Würden Sie sich einen Batteriespeicher, in den Keller stellen, der bei 300 Grad Celsius arbeitet und geschmolzenes Metall enthält? Das Fraunhofer-Institut für keramische Technologien und Systeme (IKTS) schlägt genau das vor und sagt, das sei sicher, deutlich preisgünstiger und umweltfreundlicher als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien.
Die neu entwickelte keramische Hochtemperaturbatterie „cerenergy“ für stationäre Batteriespeicher basiert auf einem Prinzip, das schon in den 70er Jahren erfunden wurde und als Zebra-Batterie bekannt ist. In einem Keramikrohr, dem festen Elektrolyten, befindet sich die durch Hitze verflüssigte Kathode, ein Salz aus Nickelchlorid und Natriumchlorid. Unter Spannung lässt der keramische Elektrolyt Natriumionen passieren, die sich im Außenbereich als flüssiges Natrium ansammeln, welches die Anode bildet. Alle Inhaltsstoffe seien preiswert und leicht verfügbar, sagt Matthias Schulz, Gruppenleiter der Arbeitsgruppe stationäre Energiespeicher beim Fraunhofer IKTS. Der Preis für die Zellen soll bei großtechnischer Fertigung bei unter 100 Euro pro Kilowattstunde liegen. Durch die Neuentwicklung konnte die Effizienz der Technologie auf bis zu 95 Prozent gesteigert werden.
Niedrige Verluste durch gute Dämmung
Essentiell für diesen Batterietyp ist die Vakuumdämmung. Erst ab 200 Grad Celsius beginnt der Transport der Natriumionen durch den Elektrolyten. Eine gute Performance wird bei 270 bis 300 Grad erreicht. Im Betrieb ist die Batterie die ganze Zeit so heiß. Durch die Dämmung bleibt die Temperatur in den Zellen gleichmäßig hoch. Die geringen Verluste an die Umgebung würden durch die Prozesswärme ausgeglichen, erläutert Schulz. Nur für die Inbetriebnahme und falls die Batterie längere Zeit nicht genutzt wird, werde die eingebaute Heizung benötigt. Da sich der Batterietyp nicht elektrochemisch entlädt, entspricht die gelegentliche Nutzung der Heizung bei längerer Inaktivität einer thermischen Selbstentladung. Die gute Dämmung macht die Batterie gleichzeitig unempfindlich gegen schwankende Außentemperaturen. Eine Klimatisierung des Batteriespeichers sei nicht nötig.
Die Hochtemperaturzellen haben einen Energiegehalt von 130 Wattstunden pro Kilogramm aber vergleichsweise langsame Lade- und Entladeraten von 0,5 C. Deshalb eignen sie sich nicht für Elektromobilität, obwohl sie ursprünglich dafür entwickelt und verwendet wurden. Bei Systemkosten unter 500 Euro pro Kilowattstunde für das Batteriesystem, könne man sie aber im großen Maßstab für die Speicherung erneuerbarer Energien einsetzen, da auch hier meist keine Schnellladung nötig sei, so Schulz. Für viele anderen Anwendungen, wie Lastspitzenkappung, Verstetigung der Einspeisung oder Notstrom seien sie ebenfalls gut verwendbar, da sie schnell ansprechen.
Erster Einsatz als Quartierspeicher steht bevor
Als ein erstes Projekt mit der keramischen Hochtemperaturbatterie baut das Fraunhofer IKTS einen Speicher mit etwa 100 Kilowattstunden für ein Modellquartier in Thüringen. In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Technologieprojekt „Smood“ werden bestehende Nachbarschaften so umgebaut, dass sie sich in hohem Maße selbst versorgen. Obwohl die hohen Betriebstemperaturen brandgefährlich klingen, sei die Sicherheit des Batterietyps erprobt, so Schulz. Wenn das flüssige Natrium mit der Umgebungsluft in Kontakt kommt, oxidiere es zwar, aber die Batterie würde nicht thermisch durchgehen oder gar explodieren. Nur ein Brand unter Wasser sei gefährlich. Solange die Batterie nicht angeschlossen und kalt ist, sind alle Bestandteile fest und der Ladezustand eingefroren. Ein Transport ist in diesem Fall gefahrlos möglich.
