Die Ausgangslage
Die Frage nach der fachgerechten Bewertung von bestehenden Photovoltaikanlagen wird in verschiedenen Bereichen immer wichtiger. Zum einen ist es die schiere Zahl, die die Relevanz einer fachgerechten Bewertungsgrundlage augenscheinlich werden lässt: rund 1,7 Millionen Anlagen sind aktuell in Deutschland im Betrieb. Die Frage nach der Findung eines korrekten Wertes spielte dabei immer häufiger sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich eine Rolle.
Die häufigste Relevanz in der Praxis haben dabei neben der steuer- und bilanzrechtlichen Einordnung des Wertes zu einem bestimmten Stichtag die Fälle der Höfenachfolge im landwirtschaftlichen Bereich, in welchem sehr häufig die Frage zu stellen ist, was die Anlage wert ist und ob die sie zum landwirtschaftlichen Betrieb gehört oder vom Landwirt oder einem Familienangehörigen „privat“ betrieben wird. Häufig wird auch im nicht landwirtschaftlichen Bereich im Erbfall die Frage gestellt, was die Photovoltaikanlage zum Stichtag wert war.
Andere Bereiche, in denen die Frage der korrekten Wertermittlung eine Rolle spielt, sind Auseinandersetzungen oder Fusionen von Unternehmen, das Insolvenzrecht, die Bewertung von Kapitalanlage-Portfolios, Ehescheidungen sowie Streitigkeiten um Grunddienstbarkeiten und Wegerechte. Und oft wird auch schlicht beim Verkauf oder der Beleihung von Photovoltaikanlagen gefragt: Was ist der „Marktwert“ der Anlage?
Außer der allgemeinen, generalklauselartigen Regelung des § 32 des Bewertungsgesetzes („Bewertung von inländischem Sachvermögen“) und einigen Regelungen zur Bewertung von Betriebsvermögen, welche aber nur anwendbar sein dürften, wenn die Anlage einen eigenen Betrieb darstellt, ist gesetzlich nichts geregelt. Auch gilt bei der Suche nach einschlägigen Urteilen höherer Gerichte oder juristischer oder technischer Literatur, dass hier noch nicht wirklich einschlägige Treffer zu machen sind.
So ist folgerichtig, dass die Gutachten, die uns von Sachverständigen (ob öffentlich bestellt und vereidigt oder auch nicht) und Gutachtern bei gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten vorgelegt werden, mit dem Begriff „Wildwest“ hinsichtlich ihrer Kriterien und Ergebnisse noch zurückhaltend bezeichnet sind.
Bevor der Gesetzgeber der Branche also keine Grundlage der fachgerechten Bewertung an die Hand gibt, muss versucht werden, auf andere Weise vergleichbare und transparente Kriterien der Bewertung einer Photovoltaikanlage zu finden. Hierbei sollen die nachfolgenden Ausführungen eine Handreichung sein.
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Die Wertbegriffe – Welche sind auf die Photovoltaik anwendbar?
Eines der wenigen veröffentlichten Urteile, welches sich überhaupt mit dem Wert einer Photovoltaikanlage befasst, ist das des Landgerichts Passau vom 28.02.2012 (2 T 22/12). Es regelt allerdings allein, dass Photovoltaikanlagen in die Verkehrswertfestsetzung eines zu versteigernden Grundstücks einzubeziehen sind, da es sich bei ihnen um Zubehör des Grundstücks im Sinne des § 97 BGB handele.
Ebenso sieht das auch das OLG Oldenburg, welches ausdrücklich entschied, dass bei einer Wertfestsetzung nach dem Grundbuchrecht der Wert der mitverkauften Dachanlage nicht mit einzubeziehen sei, da es sich bei ihr um Zubehör handele, da sie sich „einfach und beschädigungsfrei“ vom Gebäude trennen ließe (Beschluss vom 27.09.2012, 12 W 230/12). Seit diesen beiden Urteilen wird dies in der untergerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr problematisiert, aber leider auch nicht mehr durchdacht (siehe LG Saarbrücken, Urt. vom 02.12.2016, 10 S 42/16, bei dem es um die Einspeiseerlöse zugunsten des Zwangsverwalters des Gebäudes ging, auf dem die Anlage angebracht war).
