Kurz vor dem Ende der parlamentarischen Beratung des neuen Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) ist eine Formulierung in den Text aufgenommen worden, der jetzt hohe Wellen schlägt: Der Novelle zufolge werden müssen Betreiber von Elektrolyseuren künftig für den eingesetzten Strom Netzentgelte bezahlen. Das würde die Sektorenkoppelung ausbremsen, so der Bundesverband Energiespeicher (BVES), da beispielsweise Power-to-Fuels, Power-to-Methane und Power-to-Chemicals mit Netzentgelten belastet würden. Bislang waren Elektrolyseure von Netzentgelten ausgenommen. Die Befreiung wird es nach dem NABEG künftig nur noch dann geben, wenn der erzeugte Wasserstoff genutzt wird, um damit später wieder Strom für das Netz zu erzeugen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Aufnahme des fraglichen Passus mit einer redaktionellen Klarstellung begründet – nicht auszuschließen, dass den Autoren die Tragweite der Formulierung gar nicht bewusst war.
Nun will Schleswig-Holstein diese Bestimmung quasi in letzter Sekunde wieder aus dem Gesetz streichen: Die Landesregierung hat beschlossen, im Plenum des Bundesrates am kommenden Freitag einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stellen. Ein solches Vermittlungsausschuss-Verfahren könnte nach Einschätzung der Landesregierung innerhalb von vier Wochen abgeschlossen sein. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) hat seine Amtskollegen per Brief gebeten, Schleswig-Holstein dabei zu unterstützen, den fraglichen Passus zu streichen. „Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, diese Verschlechterung für die Elektrolyseanlagen zu korrigieren und den alten Rechtszustand im EnWG wiederherzustellen“, schreibt Buchholz.
„Sollte diese Regelung tatsächlich in Kraft treten, so würden sich die Netzentgelte wie ein zusätzlicher Strafzoll auswirken, wenn Strom aus erneuerbaren Energien die Grundlage für Energie in Mobilität, im Wärmesektor und in industriellen Prozessen ist“, erklärt Ove Petersen, Mitgründer und CEO der GP Joule-Gruppe. „Der Strombezug würde sich für Power-to-Gas-Anlagen erheblich verteuern, so eine wirksame Sektorenkopplung komplett unwirtschaftlich machen und damit faktisch verhindern. Die Auswirkungen wären verheerend: Das bedeutet nichts weniger als einen mutwilligen Verzicht auf das Schlüsselelement ‚Grüner Wasserstoff‘ als klimaneutraler Energieträger.“
Petersen bezweifelt sehr, ob die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten eine solche Regelung wirklich beabsichtigt hatten. In den letzten Monaten habe sich immer stärker gezeigt, dass auch die Politik die Notwendigkeit der Wasserstofftechnologie für eine erfolgreiche Energiewende sieht. Petersen unterstreicht: „Für uns steht der Beschluss im krassen Widerspruch zu den Aussagen vieler Abgeordneter aus der Großen Koalition. Wir appellieren deshalb an den Bundesrat, das Gesetz noch in dieser Woche zurück in den Bundestag zu verweisen“.
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Da war die Atom- und Kohlelobby wieder sehr aktiv. Immer schön heimlich Gesetze manipulieren und ahnungslose Politiker hinters Licht führen. Man hat ja in den Ministerien die richtigen Leute sitzen.
Wenn man etwas für richtig empfindet, könnte man es auch offen zur Diskussion stellen. Immerhin leben wir in einer Demokratie.
Sorry, dieser NABEG-Entwurf hat nichts mit böser Kohlelobby zu tun, sondern ist die fachlich logische, physikalisch begründbare Konsequenz, der wir alle uns stellen müssen, wenn wir Elektrolysewasserstoff aus grünem Überschussstrom als dringend benötigten Stromspeicher betrachten wollen. Es geht auch nicht um einen „Strafzoll“ für nachhaltige Technologien, sondern nur darum, dass eine Technologie nur dann massiv durch EEG Mittel der Bürger massiv bezuschusst werden darf, wenn sie die eigentlichen Probleme der Energiespeicherung und Rückverstromung auch löst! (schließlich heißt es im Entwurf folgerichtig: PtG netzentgeltpflichtig, sofern der Wasserstoff nicht rückverstromt wird). Derzeit liegt der Gesamtwirkungsgrad für diese Prozesskette bei ca. 29%. Dass heißt: von 100 Windrädern, die Überschussstrom produzieren, laufen 71 physikalisch bedingt für die Katz und ziehen den Bürgern das Geld aus der Tasche. Leute, forscht an echten Alternativen, statt zu träumen! …aber wie soll das in Deutschland gelingen, wenn der Forschungsetat durch den Finanzminister in Zeiten bester Konjunktur eingestampft wird?
Ähem, was macht denn eine solche Unterscheidung für einen Sinn? Bei Rückverstromung fallen die Netzentgelte weg, aber bei der Einspeisung ins Erdgasnetz nicht?! Wie soll das überhaupt auseinandergehalten werden? Soll es jetzt extra separate Wasserstoffspeicher geben? Das wäre mal wieder ein zusätzliches Bürokratiemonster, mit denen wir es inzwischen bei so vielen Regelungen bei der Energiewende zu tun haben und die deren Umsetzung unnötig erschweren. Viel mehr ist dazu nicht zu sagen.
