Was auf die Betreiber von Photovoltaik-Anlagen mit der Stromsteuerreform zukommt

Teilen

pv magazine Deutschland: Derzeit wird die Stromsteuer reformiert. Die Regierung erklärt, sie will damit die Stromsteuerbefreiung für Erneuerbaren-Anlagen bis zwei Megawatt mit dem EU-Beihilferecht in Einklang bringen. In der Praxis sollen sich kaum Änderungen ergeben, verspricht die Union. Teilen Sie diese Einschätzung?

Bettina Hennig (Foto): Ja und nein. Die aktuelle Reform wird schon vieles ändern, wobei es gerade im Photovoltaik-Bereich auch viele Betreiber gibt, die von diesen Änderungen nicht betroffen sind oder sogar profitieren können. Ähnlich wie beim EEG dreht sich das Gesetzgebungskarussell dabei stetig und verunsichert viele Betreiber: die letzten größeren Änderungen liegen weniger als eineinhalb Jahre zurück. Zahlreiche zentrale Probleme, die die Praxis gerade mit dem Stromsteuerrecht hat – Rechtsunsicherheiten, überbordende Bürokratieanforderungen, Pflichten die kaum einer kennt geschweige denn versteht – werden durch die aktuelle Reform aber leider nicht wirklich adressiert. Teilweise wird das Ganze administrativ sogar noch aufwändiger, auch wenn wir bislang dachten, dass das kaum noch geht.

Bislang war das Thema Stromsteuer doch für viele Betreiber kein echtes Thema. Wieso ändert sich das denn gerade?

In der Praxis kümmern sich bislang viele Betreiber von Photovoltaik-Anlagen schlicht nicht oder nur eher halbherzig um ihre eigentlich bestehenden stromsteuerrechtlichen Pflichten. Ehrlicherweise muss man sagen, dass die zuständigen Hauptzollämter hier in den letzten Jahren auch nicht übermäßig genau hingeschaut haben. Das ändert sich allerdings in der letzten Zeit zunehmend, da ähnlich wie bei der EEG-Umlage die „Blackbox“ hinterm Netzverknüpfungspunkt durch verschiedene Melde- und Mitteilungspflichten zunehmend ausgeleuchtet wird. Strom ist nun einmal ein Steuergegenstand, auch wenn er nicht ins Netz eingespeist, sondern vor Ort verbraucht wird.

Was macht das Stromsteuerrecht für Anlagenbetreiber denn so kompliziert?

Das hat tatsächlich verschiedene Ursachen: Zum einen muss in jedem Fall geklärt werden, welche stromsteuerrechtliche „Rolle“ dem Anlagenbetreiber zukommt. Betreiber von Kleinanlagen bis zu zwei Megawatt, die nur Strom ins Netz einspeisen und gegebenenfalls Teile des Stroms zur Eigenversorgung nutzen, treffen dabei häufig keine weiteren Pflichten. Sogar in dieser einfachsten Variante gibt es allerdings schon Unschärfen. Das gilt insbesondere für Anlagenbetreiber, die ihren Strom in der Direktvermarktung vermarkten. Diese benötigen unter Umständen eine sogenannte Eigenerzeugererlaubnis vom Hauptzollamt. Sobald der Anlagenbetreiber Strom auch vor Ort an Dritte abgibt, in der energierechtlichen Sprache also Strom an Letztverbraucher liefert, wird er grundsätzlich zum stromsteuerrechtlichen Versorger – einer Marktrolle, mit der eine ganze Reihe von Pflichten einhergeht. Das sind einerseits administrative Vorgaben wie eine Erlaubnispflicht oder verschiedenste Melde- und Mitteilungspflichten und andererseits die Pflicht zur Anmeldung und Entrichtung der Stromsteuer.

Was gilt es rechtlich noch zu beachten?