Dass dies nicht in jedem Fall richtig ist, man dies von der Frage „Teil des Bauwerks“ trennen muss und dies nicht unbedingt der Rechtsprechung des BGH – jedenfalls der des VII. Senats – entsprechen dürfte, dürfte seit dem Tennishallenurteil von 2016 (BGH, Urteil vom 2.6.2016 – VII ZR 348/13) auf der Hand liegen. Nicht umsonst ist sehr häufig gerade bei Dachpachtverträgen eine Regelung enthalten, dass es sich bei der Photovoltaikanlage lediglich um Scheinbestandteile des Grundstücks handelt.
Insofern können die Urteile zur Zubehöreigenschaft der Landgerichte Passau und Saarbrücken sowie des Oberlandesgerichtes Oldenburg zwar einen kleinen Denkanstoß vermitteln, die Frage nach den Wertermittlungsarten ist hiermit jedoch nicht beantwortet. Abgesehen davon bezieht sich insbesondere das Urteil aus Passau sich auch nicht auf die Wertermittlung der Photovoltaikanlage allein, sondern regelt lediglich die wichtige Frage, ob bei der Wertermittlung der Immobilie die Anlage mit zu betrachten ist.
Für Photovoltaikanlagen sollte man sich dem Begriff des „gemeinen Wertes“ nähern. Man ist dann zwar wieder beim Bewertungsgesetz. Wäre dieses für Photovoltaikanlagen einschlägig, ergäbe sich aus § 9 BewG, dass für den Fall, dass nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen. Der Begriff wird oft synonym mit dem des Verkehrswerts benutzt. Der Bundesfinanzhof ging sogar einmal so weit, zu erklären, dass in der Praxis letztlich jede Art der Wertermittlung am Ende zum gemeinen Wert führen würde (BFH Urt. v. 3.7.1981, III R 53/79).
Die Begriffe des Neuwerts, Zeitwerts und Restwert sind dagegen nicht anwendbar, sie stammen vor allem aus dem Versicherungsrecht. Daher nutzen wir für Photovoltaikanlagen den Begriff des „gemeinen Werts“ oder Verkehrswerts.
Die Wertermittlungsarten –Welche sind auf die Photovoltaik anwendbar?
Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren wird in verschiedenen Rechtsmaterien angewandt, so im Baurecht und im Gesellschaftsrecht. Auch das Bewertungsgesetz schreibt für Immobilien dieses Verfahren vor (§§ 78 bis 82 BewG). Geht es im Baugesetzbuch beispielsweise um die Höhe einer Entschädigung für einen Grundstückseigentümer, wird nach dem Ertragswertverfahren nach den nachhaltig erzielbaren Einnahmen aus dem Grundstück im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gefragt (etwa bei Miet-, Pacht- und Geschäftsgrundstücken). Das Ertragswertverfahren ist daher auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die gängige Methode zur Ermittlung des gemeinen Werts eines Grundstücks.
So kann der Grundstückseigentümer, dessen Wert auf diese Weise ermittelt wurde, sich nicht darauf berufen, der im Ertragswertverfahren ermittelte Grundstückswert entspreche nicht dem gemeinen Wert (vgl. BFH Urteil v. 12.12.1990, I R 73/89711). Das Bewertungsgesetz setzt den Wert, der sich im Ertragswertverfahren ergibt, mit dem gemeinen Wert des Grundstücks gleich. Auch ursprüngliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung eines Ertragswertverfahrens neben einem Sachwertverfahren innerhalb des Grundvermögens wurden vom Bundesverfassungsgericht widerlegt (BVerfG Urteil vom 10.2.1987).
Beim Ertragswertverfahren würde dann – bezieht man sich auf die PV-Anlage – der Wert der Anlage unteranderem auf Grundlage der zu erzielenden Erträge ermittelt – aber nicht ausschließlich nach diesen. Der Ertragswert stellt den Barwert aller zukünftigen, nachhaltigen Reinerträge eines Bewertungsgegenstandes dar und ist somit ein Zukunftserfolgswert. Mit dem Ertragswert handelt es sich um den Kapitalwert eines Bewertungsgegenstandes.
