr zur Verfügung stehen. Dass ist einerseits die Kleinanlagenförderung des Klima- und Energiefonds, andererseits die Investitionsförderung für Photovoltaik-Anlagen und Stromspeicher. Diese letztere Investitionsförderung war von Anfang an nur für die Jahre 2018 und 2019 veranschlagt und sollte danach vom Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz abgelöst werden. Für eine Verlängerung dieser Förderung braucht es eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament, die schwierig zu erzielen ist. Über beide Förderschienen verliert die Photovoltaik somit knapp 20 Millionen Euro beziehungsweise einen PV-Anteil von 30 Prozent. Weiterhin zur Verfügung steht die klassische Einspeisetarifförderung für Photovoltaik-Anlagen ab fünf Kilowatt bis zu einer Größe von 200 Kilowatt, wenn sich diese auf Gebäuden befinden. Ein Rückschritt genau in dem Jahr, in dem der Ausbau-Boom starten müsste, ist untragbar und kann von keinem gewollt sein – besonders in Hinblick auf übergeordnete Klimaziele.
Was unternimmt ihr Verband nun?
Als Verband fordern wir nun eine Art ‚Notpaket‘ mit Maßnahmen, die leichter umzusetzen sind als das große Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Einzelmaßnahmen können beispielsweise auch nur von einem Ministerium zugesagt werden. Dazu zählen beispielsweise eine Abschaffung der Eigenverbrauchsabgabe oder eine grundsätzliche Budgetaufstockung außerhalb des Ökostromgesetzes. Mit unseren konkreten Vorschlägen zur Überbrückung des kommenden Jahres stehen wir allen Experten der Übergangsregierung zur Verfügung. Der Wille muss da sein, und entsprechend ist sicherlich auch in der Umsetzung noch einiges drinnen.
Erst kürzlich hatte die Regierung auch einen Entwurf veröffentlicht, nachdem die Sonnensteuer auf Photovoltaik-Eigenverbrauch abgeschafft werden soll. Kommt das nun wirklich oder steht es nach dem Zerplatzen der Regierung wieder auf der Kippe?
Ja, leider die Abschaffung der Sonnensteuer auf PV-Eigenverbrauch ist Teil der angekündigten Steuerreform, die als solches nicht mehr beschlossen wurde. Es liegt lediglich ein Entwurf dazu vor. Anders als in Deutschland sind in Österreich aber die ersten 25.000 Kilowattstunden frei von dieser Abgabe. Aber vor allem für die großen Eigenverbrauchsanlagen ist diese Abgabe eine besondere Herausforderung – und gerade von diesen großen Anlagen müssen in Zukunft noch deutlich mehr errichtet werden.
Glauben Sie daran, dass eine neue Regierung an die „#mission2030“ anknüpfen wird oder wird die Energiewende im Stromsektor bis 2030 dann doch nicht weiterverfolgt?
Ganz klar ist, dass an der Klima- und Energiestrategie kein Weg vorbeiführt, denn die übergeordneten Ziele sind klar und allgemein gültig und müssen in jedem Parteiprogramm Platz finden. Dementsprechend wird sich auch die neue Regierung an dessen Eckpfeilern orientieren müssen, um darauf aufbauend eine differenzierte Strategie zu erarbeiten und auch dann konkret abarbeiten.
PVA hat ermittelt, dass für 100 Prozent Erneuerbare rund 15 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung im Land gebraucht werden. Derzeit sind nur rund ein Zehntel davon installiert. Erwarten Sie, dass ein Teil der benötigten Anlagen in den kommenden Jahren auch über Stromabnahmeverträge (PPA) und damit jenseits der staatlichen Förderung realisiert wird oder ist das in Österreich derzeit noch gar kein Thema?
Der Stromverkauf ist aktuell leider nur an Energieversorger möglich oder innerhalb von Gebäuden an die Bewohner. Besonders spannend wird es zukünftig im Bereich der Energiegemeinschaften, bei denen sich mehrere, auch räumlich verteilte Nutzer zusammenschließen und den Solarstrom nutzen können. Diese Option schafft auch tolle Möglichkeiten der Partizipation.
Wenn Sie sich eine neue Regierung backen könnten, wie würde diese aussehen?
Neben dem klaren Bekenntnis zu Klimazielen, muss die neue Regierung einen konkreten Ausbaupfad festlegen und dafür entsprechende Maßnahmen setzen. Sie darf sich dabei nicht beirren lassen und den eingeschlagenen Weg konsequent verfolgen. Es braucht die Einsicht, dass ohne entsprechende Investitionen in die Branche das nötige Wachstum nicht ausgelöst werden kann – dem gegenüber stehen schließlich wiederum auch neue Einnahmen, die erzielt werden können. Die neue Regierung müsste sich umgehend der Ausarbeitung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes widmen, um das Thema schnellstmöglich in den Griff zu bekommen. Subventionen in fossile Energien müssten selbstredend gestoppt werden.
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Im „Hintergrundpapier Erneuerbare Energie Österreich“ sind wichtige Maßnahmen für die Verbreitung der erneuerbaren Energien – produktionsseitig wie verbrauchsseitig – angeführt, so auch wichtige Bedingungen für den Umstieg auf Elektromobilität.
Ein Randproblem wurde von der Regierung vergessen, und ich möchte es hiermit problematisieren: es ist eine Ergänzung zum Wohnungseigentumsgesetz nötig, das in Garagen von Bestandsobjekten die Möglichkeit der Installation von Ladesteckern für E-Fahrzeuge schafft. Die Bauordnungen einiger Bundesländer fordern für Neubauten diese Maßnahme; im Altbaubereich ist es lt. WEG nicht möglich, außer mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder ersatzweise dem Bescheid eines Außerstreitgerichtes.
Die Ministerien, diesbezüglich angefragt, versorgen den Bürger mit bunten Broschüren, in denen sogar der Antrag fürs Außerstreitgericht enthalten ist, aber eine klare gesetzliche Regelung zu schaffen, war bisher nicht vorgesehen.