Auch im Stromsteuerrecht haben wir es immer wieder mit der von der EEG-Umlage bekannten leidigen Abgrenzungsfrage zu tun, was genau Eigenversorgung ist und was genau Belieferung eines Dritten. Für welche Strommengen den jeweiligen Betreiber im Einzelnen die verschiedenen Pflichten treffen, kann dann wiederum von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Die Pflichten können dabei sogar – je nach Konstellation – den Netzbezugsstrom betreffen, nicht nur den Strom aus der Photovoltaik-Anlage. Hierfür enthält das Stromsteuerrecht zahlreiche komplexe Regelungen, die sowohl die Anlagenbetreiber als auch die zuständigen Hauptzollämter regelmäßig vor große Herausforderungen stellen. Wenn dann auch noch zahlreiche und umfangreiche amtliche Formulare ausgefüllt werden müssen, die in „Steuersprache“ verfasst sind, kann den ein oder anderen Anlagenbetreiber schon einmal die Verzweiflung packen. Und bis zu diesem Punkt ging es nur um die Frage, wer stromsteuerrechtlich verantwortlich ist. Zu der Frage, für welche Strommengen die Steuer überhaupt anfällt und was da wie genau gemeldet werden muss, habe ich noch nicht einmal etwas gesagt. Das ist nämlich auch nochmal so ein Thema für sich.

Aber sind Betreiber von Photovoltaik-Anlagen nicht meistens von der Steuer befreit?

Wieder ist die Antwort: Jein. Sehr vereinfacht kann man sagen: Strom aus Photovoltaik-Anlagen, der direkt vor Ort verbraucht wird, ist in aller Regel von der Stromsteuer befreit, wenn es sich um eine kleine Anlage handelt, für die eine Einspeisevergütung nach EEG gezahlt wird. Dann ist es auch egal, ob der Strom vom Anlagenbetreiber selbst oder einem Dritten verbraucht wird. Lediglich in bestimmten Mieterstromkonzepten, die mit einem „Zwischenhändler“ arbeiten, kann es hier Probleme geben. Wird die Anlage unter Inanspruchnahme der Marktprämie direktvermarktet, wird es mit der Steuerbefreiung schon wieder schwieriger, da es hier eine – in unseren Augen völlig unsinnige und vielleicht sogar rechtswidrige – Regelung gibt, nach der alle von einem Direktvermarkter fernsteuerbare Anlagen zu einer Art „virtuellem Großkraftwerk“ zusammengefasst werden. Damit fliegt man auch aus der Steuerbefreiung für seinen Eigenstrom raus, obwohl man eine Anlage mit deutlich unter zwei Megawatt betreibt, der eigentlichen gesetzlichen Grenze für die Kleinanlagenbefreiung….

Und was gilt bei größeren Solarparks, also Photovoltaik-Anlagen mit mehr als zwei Megawatt Leistung?

Gerade bei größeren Solarparks kann es für die Betreiber im Einzelfall wirklich anstrengend werden. Denn dann steht bislang nach der aktuellen Gesetzesauslegung der Finanzverwaltung in den allermeisten Fällen nur der Befreiungstatbestand für „Strom zur Stromerzeugung“ zur Verfügung. Und hier wiederum ist vieles strittig oder unklar: Was ist beispielsweise mit Strom, der in den Sicherheitsanlagen oder dem Elektrozaun verbraucht wird, was ist mit Trafoverbräuchen und so weiter? Das wird in aller Regel ja alles auch nicht gemessen.

Da gibt es noch keine Klarstellung?

Wenigstens ist inzwischen geklärt, dass Strom für den Betrieb des Wechselrichters von der Stromsteuer befreit ist. Für den Einspeisetrafo ist gerade ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Probleme und Aufwand kann es hier auch bei der Geltendmachung der Steuerbefreiung geben. Nach aktueller Handhabung der gesetzlichen Regelungen verlangen die meisten Hauptzollämter, dass der gesamte vor der Netzeinspeisung durch den Anlagenbetreiber oder auch Dritte – etwa andere Betreibergesellschaften am selben Netzverknüpfungspunkt – parkintern verbrauchte Strom erst einmal zur Steuer angemeldet und die Steuer gezahlt wird. Erst in einem zweiten Schritt kann sich der Betreiber die Steuer dann wieder zurückholen.