Vergleichswertverfahren
Das Vergleichswertverfahren ist wiederrum aus dem Baurecht entlehnt, es wird neben dem Ertragswertverfahren bei der Entschädigung nach dem Baugesetzbuch angewandt. Es ist anzuwenden, wenn Preise für vergleichbar ausgestattete Grundstücke vorliegen (§ 13 WertV). Die Vergleichbarkeit bezieht sich vor allem auf die wesentlichen, den Wert beeinflussenden Merkmale eines Grundstücks wie Boden oder Gebäude.
Übertragen auf Photovoltaikanlagen würde mit dem Vergleichswertverfahren der Wert auf Grundlage von Kaufpreisen anderer vergleichbarer Anlagen ermittelt, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit der zu bewertenden Anlage hinreichend übereinstimmen. Dass dies vor allem deshalb schwierig ist, weil es keinen wirklichen und nachvollziehbaren „Markt“ für „Gebraucht- oder Umzugsanlagen“ gibt, liegt auf der Hand.
Substanzwertverfahren
Das Substanzwertverfahren ist vor allem bei der Unternehmensbewertung und im Steuerrecht relevant. Bei den substanzwertorientierten Verfahren ist danach zu differenzieren, ob von einer Fortführung oder von einer Aufgabe der Unternehmenstätigkeit ausgegangen wird. Wird die Fortführung angenommen, ergibt sich der Unternehmenswert stichtagsbezogen aus der Summe der Einzelwerte aller Vermögensgegenstände abzüglich der Außenstände. Maßgebend sind daher Wiederbeschaffungs- oder Zeitwerte der Vermögensgegenstände und Schulden.
Übertragen auf die Photovoltaikanlage würde mit dem Substanzwertverfahren der Wert im Wesentlichen als Summe der Werte der Einzelkomponenten ermittelt. Dass diese keineswegs einen Markt- oder Ertragswert abbilden, dürfte klar sein.
Zwischenergebnis und Vorschlag
Nach den oben dargestellten verschiedenen Wertermittlungsverfahren ist naheliegend, dass für Photovoltaikanlagen ein modifiziertes Ertragswertverfahren angewendet werden sollte. Dieses ist jedoch nicht – wie noch gängige Praxis ist – allein oder mehr oder weniger allein auf den Ertrag gerechnet in Kilowattstunde pro Kilowattpeak pro Jahr mal Restlaufzeit abzustellen, sondern zusätzlich auch und insbesondere auf den technischen Zustand, die notwendigen Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Reparaturmaßnahmen sowie auf die durch Fachleute einzuschätzenden laufenden Kosten, also sämtliche weiteren wertbildenden Faktoren.
Wertbildende Faktoren
(Rein-) Ertrag
Natürlich ist der Stromertrag einer der zentralen wertbildenden Faktoren einer Photovoltaikanlage. So muss der bewertende Sachverständige die Höhe der durchschnittlichen zukünftigen jährlichen Einspeisegewinne (Reinertrag) ermitteln, dieses durch Prüfung der bisherigen Erträge sowie durch fachgerechte Berechnung und Ermittlung der für die Restlaufzeit zu erwartenden Jahreserträge; dabei ist selbstverständlich die Vergütungshöhe (nach EEG) beziehungsweise der Direktvermarktungspreis und der mögliche Selbstverbrauch zu ermitteln und die Bewirtschaftungskosten sind einzurechnen.
Restlaufzeit
Die Restlaufzeit, die wesentlichen Einfluss sowohl auf die zu erwartenden Erträge als auch auf die Kapitalisierungsfaktoren hat, ist bei der Prüfung also von wesentlicher Relevanz. Der Sachverständige wird also unbedingt auch juristische Fragen zu klären haben, mindestens aber auf eine ordnungsgemäße Dokumentation zu achten haben. Die Restlaufzeit errechnet sich – betrachtet man zunächst einmal allein die Zeit der Förderung nach dem EEG – nach dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme und Anmeldung bei der Bundesnetzagentur. Ob alles korrekt durchgeführt wurde, muss überprüft werden. Zudem stellt sich die Frage, ob überhaupt eine ordnungsgemäße Erstinbetriebnahme stattgefunden hat.