Guten Abend Prof. Sundermeyer. Man kann durchaus Ihrer Meinung sein. Es gibt aber auch andere berechtigte Sichtweisen. Aber mein Kommentar bezog sich auf diese immer häufiger vorkommende undemokratische Arbeitsweise unserer Regierung, wie Sie oben bei nochmaligem Lesen sicherlich erkennen werden. Und derlei Arbeitsweise ist immer häufiger bei Lobbyismus zu beachten. Die seit vielen Jahren stärkste Lobbygruppe ist die Atom- und Kohlelobby. Warum ist eine Lobby überhaupt stark? Weil es dort für Expolitiker hervorragende Jobangebote gibt (indirekte Korruption). Schauen Sie mal, wer alles nach seiner Politkarriere bei RWE und Konsorten gelandet ist. Es wird fast nur noch Konzernpolitik betrieben und der Mittelstand hat nicht viel zu melden. Selbst die FDP als frühere Mittelstandspartei macht das nicht mehr anders. Das ist für Deutschland fatal. Aber es ist halt einfacher mit ein paar Konzernbossen Essen zu gehen, als sich mit vielfältigen Vertretern von mittelständischen Firmenverbänden zu treffen.
KMU stellen 2/3 der deutschen Arbeitsplätze und reden geschätzt zu 10% in der Politik mit.
Was die Elektrolyse anbelangt, schwanke ich noch in meiner Bewertung zum Netzentgelt.
Denn auch nichtrückverstromende Anlagen können dem Netz dienlich sein, weil sie zu Zeiten mit überhöhter Leistung, Last entgegen setzen können. Richtig ist natürlich, dass eine Zwischenspeicherung und bei Bedarf Rückverstromung des Wasserstoffs noch netzdienlicher ist, als wenn man dies nicht täte. Das Netzentgelt soll also scheinbar den Anreiz schaffen, erst einmal die Pumpspeicherkraftwerke zu ergänzen, welche nicht mehr gebaut werden können, da sie unwirtschaftlich geworden sind. Aber wie Sie auf lediglich 29% Wirkungsgrad kommen, würde mich sehr interessieren. Können sie das bitte näher ausführen, damit ich es nachvollziehen kann?
Im Verkehrssektor störte sich bisher niemand an 20-30 Prozent Wirkungsgrad eines Verbrenners.
Was auch noch berücksichtigt werden sollte, ist der mengenmäßige Anteil der sozusagen verschwendeten Energie für ein funktionierendes Gesamtsystem. Wahrscheinlich kennen Sie nicht meine anderen Threads, da habe ich bereits umfassende Analysen abgegeben, wie man die Verschwendung reduzieren kann. Ihre Meinung interessiert mich aber sehr.
Da Sie berufsbedingt zu den an Forschung Interessierten gehören, denke ich Sie nicht zu belästigen, wenn ich sie auf folgenden hochinteressanten Ansatz einer „echten“ Wasserstoffwirtschaft hinweisen möchte.
Das Endziel eines 100%-EE-Systems muss eine vollständige CO2-freie Energieversorgung aller Sektoren sein. Auch wenn die Vision des verstorbenen Dipl.-Ing. Karl-Heinz Tetzlaff wohl zumindest in Deutschland nicht erreichbar sein wird (aus politischen Gründen), kann man von ihm lernen wie man sich ein ganzheitliches System vorstellen kann. Ein wärmegeführtes System (am besten reine Wasserstoffwirtschaft) mit sogar Stromüberschuss bei radikaler Senkung des Primärenergieverbrauchs.
Karl-Heinz Tetzlaff war in der zentralen Konzernforschung der ehemaligen Hoechst AG zuständig für Elektrolyse- und Brennstoffzellenentwicklung und die Schätzung von Investitionskosten von innovativen Verfahren. http://www.bio-wasserstoff.de/
Nun kann ich mir aus politischen Gründen nicht vorstellen, dass ein hochentwickeltes Land wie Deutschland, von einer komplex gesteuerten Stromwirtschaft auf eine relativ einfach zu steuernde Wasserstoffwirtschaft umstellt. Selbst wenn das kostengünstig und durchaus machbar ist. Für viele unterentwickelte Länder, kann ich mir das sehr gut vorstellen.
Das wäre nur vorstellbar, wenn die vier großen Stromkonzerne erkennen würden, dass sie mit einem solchen System wieder in großindustriellen Dimensionen denken und arbeiten könnten.
In dem Punkt denke ich nämlich, trotz hoher Verehrung für diesen genialen Menschen, anders wie Herr Tetzlaff dachte. Was ich hier schreibe kann aber kaum jemand nachvollziehen, der sich nicht das Buch komplett reingezogen hat. So tief kann die Website im Detail nicht gehen. Sie kann höchstens Lust auf mehr Erkenntnisse machen.
Das Buch handelt nämlich alle Themenfelder ab. Nicht nur Technik und Energiewirtschaft, sonder auch Politik und Landwirtschaft. Da kann man extrem viel lernen. Sind über 500 Seiten. Erster Teil allgemeinverständlich. Zweiter Teil vertiefend für diejenigen, welche alles ganz genau wissen möchten und ausreichend naturwissenschaftlich gebildet sind.
Für ist das sicher sehr spannend zu lesen, da dort auch viel Chemie behandelt wird.