Wie bekommt man die Steuer zurück?

Dafür muss man einen gesonderten Antrag stellen, in dem – je nach Hauptzollamt unterschiedlich streng – nachgewiesen werden muss, für welche Verbrauchskomponenten man den Strom im Einzelnen genutzt hat. Nicht begünstigte Mengen, wie für die Sicherheitstechnik, müssen dann von den befreiten Mengen abgegrenzt werden. All das kann im Einzelfall wirklich erstaunlich kompliziert werden, auch weil die Hauptzollämter die Anwendung der stromsteuerrechtlichen Regelungen äußert unterschiedlich handhaben. Besonders „lustig“ kann das beispielsweise werden, wenn mehrere Betreiber von Anlagenparks mit gemeinsam genutzter Infrastruktur betroffen sind, für die unterschiedliche Hauptzollämter zuständig sind, die aber eine gemeinsame Linie in ihrem stromsteuerrechtlichen Vorgehen finden müssen. Da können in der Tat ganz erstaunliche Aufwände und Ergebnisse bei herauskommen. Wohlgemerkt für wirklich – ich sage das mal so salopp – lächerliche Steuerbeträge, um die es am Ende geht.

Und bringen die Neuregelungen denn wirklich gar keine Besserungen für Betreiber von EEG-Anlagen?

Doch, teilweise schon. So wird zum Beispiel endlich die leidige Anlagenzusammenfassung für direktvermarktete Anlagen stark eingeschränkt – wenn auch leider nicht komplett abgeschafft. Damit werden wieder deutlich mehr Anlagen unter die Kleinanlagenbefreiung fallen. Auch ist sehr erfreulich, dass es künftig wieder eine originäre Steuerbefreiung für Strom aus Erneuerbaren-Anlagen mit Leistung über 2 Megawatt geben wird. Diese gilt dann allerdings nur für die Eigenversorgung und für Strom der direkt am Ort der Erzeugung entnommen wird. Direktliefermodelle, die aktuell zum Beispiel für sogenannte Ü20-Anlagen oder auch zur Industriekundenbelieferung diskutiert werden, werden hiervon also leider nicht begünstigt. Zuletzt soll es eine Option zur erleichterten Geltendmachung der Stromsteuerbefreiung für „Strom zur Stromerzeugung“ geben: Hier kann der Betreiber künftig wählen, ob er die begünstigten Mengen tatsächlich sauber abgrenzt oder ob er eine pauschale Befreiungsmenge in Anspruch nimmt.

Wie hoch ist die pauschale Befreiungsmenge?

Bei Photovoltaik-Anlagen sollen das zwei Prozent der Bruttostromerzeugung sein. Leider gilt das Pauschalierungsrecht nicht auch für die Steueranmeldung. Das bedeutet, dass im ersten Schritt die intern verbrauchten Mengen weiterhin irgendwie zu ermitteln und zur Steuer anzumelden sind. Zudem werden noch weitere administrative Hürden errichtet: Alle genannten Steuerbefreiungen für Erneuerbaren-Anlagen sind künftig grundsätzlich erlaubnispflichtig oder können nur noch durch nachträgliche Erstattungsanträge geltend gemacht werden.

Was bedeutet das genau?