Kapitalisierungszinssatz
Der Kapitalisierungszinssatz stellt den dritten wertbildenden Faktor dar. Er setzt sich aus dem Basiszinssatz und einem individuellen Risikozuschlag zusammen. In der marktgängigen (betriebswirtschaftlichen) Unternehmensbewertung hat er die Aufgabe, die Investition in das zu Unternehmen mit einer Alternativinvestition vergleichbar zu machen. Wenn die Rendite und der Kaufpreis einer vergleichbaren Alternative bekannt sind, kann man anhand dieser Daten den Kaufpreis für das zu bewertende Unternehmen festlegen
Technischer Anlagenzustand
Last not least – und in der Praxis wohl am schwierigsten zu bewerten – ist der technische Anlagenzustand, der aber wesentlichen Einfluss auf den Risikozuschlag des Kapitalisierungszinssatzes und die Höhe der erforderlichen Zu- oder Abschläge hat. Der Anlagenzustand beeinflusst auch die Höhe der Bewirtschaftungskosten. Befindet sich die Anlage beispielsweise in einem technisch schlechten Zustand – unfachgerechte Installation, Serienfehler, keine, nachweisbare regelmäßige Wartung, Ausfälle von Komponenten oder Strängen -, steigt dadurch das Risiko weiterer technischer Fehler und einer Ertragsminderung oder sogar einem Ertragsausfall. Da der technische Anlagenzustand nicht abstrakt mit einem Marktpreis bewertet werden kann, sind die einzeln festgestellten Tatsachen als Risikozu- oder -abschläge einzurechnen.
Risikozu- oder Abschläge
Diese Zu- oder Abschläge in der Praxis korrekt anzuwenden, ist ein Hauptproblem bei der Aufstellung einer transparenten Regelung für eine Bewertungsmatrix. Hier wird von einem Arbeitskreis des Qualitätsverbandes Solar und Dachtechnik (QVSD) noch im Sommer 2019 ein Merkblatt für die Bewertung von Photovoltaikanlagen veröffentlicht.
Der technische Zustand der Anlage wird über den Risikozuschlag berücksichtigt. Die hierfür zu bewertenden Sachverhalte sollen zu Blöcken wie „Systemdokumentation“, „Ausführung“, „Zustand Dach“ gebündelt werden. Zu jedem Unterpunkt in jedem Block erfolgt zuerst die Bewertung nach „in Ordnung“, „nicht in Ordnung“, „nicht relevant“ oder „nicht geprüft“.
Ist ein zu prüfender Unterpunkt als „nicht in Ordnung“ eingestuft worden, muss zunächst gefragt werden, ob dieser Punkt bei der konkreten Bewertung „verzichtbar“ oder „nicht verzichtbar“ ist. Mit „verzichtbar“ ist gemeint, ob auf eine Ertüchtigung/Mängelbeseitigung dieses Sachverhalts verzichtet werden kann, also ob der als „nicht in Ordnung“ bewertete Zustand prinzipiell auch so bestehen bleiben könnte (und dann etwa Ertragseinbußen hingenommen werden, weil eine Reparatur sich nicht lohnen würde). Nur so kann man sich der Frage nähern, beim Antreffen eines Zustandes „nicht in Ordnung – Beseitigung „nicht verzichtbar“ die Mängelbeseitigungskosten zu ermitteln und beim Wert zu berücksichtigen
Es erfolgt dann eine Summenbildung pro Block und eine Summenbildung über alle Blöcke. Diese Summe über alle Blöcke wird von einem vorläufig ermittelten Verkehrswert abgezogen, um einen endgültigen Verkehrswert zu erhalten.
Bei einer Bewertung Zustand „nicht in Ordnung“, Beseitigung ist „verzichtbar“ müsste demzufolge ein Aufschlag auf den Risikozuschlag gerechnet werden. Hier wird es von sachverständiger Seite zu jedem Block eine Empfehlung geben, wie stark sich die Risikozuschläge höchstens summieren dürfen. Damit soll vermieden werden, dass bei einer Ergänzung der Unterpunkte eines Blocks die Summe der Risikozuschläge sukzessive anwächst und irgendwann unrealistisch groß wird.