Um die Batterien zu produzieren, fehlt eigentlich nur noch ein Investor, sagt Matthias Schulz. Auch die Fertigungsverfahren seien vom IKTS bereits fertig entwickelt. Doch die Forschungseinrichtung darf nur bis zur probeweisen Kleinserienfertigung in Vorleistung gehen. Ab hier muss die Industrie übernehmen. Cornelia Lichner
Kommentare der Jury:
Die Juroren diskutierten die Kostenerwartungen für diese Technologie. “Das ist potentiell eine preiswerte Alternative, die auf einfachen Materialien basiert.”, sagt Xavier Daval. Ein Juror merkte an, dass der angestrebte Preispunkt in dem Bereich liege, was mit heutigen Flow-Batterien heute schon möglich ist. Ein anderer Juror stellte die Frage, ob die hohe Effizienz für Anwendungen gilt, bei denen die Batterie nicht ständig genutzt wird. Dafür 300 Grad aufrechtzuerhalten, könnte zu einer star- ken „Selbstentladung“ führen.
Die Jury:
Xavier Daval
Daval ist ein internationaler Solar- und Speicherexperte sowie Vorstandsvorsitzender des französischen solartechnischen Beratungsunternehmens kiloWattsol SAS, das er 2007 gegründet hat. Er ist Elektroingenieur und ehemaliger Direktor der Region EMEA für einen an der New Yorker Börse notierten Hersteller von Werkzeugen für die Elektronikindustrie. Er ist auch Vizepräsident des französischen Verbandes für erneuerbare Energien, Syndicat des Energies Renouvelables, und dort Vorsitzender der Solarkommission und Direktor des Global Solar Council.
Logan Goldie-Scot
Goldie-Scot leitet das Energiespeicher-Insight-Team von Bloomberg NEF. Er führt die Analysen des Unternehmens zu den globalen Energiespeichermärkten durch und bietet Einblicke in Technologie, Märkte, Richtlinien und Vorschriften sowie die Wettbewerbslandschaft. Er überwacht auch die Analyse von Lieferketten.
Rolf Heynen
Heynen ist Direktor von Good! Neue Energie. Good! ist bekannt für den jährlichen niederländischen Solar Trend Report – der auch auf Englisch erscheint – das Solar Quarterly, die internationale Fachmesse Solar Solutions und die Solar Business Day Konferenz. Good! ist außerdem in den Bereichen erneuerbare Wärme, smarte Beleuchtung und Gebäude, Energiespeicherung, Beratung, Energiemodellierung und Marktforschung tätig. Heynen hat Abschlüsse als Elektroingenieur und in Politikwissenschaft.
Mark Higgins
Higgins ist COO von Strategen, einem Dienstleistungsunternehmen, das sich auf die Marktentwicklung für ein erneuerbares Stromnetz konzentriert. Zu seinen vielfältigen Erfahrungen im Energiesektor vor Strategen gehört seine Tätigkeit als Direktor Netzbereich West bei SunEdison, als Vizepräsident für Finanzen bei Hu Honua Bioenergy und als Leiter für die Bereiche Politik, Zusammenschaltung und Übertragungsplanung bei Pazifik Gas & Elektrik.
Julian Jansen
Jansen ist Forschungsleiter bei IHS Markit Technology. Er leitet die weltweite Forschung der Gruppe zu stationären Energiespeichern und bietet Einblicke zu den Triebkräften am Markt und zu neu aufkommenden Geschäftsmodellen, die die Speicherbereitstellung in Europa und Nordamerika beschleunigen. Jansen liefert auch strategische Beratung für geplante Projekte mit neuen Energietechnologien.
Florian Mayr
Mayr ist Partner bei Apricum und Leiter im Bereich Energiespeicherung, digitale Energieversorgung und umweltfreundliche Mobilität. Er ist Experte für Strategie, Geschäftsentwicklung und Transaktionsberatung in globalen Märkten für erneuerbare Energien. Mayr berät Cleantech-Unternehmen bei Unternehmens- und Projektfinanzierungen. Vor Apricum war er acht Jahre in leitenden Positionen bei McKinsey & Company und RWE tätig.
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