Vor allen Dingen bedeutet das: noch mehr Anträge, noch mehr Formulare, noch mehr Verwirrung. Das gilt aber zum Glück nicht für Anlagen bis zu ein Megawatt Leistung, die die Kleinanlagenbefreiung, also die Steuerbefreiung für Erneuerbare-Anlagen mit Leistung bis zu zwei Megawatt, in Anspruch nehmen. Anlagen mit Leistung bis zu einem Megawatt brauchen also diese neue zusätzliche Erlaubnis nicht, wenn sie die Steuerbefreiung für Kleinanlagen künftig geltend machen wollen –  Anlagen im Leistungssegment zwischen einem und zwei Megawatt hingegen schon. Dies gilt insbesondere dann, wenn Strom aus diesen Anlagen auch zur Direktbelieferung Dritter vor Ort genutzt werden soll: hier ist nämlich keine nachträgliche Erstattungsmöglichkeit vorgesehen. Hab ich als Betreiber einer solchen Anlage also keine Erlaubnis zur steuerfreien Nutzung, muss ich die Steuer zahlen und habe auch keine Option, sie nachträglich zurückzuholen – obwohl ich leistungsmäßig eigentlich in den Ausnahmetatbestand falle.

Und wie sieht es bei den Photovoltaik-Anlagen über zwei Megawatt aus?

Auch Anlagen mit noch größerer Leistung als zwei Megawatt, die die neue Eigenversorgungsbefreiung geltend machen wollen, brauchen künftig zur Geltendmachung der ihnen zugedachten Steuererleichterung eine Erlaubnis oder müssen nachträgliche Steuerentlastungsanträge stellen. Zudem bleibt ganz allgemein das Problem, dass auch die neuen stromsteuerrechtlichen Regelungen wieder eine Reihe neuer unklarer Rechtsbegriffe enthalten, deren Auslegung dann wieder zu neuen Unsicherheiten führt. Denn – und hier spreche ich jetzt mal aus unserer reichhaltigen Beratungserfahrung – bereits jetzt ist es so, dass es kaum zwei Hauptzollämter gibt, die die stromsteuerrechtlichen Regelungen genau gleich anwenden. Teilweise unterscheidet sich die Bewertung von Einzelfragen schon zwischen zwei Sachbearbeitern einer Behörde erheblich.

Ist die Reform nach Ihrer Einschätzung wirklich notwendig?

Ich war zu dem Gesetzesentwurf als Sachverständige in den Finanzausschuss des Bundestages geladen. Alle dort anwesenden Experten waren sich einig: Die Reform enthält wichtige und richtige Einzelaspekte, schießt insgesamt aber übers Ziel hinaus, insbesondere was die neuen bürokratischen Anforderungen im Verhältnis zum Steueraufkommen angeht. Zudem sind in den Neuregelungen zu viele unklare Rechtsbegriffe enthalten, die uns in den nächsten Jahren noch einige Probleme bereiten werden. Unserer Auffassung nach hätte der Gesetzgeber hier deutlich mehr Spielräume für praxisfreundlichere Regelungen gehabt. Leider konnten sich die versammelten Sachverständigen mit diesem Votum im Gesetzgebungsverfahren nicht wirklich durchsetzen.

Ab wann werden die Reform voraussichtlich greifen und müssen die Betreiber bereits bei der aktuellen Stromsteueranmeldung bis zum 31. Mai etwas beachten?

Noch gelten die Neuregelungen nicht, da sie erst noch von der Kommission beihilferechtlich „abgesegnet“ werden müssen. Frühestens sollen sie am 1. Juli 2019 in Kraft treten. Bei der Steueranmeldung für das Jahr 2018 zum 31. Mai 2019 sowie für diesjährige Entlastungsanträge gelten daher noch die alten Regelungen. Nächstes Jahr wird dann also schon wieder alles anders.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Mach dir selbst Solar-PV Saarbrücken Lennart Scheller
Anmelde-Wahnsinn für kleine Photovoltaik-Anlagen
22 November 2024 In einem Youtube-Video machte ein Installateur seinem Ärger über den Prozess des Netzanschlusses kleiner Photovoltaik-Anlagen Luft. Mit einem Schmunze...