Rechtliche Bewertungskriterien
Aber auch einige rechtliche Bewertungskriterien sollten unbedingt in die Ermittlung eines transparenten Wertes einer Photovoltaikanlage einbezogen werden. Je kleiner die Anlage ist, desto schwieriger dürfte sein, die nachfolgenden Punkte – alle – abzuprüfen, manchmal sogar in der erforderlichen Tiefe, die einem Juristen vorbehalten bleibt. Dennoch sollen einige unbedingt bei allen Anlagen geprüft und die Prüfung dokumentiert werden.
Die nachfolgenden Punkte sind aus öffentlich-rechtlicher oder energiewirtschaftsrechtlicher Sicht für den Anlagenwert elementar und müssen unbedingt vom Gutachter abgefragt werden – hat er keine Antwort, ist dies zu berücksichtigen – mindestens aber zu vermerken. Fehlen essentielle Pflichtangaben, darf kein Prüfergebnis, welches mit einem Eurobetrag endet, abgegeben werden. Es ist erforderlich, den Netzanschluss- und Einspeisevertrag zu prüfen. Zudem benötigt man die Dokumentation der technischen Ausstattung (Messeinrichtungen, Fernsteuereinrichtungen) und Inbetriebnahme. Gleiches gilt für die der installierten Leistung, die verbauten Module und die Registrierungsbestätigung der Bundesnetzagentur. Weichen die vorgefundenden Module von den registrierten ab, müsste noch nach Änderungsmeldungen geforscht werden. Zuletzt sollte die Dokumentation vorgenommener EEG-Meldungen geprüft werden. Handelt es sich um Direktvermarktungspflicht, muss auch dies geprüft.
Einige zivilrechtliche Punkte sind zudem wertrelevant. Sie sollten dokumentiert werden. Für den Fall, dass keine Aussagen getroffen werden können, muss dies im Wertgutachten vermerkt werden. So sollte ein Auszug aus dem Grundbuch nebst Dienstbarkeiten und aus dem Liegenschaftskataster angefordert werden, bei Aufdachanlagen das Baujahr des Gebäudes, die Baugenehmigung und der Verwendungszweck des Gebäudes, für den Fall der Pacht der zugrundeliegende Dachpachtvertrag (relevant für die Kapitalisierung der Laufzeit). Es ist relevant, ob die Pacht laufend oder aus den Energieerträgen gezahlt wird, oder bereits vorab für die volle Laufzeit entrichtet wurde. Einen Zuschlag auf den Wert dürfte es geben, wenn der Gebäudeeigentümer auch der Anlagenbetreiber ist.
Ausblick
Die Wertermittlung und Bewertung von Photovoltaikanlagen wird künftig unbedingt zu vereinheitlichen sein. Die Nachfrage nach entsprechenden sachverständigen Bewertungen steigt sprunghaft mit der Zahl der Anlagen und ihrer Marktdurchdringung. In Zukunft wird dies durch die Nachrüstung mit Speichersystemen und der Integration in die Gebäudeelektrik einschließlich von Wallboxes für die Elektromobilität immer relevanter. Möglicherweise wird dies bei Dachanlagen von Gebäuden früher oder später sogar zum Teil der Immobilienbewertung. Bis dahin muss ich unbedingt eine transparente und nachvollziehbare Bewertungspraxis durchsetzen.
QVSD wird ein Reglement vorschlagen, mit dem sich die Praxis auseinandersetzen zu haben wird. Keinesfalls darf sich in Zukunft ein Wertgutachten allein darauf beziehen, wie viel Strom in der „Restlaufzeit“ noch „erzielt“ wird.
