EnBW hat wie die meisten anderen großen Energieversorger in Deutschland zunächst verschlafen. Doch ein Effizienzprogramm mit einem Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden Euro bis 2020 soll den süddeutschen Energieversorger fit für die neuen Gegebenheiten der Energielandschaft machen. Der wesentliche Teil des Programms, das neue Wachstumsbereiche erschließen soll, sei bereits abgeschlossen, erklärte EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer der „Börsenzeitung“.
Bei der Photovoltaik scheint der Konzern allerdings erst seit kurzem wirklich ernst zu machen. So wartete EnBW im Februar kurz hintereinander mit zwei zukunftsweisenden Ankündigungen auf. So soll in Brandenburg ein Solarpark mit bis zu 175 Megawatt ohne Förderung gebaut werden. Nur kurz danach unterzeichnete EnBW mit Energiekontor den wohl ersten langfristigen Stromabnahmevertrag (PPA), der für ein Photovoltaik-Projekt ohne Förderung in Deutschland bestimmt ist. Energiekontor will sein Projekt in Mecklenburg-Vorpommern ebenso wie EnBW voraussichtlich bis Ende 2020 realisieren.
„Die Kosten für Solarmodule sind in den letzten Jahren drastisch gesunken. Solarenergie wird für uns deshalb, neben Windenergie, immer interessanter. Wir wollen die Solarenergie zum dritten Standbein bei unserem Ausbau der erneuerbaren Energien entwickeln“, erklärte Kusterer der „Börsenzeitung“. Derzeit habe der Energieversorger Projekte mit 100 Megawatt Photovoltaik-Leistung in Betrieb. Im Bau sowie in Planung fände sich eine Pipeline mit rund 800 Megawatt, rund 400 Megawatt seien größere, förderfreie Photovoltaik-Anlagen. Alle Projekte befänden sich in Deutschland.
„Da ist dann auch der Handel entscheidend. Vor allem, wenn ich ohne Subventionen baue. Da kommt uns wieder zugute, dass wir entlang der gesamten energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette aufgestellt sind“, so der EnBW-Finanzvorstand weiter. Der Handel müsse an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. „Unsere eigene Erzeugungsposition halbiert sich. 2010 lagen wir bei 70 Terawattstunden. Perspektivisch, wenn die Kernenergie draußen ist und der Kohleausstieg hinzukommt, werden wir irgendwann Richtung 35 Terawattstunden unterwegs sein“, so Kusterer weiter. EnBW strebe daher eine Internationalisierung und eine Erweiterung des Portfolios an, so solle bei Solar und Flüssiggas die Handelsposition gestärkt werden.
Zudem will EnBW bis Ende 2020 in den Bau von 1000 Schnellladestandorten investieren. Dabei sei nicht klar, ab wann damit Geld zu verdienen sei. „Aber ich glaube, es ist absolut richtig, in diesen Zukunftsmarkt frühzeitig zu investieren, um langfristig ein wachsendes Geschäftspotenzial zu sichern“, sagt Kusterer trotz des Risikos. Der große Umbau von EnBW soll nach seinen Worten bis 2020 abgeschlossen sein. „Dann wollen wir auf Wachstum umschalten.“ Zugleich sei es notwendig auf weitere Veränderungen zu reagieren, etwa jene die durch die Digitalisierung kämen. „Dass wir in den letzten Jahren Veränderungsfähigkeit gelernt haben, ist für mich neben dem, was wir finanziell erreicht haben, der vielleicht wichtigste Erfolg. Das Tempo des Wandels wird sich eher beschleunigen als verlangsamen“, so Kusterer weiter.
Doch nicht nur die Energieversorger, sondern auch die Ölkonzerne habe mittlerweile das Potenzial der Energiewende und der darin aktiven Unternehmen erkannt. So ist Shell bei Photovoltaik-Heimspeichern nun ein direkter Konkurrent von EnBW. EnBW hatte vor rund einem Jahr den Leipziger Anbieter Senec gekauft. Vor wenigen Tagen erwarb Shell nun Sonnen. In dem Interview wird vor allem das Engagement der Ölkonzerne auf dem nordamerikanischen Windkraftmarkt angesprochen. „Tatsache ist, dass die großen Ölkonzerne zunehmend in Erneuerbare investieren. Darauf muss man sich einstellen“, sagt Kusterer dazu.
Den Umbau hat der Energiekonzern zu Teilen aus dem eigenen Cashflow bezahlt. Zudem hat EnBW seinen ersten grünen Bonds im vergangenen Jahr aufgelegt. „Ich glaube, alles andere wäre, besonders für unsere bisherigen Kapitalgeber, überraschend gewesen. Wir sind mit unserer integrierten Berichterstattung extrem transparent, auch hinsichtlich unserer Klimaziele, und engagieren uns unter anderem auch in der Weiterentwicklung der Gesetzgebung für nachhaltige Finanzierung auf EU-Ebene. Bei uns ist Nachhaltigkeit in den Strategieprozess integriert, ebenso in Investitions- oder Desinvestitionsentscheidungen, bis hin zur Risikoberichterstattung“, so Kusterer im Interview weiter. Mit den grünen Bonds könne EnBW auch neue Investorengruppen erschließen und stärke zugleich das Engagement der langfristig orientierten Pensionsfonds oder Versicherer im Konzern. Aus der grünen Anleihe, die ein Volumen von 500 Millionen Euro hat, sollen Kusterer zufolge mehr als 95 Prozent in erneuerbare Energien und ein kleiner Teil in den Aufbau der Ladeinfrastruktur fließen.
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