— Der Autor Andreas Kleefisch ist Partner der Baumeister Rechtsanwälte PartGmbB in Münster, Fachanwalt und Lehrbeauftragter für Bau- und Architektenrecht sowie Vorstandsmitglied des Qualitätsverbandes Solar- und Dachtechnik (QVSD e.V.). —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Sehr geehrter Herr RA Kleefisch,
lieber Andreas,
leider ist die Definition des Kapitalisierungsfaktors nicht korrekt. Denn es handelt sich bei dem Kapitalisierungsfaktor um die marktüblichen Verzinsung und stellt einen Marktanpassungsaktor dar, der aus vorliegenden Kaufpreisen zurückgerechnet wird. Es handelt sich damit um eine statistischen Kennwert, der aus vorliegen Preisdaten ermittelt wird. Weil es aber keine einheitliche Kaufpreissammlung für PV-Anlagen gibt, kann es auch keinen aus dem Markt abgeleiteten Vervielfältigen für die Ermittlung des Barwertes einer PV-Anlage geben.
Der üblichen Weise bei Immonbilien anzusetzenden Liegenschaftszinssatz kommt für verpachtete Dachflächen jedenfalls nicht infrage. Weil das Risiko der Immobile losgelöst ist von der Wertentwicklung der PV-Anlage. Somit eine Wertermittlung im normierten Ertragswertverfahren bis dato nicht möglich ist.
Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Grüße aus Berlin und Pfaffenhofen.
Der Hinweis, dass es bislang für PV-Anlagen mangels einer statistisch abgesicherten Kaufpreissammlung noch keinen „normierten“ Kapitalisierungsfaktor gibt ist richtig, stellt aber deshalb das vorgeschlagene Ertragswertverfahren nicht grundsätzlich in Frage.
Die Initiative des QVSD zur Bewertung von PV-Bestandsanlagen verfolgt das Ziel, gerade dieses Manko aufzugreifen und alle PV-Gutachter zum Dialog einzuladen, um über eine entsprechende Kaufpreissammlung einen Kapitalisierungsfaktor für PV-Anlagen zu bestimmen, der insbesondere bei Kleinanlagen eine kostengünstige Wertermittlung ermöglicht. Für Großanlagen eignet sich weiterhin das wesentlich individuellere aber aufwendigere Bewertungsverfahren nach der Discounted Cashflow Methode.
Matthias Graf von Armansperg, Geschäftsführer QVSD e.V.
Sehr geehrter Herr Kleefisch,
vielen Dank für die Ausführungen zu der Bewertung einer PV- Anlage und den Versuch Licht in das Dunkle zu bringen.
Die Kritik über ihre Definition des Kapitalisierungsfaktors kann ich nicht ganz teilen. Der Kapitalisierungsfaktor setzt sich aus der Restnutzungsdauer der Anlage und den der Bewertung zugrunde liegenden Zinssatz zusammen und ergibt sich aus der Formel F = (q ^n * (q-1)) / (q ^n *(q-1)) für eine nachschüssige Zahlung, wobei q = Zinssatz + 1 und n die Anzahl der Jahre sind.
Die Frage dürfte sich wie in vielen Fällen der Wertermittlung in erster Linie nach dem Zinssatz und dann nach der Laufzeit stellen. Ein Zinssatz ist jedoch von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig und somit volatil. Folglich kann es keine „festen Kapitalisierungsfaktoren für eine PV-Anlage“ geben.
Ich bin auch der Meinung, dass der Liegenschaftszinssatz aus der Immobilienwertermittlung hier keine Anwendung finden sollte, wie es teilweise in Gutachten zu lesen ist. Der Liegenschaftszinssatz wird jeweils nutzungsabhängig ermittelt. Hier ist es so, dass risikoreiche Gewerbeimmobilien einen höheren Liegenschaftszinssatz haben als kleine selbstgenutzte Immobilien. Die wirtschaftliche Nutzung der Immobilie hat jedoch keinen Einfluss auf die Ertragskraft der PV-Anlage auf dem sie steht. Die Sonne scheint auf alle Dächer gleich.
Einen Zinssatz, der aus dem Marktgeschehen abgeleitet wird, wird es hier wohl mangels Daten nicht geben. Somit kann ich mir unter anderem einen Zinssatz vorstellen, der an vergleichbar risikobehafteten Finanzmarktprodukten hergeleitet werden könnte. Also, wenn ich nicht in eine PV-Anlage investiere, investiere ich in andere vergleichbar risikobehaftete Produkte. Hierbei sind jedoch nicht die Marktteilnehmer berücksichtigt, die PV-Anlagen aus ökologischen oder anderen nicht ausschließlich wirtschaftlichen Gründen erwerben.
Wie lange eine PV-Anlage genutzt wird, ist nicht nur abhängig von der vereinbarten Laufzeit der Einspeisevergütung sondern von der gesamten Nutzungsdauer. Auch hier gibt es soviel ich weiß noch nicht so viele Erfahrungswerte, zumal sich die Produkte laufend ändern.
Ich bin gespannt auf den Bewertungsweg und mögliche Bewertungsparameter, die im Sommer vorgeschlagen werden sollen, um somit ein bisschen Licht in das Dunkle zu bringen.
Grüße aus Münster
Veit Tettenborn
Da viele Argumente für und wider des vereinfachten Ertragswertverfahrens anwendbar für PV-Anlagen in der monetären Bewertung bereits die letzten 3-4 Jahre in Fachkreisen kursieren, stellt sich langsam eine Kristallisation ein. Das Verfahren halte ich persönlich für gut einsetzbar und stimme auch den Hinweisen von Herrn Veit Tettenborn vollumfänglich zu. Das Verfahren ist anderseits nur ein kleines Mosaik-Steinchen im Gesamtvorgang valide Werte herzuleiten.
Die wirkliche Kunst liegt darin, individuell zutreffende Antworten zu drei Kernfragestellungen zu finden, bevor das Verfahren angewendet wird:
a) Ist die Erstragssicherheit aufgrund der Anlagenverfügbarkeit und der gesetzlichen Regeln über die gesamte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der PV-Anlage wirklich gegeben?
b) aus a) folgt, welche identifizierte Risikofaktoren werden im Verfahren als dauerhaft, steigend, fallend und welche als einmalig (von Instandsetzungs- Ertüchtigungsmaßnahmen negierbar) angesehen? UND kann der einzelne Sachverständige alle notwendigen Gewerke und Sachgebiete, die Risiken in sich bergen, selbstständig beurteilen (z.B. Jurist, Dachdecker, Elektriker, Blitzschutzfachkraft, Zimmermann, Statiker, Betriebswirt) ?
c) Was ist der angemessene Zinssatz, um zukünftige Erträge auf den Bewertungsstichtag zu beziehen (wertzuberichtigen) und darf der Zinssatz über die Restnutzungsdauer konstant bleiben?
Es ist nicht wenig komplex und ich stimme Herrn Kleefisch zu, der Bedarf steigt und es wäre wünschenswert einen Mindeststandard, der eine Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit anstrebt, zu erreichen.
Die Fachgruppe Elektrotechnik und Informationstechnik im BVS e.V., ist aktuell in der Überarbeitung der 8. Auflage des dort erscheinenden „Bewertungsleitfaden für ITK-Systeme, Elektronik und elektrotechnische Geräteeinheiten“ (ISBN 978-3-89639-907-6). Die 8. Auflage nimmt sich in größerem Umfang der Problematik (unter anderem) an und kann einen Beitrag zur genau dieser Diskussion (erreichen der gemeinsamen Basis) darstellen. Die Veröffentlichung der 8. Auflage wird im November 2019 angestrebt.
Grüße aus dem Norden
Wilhelm Uhlenberg
Differenzierte Bewertungsmethoden für Anlagen, die mit einem Gebäude verbunden sind oder im (technischen) Zusammenhang mit einem Gebäude stehen, werden in Zukunft immer wichtiger werden, da die Möglichkeiten für erneuerbare oder alternative Energien zunehmen werden. Als Beispiel sei hier das Blockkraftwerk oder die Ladestation für E-Autos genannt. Wie im Beitrag erwähnt, ist die Anwendung der gängigen Bewertungsmethoden zwar möglich, wird aber einer realistischen Bewertung nicht ganz gerecht. Ich bin auf die weitere Entwicklung hierzu gespannt, denn im Rahmen eines Immobilienverkaufs (siehe auch https://www.zachger.de/immobilienbewertung/) wird die Frage der Bewertung solcher Anlagen aufkommen. Und dann sollte auch ein Immobilienmakler hierzu eine Einschätzung abgeben können oder wissen, wer als Fachmann hierzu eine Aussage treffen kann.